Bürgerliches Recht. 103
Statt. Sie ist heutzutage nur kraft Erfüllungsvertrags statthaft !; ein besonderer Fall
ist die Gestattung der Girozahlung, d. h. der Zahlung durch Zession des Bankguthabens 2. In
früherer Zeit, als die Geldwirtschaft noch nicht vollständig durchgedrungen war, spielte sie eine
große Rolle: hier war lange Zeit der Gläubiger von Gesetzes wegen verpflichtet, gewisse Gegen-
stände, z. B. Getreide, statt Geldes anzunehmen 3. Heutzutage wird diese Ersatzleistung mitunter
sogar gesetzlich verboten. Schon mehrere Jahrzehnte besteht bei den Industrievölkern der Grundsatz,
daß der Arbeitgeber den gewerblichen Arbeiter nur in Geld bezahlen darf und jede andere Ver-
abredung unzulässig ist; daß es auch unzulässig ist, dem Arbeiter nachträglich an Zahlungs Statt
etwas anderes statt des Lohnes zu geben, auch wenn dieser damit einverstanden ist, da er ja durch
die wirtschaftliche Zwangslage häufig zu einem solchen Einverständnis genötigt wäre. Eine
derartige Hingabe wäre unwirksam und würde das Schuldverhältnis nicht zerstören; noch mehr:
der Arbeitsherr wäre strafbar (vgl. §§ 115 ff. Gew O.). Der zweite Fall der widerrechtlichen
Leistung an Zahlungs Statt ist die Hingabe an der Schwelle des Konkurses zur Zeit der Zahlungs-
unfähigkeit, nach der Zahlungseinstellung oder dem Konkurseröffnungsantrag: eine solche
Leistung kann nach Ausbruch des Konkurses angefochten werden (§ 30 KO.).
Keines Erfüllungsvertrages, sondern nur einer einseitigen Erfüllungserklärung bedarf es,
wenn der Gläubiger den Schuldner anweist, an einen Dritten zu leisten: die Anweisung hat
die Bedeutung, daß die Leistung an den Dritten (Anweisungsempfänger) den Leistenden ebenso
befreit, wie wenn er an den Gläubiger (den Anweisenden) geleistet hätte 4.
Im Gegensatz zur Erfüllung steht die Deckung, d. h. die Befriedigung durch Tat des
Gläubigers. Einer der bekanntesten Arten ist die Vollstreckung, welche dem Prozeßrecht angehört.
Der andere Fall ist die auch im internationalen Verkehr so unendlich wichtige Dufrechnungs.
Sie setzt voraus, daß der Gläubiger eine Forderung gegen den Schuldner und der Schuldner
eine Forderung gegen den Gläubiger hat, und zwar auf gleichartige Gegenstände, also auf ver-
tretbare Sachen derselben Art. Hier mußte sich bei einer entwickelten Geldwirtschaft von selber
der Gedanke herausstellen, daß es unnötig sei, zu zahlen und wieder zurückzuzahlen, daß viel-
mehr beide Forderungen durch gegenseitige Ausgleichung getilgt werden können. Und als der
Geldverkehr weiter gedieh, zeigte sich die Möglichkeit, durch ständige Anweisungen und Über-
tragungen es zu bewirken, daß schließlich die Schulden in der einen Hand und die Gegenschulden
in der anderen Hand vereinigt sind, so daß eine großartige Kompensation die Hauptschulden
des Verkehrs aus der Welt schafft. Das ist das sogenannte clearing-Wesen. Auf solche Weise
werden sehr große Deckungen mit wenig Geldmitteln bewirkt.
Die Deckung durch Aufrechnung beruht auf folgendem Kunstmittel: Wenn A. von B.
1000 zu verlangen hat und ihm zugleich 1000 schuldet, so ist eine Anweisung des A. an B. denkbar,
er solle die 1000, die er dem A. schuldet, an sich selbst zahlen, um dadurch die Schuld des A. zu
befriedigen. Auf solche Weise dirigiert A. die 1000, die B. dem A. schuldet, in das Vermögen
des B. hinein: dann ist B. befriedigt, denn er hat die 1000 erhalten; aber auch A. ist befriedigt,
denn die 1000, die an ihn zu zahlen wären, sind nach seiner Anweisung gezahlt worden *.
1 Eine Ausnahme ist es, daß die Reichsbanknoten an Zahlungs Statt angenommen werden
müssen, Gesetz 1. Juni 1909 a. 3.
: Vgl. hierüber Mez, Arch. f. b. R. XXX S. 47.
* Das ganze Mittelalter hindurch stand Geld und Geldeswert, ferner die Pfandbestellung
mit Verfallrecht einander gleich; vgl. Parcival III 805 (142): het ir pfenninge oder phant; so in
zahlreichen Weistums= und Stadtrechtsbestimmungen.
* Die Anweisung kommt allerdings nicht nur bei Erfüllungsgeschäften in Betracht, Lehrbuch
I! S. 60 f. Vgl. auch Lent, Anweisung als Vollmacht (1907) S. 1 f., 100 f. und vgl. unten
S. 121. Wenn beim Kaufvertrag der Verkäufer einen Dritten anweist, an den Käufer zu liefern
und das Geld vom Käufer zu empfangen, so spricht man von Vinkulationskauf, der
namentlich im deutsch-österreichischen Verkehr üblich ist; vgl. Kammergericht 17. März 1911
Mugdan 23 S. 23, Trumpler, Monatschrift f. Hand R. XII 267, Flechtheim, 3. f.
Hand R. 60 S. 124, weitere Literatur bei Düringer-Hachenburg III S. 487. Der Käufer
hat die von dem Vinrulationslieferanten dargebotene Ware entweder abzulehnen oder nach
den von diesem bezeichneten Bedingungen anzunehmen, RG. 31. 3. 1903 Entsch. 54 S. 213.
* Lehrbuch II S. 208.
Die Aufrechnung kann daher auch gegenüber einem Wertrecht erfolgen, denn auch dieses wird
durch Zahlung abgelöst, §3 1142 BGB.; daher auch bei einer Grundschuld, RG. 29. November 1913