Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 539 
weggeräumt, so daß die Gesamtregelung bei den Klassikern ein übles Durcheinander bildet. 
Völlig erreicht wird auch keiner der Zwecke, nicht einmal viel später von Justinian, der zwar 
wenigstens den Zustand vereinfacht und eine „indirekte Sukzession“ herstellt, nicht aber darüber 
hinwegkommt, daß ein Vermächtniserwerb durch Vermittelung des Erben, keine zweite Erb- 
folge stattfindet. Indessen genügten die Grundlagen für das Pandektenrecht und die deutschen. 
Partikulargesetze zur Anerkennung der „fideikommissarischen Substitutionen“ mit verschiedenen 
Abarten. Die Testamentspraxis bedient sich ihrer da, um das Vermögen beim Tode des oder 
der Erstbedachten in der Familie des Erblassers zu erhalten. Es ist offenbar der auch von den 
Römem hauptsächlich beabsichtigte Zweck, und oft ein geeigneterer Weg, als der gleicherweise ver- 
wendete, im noch geltenden Text des preußischen Erbschaftssteuergesetzes § 27 mit Recht gleich- 
gestellte, den Erstberufenen mit dem Vermächtnis des Nießbrauchs abzuspeisen. Der Schluß 
der Entwicklung mußte auf die Beseitigung des Dogmas semel heres semper heres warten; 
erst das BGB. F 2100 erkennt glatt an, daß der Testator zwei Erben hintereinander, Vorerben 
und Nacherben, als seine eigenen Universalsukzessoren berufen kann. Interessanterweise 
finden sich aber in den Papyri Anordnungen, die geradenwegs als Nacherbeinsetzungen erscheinen 
und von den Kaisern des 2. und 3. Jahrhunderts, nach deren Judikaten zu schließen, zweifel- 
los als Erbschaftsvermächtnis aufrechterhalten wurden 1. 
§ 142. Hasftung des Erben. Nach dem Erwerb der Erbschaft ist der römische Erbe 
außerstande, die Haftung seines Einzelvermögens für Erblasser- und Erbmasseschulden abzu- 
lehnen, falls er sich nicht vorher mit den Gläubigern vertragsmäßig verständigt hat? oder 
ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangt. Anders steht es, wenn der 
Erbe zum Antritt gezwungen ist; der durch Erblasserwillen zum Erben und Bankervtteur 
werdende Sklave haftet beschränkt (Gai. 2, 155), der unfreiwillige mit Universalfideikommiß 
beschwerte Erbe gar nicht. Nur für den Soldaten sorgt schon das 3. Jahrhundert. Dem 
Nichtmilitär gibt erst Justinian die Rechtswohltat des Inventars. Miterben haften gemäß 
des angeblichen Zwölftafelsatzes grundsätzlich bloß anteilig. 
Dagegen wird schon aus allgemeinen Grundsätzen der Uberlastung mit willkürlichen 
letztwilligen Beschwerungen tunlichst vorgebeugt. So ist es namentlich Maxime, daß zwar 
jeder Empfang, aber nur der Empfang von Todes wegen (Ulp. D. 32, 1, 6) fideikommissarisch 
beschwert sein kann, woraus folgt non plus posse rogari quem restituere quam quantum ei 
relictum est (Marcian D. 30, 114, 3 u. a.)2. Noch mehr leistet die Lex Falcidia “, und ihre 
vielfache Erweiterung, ursprünglich wohl eher im Interesse des Staates wegen einer Kriegs- 
steuer auf Erbschaften (Appian b. c. 5, 67; Dio Cass. 48, 33, 5) als den gegen den Erben vor- 
gehenden Gläubigern zulieb, in der Kaiserzeit am ehesten im Interesse der Testamentsdurch- 
führung, die ohne den Erben zum Teil gefährdet ist. Jeder Erbe, auch der Intestaterbe als 
Universalfiduziar (Pius in D. 35, 2, 18 pr.), behält grundsätzlich gegenüber allen Belastungen 
— möglichst vollständig ist deren Liste erst durch Just. C. 6, 50, 18 gemacht — ein Viertel seines 
Anteils zurück. Die Quart berechnet sich nach dem reinen Nachlaßbestand zur Zeit des Todes 
(Gai. D. 35, 2, 73). Das Vermächtnis usw. kürzt sich ipso jure (ebd. § 5), d. h. ohne besondere 
Geltendmachung, ist also je nach Lage des Falls durch entsprechende Rechtsmittel — z. B. 
Vindikation, exceptio doli, condictio indebiti — und durch Kaution bei der Erfüllung (Lenel, 
Ed. § 284) zu wahren; und der Abzug ist dem Belieben des Erblassers entrückt (Pap. D. 35, 
2, 15, 8). Doch kann er vorschreiben, Vermächtnisse und sonstige Empfänge des Erben, auch 
seine Vorempfänge unter Lebenden seien in die Quart einzurechnen, sonst geschieht dies nicht 
(Marcian ebd. 1. 91). Für mehrere Miterben ist das Viertel individuell, für jeden einzeln zu 
1 Kübler, ZSart. 29, 183—189. 
1 Up. D. 2, 14, 7, 17; Jul. D. 17, 1, 32 “uis itp.): Jul.-Afr. D. 16, 1, 19, 1 u. 2; 
Ulp. D. 44, 4, 4 pr.; Stemmier, Arch Ziv Prax. 6 
3 Näheres Ferrini, ati 97—108. 
4 Plebiszit 40 v. Chr. schlo. Kipp, I 650—653; Ferrini, Legati 20; 
419; Gust. Kretschmar, Erbrechtliche Kompensationen 1892; Kohler, ArchZiv Prax. 
91, 14; Mancaleoni, St. Scialoja 2, 623; Bampaloni, Bull. 21, 180; Vassalli, 
Bull. 26, 52. — K. D. Triantaphyllopoulos, 0 Oud uI#0C vuo- r Borauriko 
3rwald, Ath. 1912.
	        
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