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Erwerbs-, Lebensunterhalts außer Geltung gesetzt, die gesteigerte Haftung besteht also nur noch
für Luxustiere und für häusliche Nutztiere 1).
Natürlich kann es sich hier überall nur um Tiere handeln, die eine gewisse Bewegungs-
freiheit haben, bei welchen also von Halbvernunft die Rede sein kann. Von dem Fall, daß etwa
ein Dritter durch die Bazillen eines Forschers infiziert würde, ist hier nicht die Rede, ganz ab-
gesehen davon, daß die Zugehörigkeit der Bazillen zum Tierreich zu beanstanden ist: hier kann
nur der Standpunkt der Verschuldung maßgebend sein; und dasselbe gilt für Pflanzen, die für
die Nachbarn schädliche Eigenschaften haben, z. B. dadurch, daß sie ihren Samen weiter ver-
breiten und die Nachbarfelder mit Unkraut übersäen.
Bei Gebäuden hat das BGB. den Schuldstandpunkt aufrecht erhalten. Man haftet nur
dann, wenn man nicht die nötige Vorsicht angewandt hat (I§ 8360), und denselben Standpunkt
nimmt das Gesetz ein bei der Haftung für Untergebene, welche im Kreie ihrer dienstlichen Tätig-
keiten dritte Personen beschädigen; der Geschäftsherr? haftet nur dann, wenn er in der Be-
aufsichtigung oder in der Auswahl sich eine Lässigkeit hat zuschulden kommen lassen (§ 831):
nach diesem Gesichtspunkte ist insbesondere auch der Fall zu behandeln, wenn von Angestellten
unlautere Wettbewerbshandlungen ausgehens, femer der Fall, wenn eine Transport-
gesellschaft mit Kutschern den Dienst besorgt #“#. Im übrigen haftet er in den bezeichneten
Schranken, sollte auch etwa der Untergebene wegen Irrtums oder wegen Geisteskrankheit nicht
im Verschulden sein 5. Ahnliches gilt nach § 832 für die Aufsichtsführenden, für Irrenärzte und
Lehrer, aber auch für Eltern und Erzieher, welche über ihre Untergebenen zu wachen habens.
In gewissen Fällen, namentlich bei Automobilen ist die Haftung verschärft: der Automobilhalter
haftet für den Lenker, und kann sich nicht in der obigen Weise exkulpieren, Automobilgesetz
3. Mai 1909 &+7; ähnliches gilt im Gewerberecht von der Haftung des Fabrikanten, Haftpflicht-
Gesetz 7. Juni 1871 §# 2 (bei Personenschaden).
Alle derartigen Schäden führen zu Ausgleichungen, die für den Verpflichteten im höchsten
Grade bedränglich werden können, und es ist sehr wünschenswert, wenn hier durch Versicherungen
möglichst geholfen wird. Vielleicht, daß schließlich auch hier die Gesetzgebung einschreitet und
Zwangsversicherungen einführt; einstweilen ist dies Sache privater Unternehmungen: Haft-
pflichtversicherung, vgl. § 149 f. des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908.
Landezsgesetzlich gilt auch noch die Haftung der Gemeinden für Schäden durch Zusammen-
rottung, Auflauf und Aufruhr 7.
RG. 27. September 1912 Z. f. Rechtspfl. in Bayern VIII S. 461. Eine ausdrückliche Bestimmung
in dieser Richtung enthält das Automobilgesetz vom 3. Mai 1909 F 8.
So hat man Armeepferde für „Berufspferde“ erklärt, RG. 21. April 1911 Entsch. 76 S. 225,
auch Schlächtertiere, Masttiere und dgl., RG. 18. April 1912 Entsch. 79 S. 246, Tiere eines Vieh-
händlers, RG. 30. September 1912 Z. f. Rechtspfl. in Bayern VIII S. 459.
* Das BGB. spricht von Bestellung durch einen Geschäftsherrn. Die Bestimmung trifft
daher nicht zu, wenn der Besteller das Werk dem Unternehmer als Geschäftsherrn überlassen
und anvertraut hat: hier haftet der Unternehmer für seine Leute, nicht der Besteller; z. B. eine
Kurverwaltung bestellt ein Feuerwerk, und bei dessen Abbrennen wird jemand beschädigt. Un-
richtig RG. 24. September 1906 Deutsche Juristenzeitung XI S. 1262, welches die Kur-
verwaltung nach § 278 haftbar machen wollte, weil sie dem Publikum (gegen Eintrittsgeld) den
Eintritt gestattete: dies ist unrichtig; wenn der Kurverein dem Publikum den Eintritt zu den
Kurveranstaltungen gestattet, so ist er deshalb ebensowenig der „Leistende“ (§5 278), wie wenn
er einen Sänger engagiert, bei dessen Darbietungen die Leute in Ohnmacht fallen; er ist auch
nicht der Geschäftsherr (§ 831), falls er die Arrangements einem Impressario überläßt.
* Ugl. mein Werk Unlauterer Wettbewerb S. 290
* RG. 14. Dezember 1911 Entsch. 78 S. 107.
* Vgl. RG. 30. Dezember 1901 Entsch. 50 S. 60.
* So neuerdings Entsch. des RG. 27. November 1913: wenn der Vater das Kind ohne Be-
aufsichtigung mit einer Armbrust spielen läßt, so haftet er, falls dieses einem Menschen das Auge
ausschießt. Auch wenn seinem Spielgenossen? seinem eigenen Bruder?
*3. B. Preußen 11. März 1850 (hierzu RG. 17. Dezember 1907 Entsch. 67 S. 236), Bayern
12. März 1850 (AusfG. zum Be#B. Art. 142). Die Bestimmung geht auf den uralten Gedanken
zurück, daß die Gemeinschaft für Schäden aufkommen müsse, für die sonst kein Ersatz zu erlangen
ist; er findet sich fast überall in den italienischen Statuten, z. B. Witerbo (1251) IV 29, Casale
(14. Jahrh.) in Mon. hist. patr. I p. 993, Sa1ô 1386 Art. 100 GZettoni, Storia di Salò IV
xp. 172), PHiacenza 1391 V 8 (Mon. bist. ad prov. Parm. pert. 1 6 p. 366 f.), Mirandola
IV 125 (Gesetz v. 1471), Ferrara (1534) p. 187 u. a.