Bürgerliches Recht. 109
In anderer Weise hat das Gesetz den Schenker mild und schonungsvoll behandelt: er hat
das Recht des Notbedarfs (beneficium competentiae) und dieses bis zur Höhe des standesmäßigen
Unterhalts; er haftet nicht für Verzugszinsen und steht nur für Arglist und grobes Verschulden
ein; insbesondere ist seine Haftung für Mängel der geschenkten Sachen wesentlich erleichtert,
§§l 519—524 BB.
Nach alten Rechten stand die Schenkung auf sehr schwankendem Boden 1. Dies ist nicht mehr
der Fall: der Schenker ist regelrecht gebunden. Doch kennt auch das neuzeitliche Recht die Mög-
lichkeit des nachträglichen Zerfalls und des Widerrufs. Der erstere soll dann eintreten, wenn
der Schenker in Vermögensungelegenheiten gerät oder mindestens so weit in seinen Verhältnissen
zurückkommt, daß er sich den standesmäßigen Unterhalt nicht mehr verschaffen kann: hier hat
er die Befugnis, die Schenkung soweit zu brechen, als erforderlich ist, um seinen Notstand zu
heben; er kann also von dem Geschenkten so viel als erforderlich herausverlangen, welcher An-
spruch jedoch durch Zahlung einer entsprechenden Unterhaltsrente abgewandt werden kann. Wie
der Schenker durch die Schenkung nicht in Armut geraten soll, wenn er mehr versprochen
hat, als seinem Vermögen gemäß ist (beneficium competentiae), so soll ihn auch die Real-
schenkung nicht zur Verarmung bringen. Dieses Recht ist ein höchst persönliches und kann weder
vom Erben noch von den Gläubigern geltend gemacht werden, schon darum nicht, weil in bezug
auf diese Personen von einer Unterhaltsleistung nicht die Rede sein kann. Nach 10 Jahren
wird die Schenkung so befestigt, daß eine solche Rückforderung nicht mehr statthast ist, 5§ 528, 529.
Aus ethischen Gründen dagegen ist der Widerruf gegeben, wenn zwischen dem Schenker
und dem Beschenkten schwere seelische Zerwürfnisse eintreten, die von dem Beschenkten herrühren
und gegen den Schenker ihre Spitze richten, so daß ein Fortbestand der Schenkung dem wohl-
wollenden Charakter des Instituts nicht entspräche?. In solchem Falle hat der Schenker das
Widerrufsrecht, aber auch nur er, nicht seine Gläubiger, und seine Erben nur ausnahmsweise.
Mit diesem Widerruf tritt der Zerfall ein: das Gegebene ist von nun an ungerechtfertigte Be-
reicherung, und ein Bereicherungsanspruch ist begründet, § 530 f. BGB. 3. Der Widerruf er-
lischt durch Verzeihung; einer Verzeihung steht es gleich, wenn der Schenker, nachdem er von
dem Undank Kenntnis erlangt hat, ein Jahr mit dem Widerruf gezögert hat, § 532 4.
Diese Grundsätze gelten auch von dem schenkungsbegünstigten Kauf, soweit die Schenkungs-
gunst reicht.
b) Austauschgeschäfte über Nutzungen und Leistungen.
1. Miete und Pacht 5.
§ 74. Aus dem Mietvertrag erwächst nicht nur eine Reihe von Rechten, sondern ein
Rechtsverhältnis: hier stehen Leistung und Gegenleistung nicht nur im Moment des Vertrages,
sondern auch während der ganzen Vertragszeit in einem Wechselverhältnis, welches der Fülle
des täglichen Lebens mit seinen vielen Verwickelungen und Hemmnissen entspricht.
Daher spielt 1. in Mietssachen der Ortsgebrauch eine große Rolle .
Daher kann 2. nicht etwa der Vermieter, nachdem er die Sache übergeben hat, den Mieter seinem
Schicksal überlassen (etwa wie der Eigentümer den Nießbraucher), sondern er hat auch fernerhin
dafür zu sorgen, daß ihm die Gebrauchsmöglichkeit der Sache zusteht; und treten hier Mängel
1 UVgl. cinsuheun in die Rechtswissenschaft (4. Auft.) 76 und Enzyklopädie 1 S
* Vgl. W. Müller, Jahrb. f. Dogm. 48 S.
* Ist daher die Sache untergegangen, aber dersichran- so hat der Widerufende den Anspruch
auf die Versicherungssumme, OL#. Kolmar 2. Juni 1910 Rhein. Z. III S. 252.
* Bei Schenkungen unter Ehegatten gelten noch besonders n h Bestimmungen,
l1584, insbesondere fehlt hier auch die Ausnahme für Anstandsschenkungen, die sonst dem Wider-
ruf entzogen sind, § 534, RG. 6. Juli 1904 Entsch. 58 S. 382. Doch darf man auch hier nicht zu weit
gehen und bei der Ehescheidung alle Geburtstagsgeschenke „zurückrufen“.
* Lehrbuch II S. 313.
* So was die Reinigung der Treppen, das Klopfen der Teppiche, den Gebrauch der nüche
usw. betrifft. Der Mieter eines Ladens hat das Recht, außen Reklamen anzubringen (nach Berliner
Brauch von seiner unteren Fensterkante bis zu der nächsten oberen Fensterunterkante, RG. 26. Ok-
tober 1912 Entsch, 80 S. 282.