Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

106 J. Kohler. 
kann sehr wohl eine fremde Sache in der Art verkaufen, daß man sich anheischig macht, das Eigen- 
tum zu erwerben und dann Eigentum zu übertragen; wollte aber jemand eine fremde Sache 
als fremde Sache veräußern zu dem Zweck, um sie dem Eigentümer zu entziehen, so wäre dies 
ein unsittliches Tun, und wenn der Käufer mit im Einverständnis wäre, so wäre der Vertrag 
ohne weiteres nach § 138 BGB. nichtig. Sollte jedoch der Fall so liegen, daß der Verkäufer allein 
davon weiß, daß die Sache eine fremde sei, verkauft also z. B. ein Uhrmacher eine Uhr, die ihm 
zur Verwahrung gegeben ist, im bösen Glauben, so kann er sich dagegen wehren, sie abliefern 
zu müssen; denn man kann ihn nicht zwingen, eine Unterschlagung zu begehen: er muß sich 
aber nach Maßgabe allgemeiner Grundsätze gefallen lossen, daß der Käufer vom Vertrag zurück- 
tritt, oder daß er Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt: denn das durch sein Nichteigen- 
tum herbeigeführte Leistungsunvermögen hat der Verkäufer zu vertreten. Dasselbe müßte auch 
dann gelten, wenn der Verkäufer zwar in gutem Glauben gewesen wäre, aber nachträglich 
von dem Mangel seines Eigentums Kunde erlangt hätte: er könnte die Übergabe verweigern, 
hätte aber nach Maßgabe des zu vertretenden Unvermögens zu haften; so beispielsweise, wenn der 
verkaufende Uhrmacher erst nachträglich erfährt, daß die Uhr nur zur Reparatur in seinem Laden 
ist, oder wenn er dies in augenblicklicher Vergeßlichkeit übersehen hatte. Vgl. §5 437—440 BB. 1. 
Was aber die Haftung für tatsächliche Mängel des Gegenstandes betrifft, so 
folgt das BGB. dem durch das römische Recht vorgezeichneten Wege: der Veräußerer haftet bei 
Käufen und bei allen ähnlichen Austauschgeschäften für die tatsächlichen Mängel, soweit sie den 
zugesagten Eigenschaften widersprechen oder sonst die Tauglichkeit der Sache aufheben; hierbei 
kommt die Tauglichkeit für den maßgebenden Gebrauch in Betracht, d. h. für den Gebrauch, 
der üblich ist, oder der im Kaufvertrag als der zu erfüllende Zweck besonders bezeichnet wurde. 
Wie im römischen Rechte, ist auch hier die Haftung nicht unbedingt: eine Schadenersatzhaftung 
besteht nur im Falle der Arglist? und im Falle der besonderen Zusicherung einer Eigenschaft; sonst 
geht die Haftung auf sog. Wandelung, d. h. darauf, daß Ware und Preis zurückgegeben werden, 
oder auf Minderung des Kaufpreises unter Aufrechterhaltung der Vertragsfolgen. Vgl. §§ 459 ff. 
B#. 3. 
Über die Wandelung wurden seltsame Dinge behauptet. An sich sollte man annehmen, 
daß der Käufer durch die einmalige Wandelungserklärung die Sachlage fixiere und daher 
nicht mehr auf Erfüllung und Preisminderung bestehen könne. Allein dieser Fall gehört 
nicht zu den eigentlichen Wahlverpflichtungen, sondern zu den Rechten des Gläubigers, welche 
man als facultas alternativa bezeichnet, und wo der Gläubiger, auch nachdem er sich für die 
eine der Alternativen erklärt hat, immer noch auf die andere übergehen kann; erst dann soll 
die Sachlage festgelegt sein, wenn der andere Teil mit der Wandelung sich einverstanden erklärt 
hat. Es muß nun als selbstverständlich betrachtet werden, daß eine solche Festlegung auch dann 
eintritt, wenn das Recht der Wandelung klagend geltend gemacht wird, in welchem Fall ein 
Ubergang von der Wandelung zur Preisminderung eine unbefugte Klageänderung im Sinne 
1 Dies hat der Code Napoléon a. 1599 in dem Satze zum Ausdruck gebracht: la vente de la 
chose d’autrui est nulle, woraus man weiteres gefolgert hat; vgl. meine Gesammelten Abhandl. 
S. 261 f. Es ist verkehrt, wenn Lesser, Inhalt der Leistungspflicht S. 101 eine solche Nichtig- 
keit wegen Unmöglichkeit der Leistung für praktisch undenkbar hält. Man muß eben nur die richtigen 
Folgerungen ziehen. Vgl. S. 105 Note 3. , 
«AuchimFallederVerfchuldung,obgleichdasBGB.nurvonArglistspricht.Soauchdas 
RG.,vgl.auchBlume,Jahrb.f.Dogm.55S.227f. 
IJsteinesjiafchinefogestaltet,daßsiepatentwidrigfunktioniert,foistdiesnatürlichebenso 
ein tatsächlicher Mangel, wie wenn sie sonst nur in verletzender Weise zur Funktion gebracht werden 
könnte, OLG. Königsberg 25. Februar 1911 Mugdan 33 S. 24. Die Güte einer Hypothek ist 
insofern Sacheigenschaft, als dabei die das Wertverhältnis betreffenden Beschaffenheiten des Grund- 
stücks in Betracht kommen; soweit es sich aber um die Stellung der Hypothek gegenüber anderen 
dinglichen Rechten handelt, liegt nicht Sacheigenschaft, sondern Rechtslage vor. Vgl. über diese 
Fälle Höniger, Arch. f. b. R. XXXV S. 262 und die hier zitierten Entsch. des R. vom 22. Sep- 
tember 1909 und 25. September 1909. Über die Güte der Aktien entscheidet die Lage des Aktien= 
unternehmens, R. 5. November 1904 Entsch. 59 S. 240. Zufällige Ereignisse, welche die Sache 
nicht antasten, sondern höchstens kraft Ideenassoziation die Schätzung beeinflussen, kommen nicht 
in Betracht, z. B. wenn mit einem Automobil einmal ein Unglück geschehen ist und infolgedessen 
die Käufer ein Absehen nehmen, RG. 27. November 1906 Entsch. 64 S. 375. Im übrigen ist 
zwischen Zusicherung und bloßer Zusage wohl zu unterscheiden (oben im Text).
	        
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