Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Erster Teil. 
Die Rechtsentwicklung bis zur Aufnahme der 
fremden Rechte. 
Erster Abschnitt. 
Allgemeine Rechtsgeschichte und Geschichte des öffent- 
lichen Rechts. 
A. Die germanische Zeit. 
§ 1. Das deutsche Bolk. Das Volk der Germanen taucht nicht als ein großer nationaler 
Staatsverband aus seiner vorgeschichtlichen Vergangenheit auf, sondern es ist in eine erheb- 
liche Anzahl kleinerer Völkerschaften gespalten, deren jede ein selbständiges politisches Dasein 
führt. Nach den Ergebnissen der Sprachforschung zerfallen die Germanen in die Westgermanen 
oder Deutschen und in die Ostgermanen, die aus der gotisch-vandalischen Völkergruppe und 
aus den skandinavischen Stämmen gebildet werden. Trotz der politischen Zersplitterung be- 
steht ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit. Es äußert sich in einer von den römischen 
Schriftstellern überlieferten Sage über die Abstammung der Westgermanen, welche zugleich 
deren natürliche Gliederung in größere, durch nächste Verwandtschaft verbundene Völkerschafts- 
gruppen zum Ausdrucke bringt. Ununterbrochene harte Kämpfe, verursacht durch die Erwerbung 
und Behauptung der in Europa besiedelten Gebiete, erziehen in den Germanen ein wehrhaftes 
Geschlecht, das sich seine Religion, sein Recht und seine Verfassung in wesentlich kriegerischem 
Geiste gestaltet. Durch das Vordringen gegen Gallier und Römer treten sie als ein eigenartiges 
Volkstum in das Gesichtsfeld der antiken Geschichtschreibung ein. Wechselvolle Kämpfe mit 
den Römern setzen zwar ihrer Ausbreitung gegen Westen und Süden eine vorläufige Grenze, 
doch bleibt der Kern des Volkes auf die Dauer unberührt von der Machtsphäre und von der 
nivellierenden Kultur des römischen Weltreichs. 
Seit dem 3. Jahrhundert drängten geschichtliche Ereignisse die vielgespaltene Nation zur 
Bildung größerer Verbände. Benachbarte Völkerschaften schlossen Bündnisse und traten nach 
außen hin unter gemeinsamem Namen auf. Im Laufe der Zeit erwuchs aus dem Bund ein 
staatsrechtlicher Verband und damit eine politische Einheit. Oder die Stammesbildung vollzog 
sich im Wege freiwilligen oder erzwungenen Anschlusses an eine führende und erobernde Völker- 
schaft. Salische und ribuarische Franken, Alemannen, Thüringer, Sachsen, Friesen und Bayern 
sind diejenigen dieser Stämme, die in Deutschland seßhaft blieben, während Ostgoten, Westgoten, 
Vandalen, Burgunder, Angelsachsen, Langobarden und andere aus den heimischen Sitzen aus- 
wanderten, um auf dem Boden des von ihnen zertrümmerten weströmischen Reiches neue 
Heimwesen und Staaten zu gründen. 
§ 2. Das Wirtschaftsleben. Die Germanen trieben die Jagd, standen aber nicht mehr 
auf der Kulturstufe des Jägervolks. Den Mittelpunkt ihres Wirtschaftslebens bildete die Vieh- 
zucht. Das Vieh war Geld. In Viehhäuptern zahlte man die Bußen. Viehstand, nicht Land-
	        
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