Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

136 J. Kohler. 
Erwerbs-, Lebensunterhalts außer Geltung gesetzt, die gesteigerte Haftung besteht also nur noch 
für Luxustiere und für häusliche Nutztiere 1). 
Natürlich kann es sich hier überall nur um Tiere handeln, die eine gewisse Bewegungs- 
freiheit haben, bei welchen also von Halbvernunft die Rede sein kann. Von dem Fall, daß etwa 
ein Dritter durch die Bazillen eines Forschers infiziert würde, ist hier nicht die Rede, ganz ab- 
gesehen davon, daß die Zugehörigkeit der Bazillen zum Tierreich zu beanstanden ist: hier kann 
nur der Standpunkt der Verschuldung maßgebend sein; und dasselbe gilt für Pflanzen, die für 
die Nachbarn schädliche Eigenschaften haben, z. B. dadurch, daß sie ihren Samen weiter ver- 
breiten und die Nachbarfelder mit Unkraut übersäen. 
Bei Gebäuden hat das BGB. den Schuldstandpunkt aufrecht erhalten. Man haftet nur 
dann, wenn man nicht die nötige Vorsicht angewandt hat (I§ 8360), und denselben Standpunkt 
nimmt das Gesetz ein bei der Haftung für Untergebene, welche im Kreie ihrer dienstlichen Tätig- 
keiten dritte Personen beschädigen; der Geschäftsherr? haftet nur dann, wenn er in der Be- 
aufsichtigung oder in der Auswahl sich eine Lässigkeit hat zuschulden kommen lassen (§ 831): 
nach diesem Gesichtspunkte ist insbesondere auch der Fall zu behandeln, wenn von Angestellten 
unlautere Wettbewerbshandlungen ausgehens, femer der Fall, wenn eine Transport- 
gesellschaft mit Kutschern den Dienst besorgt #“#. Im übrigen haftet er in den bezeichneten 
Schranken, sollte auch etwa der Untergebene wegen Irrtums oder wegen Geisteskrankheit nicht 
im Verschulden sein 5. Ahnliches gilt nach § 832 für die Aufsichtsführenden, für Irrenärzte und 
Lehrer, aber auch für Eltern und Erzieher, welche über ihre Untergebenen zu wachen habens. 
In gewissen Fällen, namentlich bei Automobilen ist die Haftung verschärft: der Automobilhalter 
haftet für den Lenker, und kann sich nicht in der obigen Weise exkulpieren, Automobilgesetz 
3. Mai 1909 &+7; ähnliches gilt im Gewerberecht von der Haftung des Fabrikanten, Haftpflicht- 
Gesetz 7. Juni 1871 §# 2 (bei Personenschaden). 
Alle derartigen Schäden führen zu Ausgleichungen, die für den Verpflichteten im höchsten 
Grade bedränglich werden können, und es ist sehr wünschenswert, wenn hier durch Versicherungen 
möglichst geholfen wird. Vielleicht, daß schließlich auch hier die Gesetzgebung einschreitet und 
Zwangsversicherungen einführt; einstweilen ist dies Sache privater Unternehmungen: Haft- 
pflichtversicherung, vgl. § 149 f. des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908. 
Landezsgesetzlich gilt auch noch die Haftung der Gemeinden für Schäden durch Zusammen- 
rottung, Auflauf und Aufruhr 7. 
RG. 27. September 1912 Z. f. Rechtspfl. in Bayern VIII S. 461. Eine ausdrückliche Bestimmung 
in dieser Richtung enthält das Automobilgesetz vom 3. Mai 1909 F 8. 
So hat man Armeepferde für „Berufspferde“ erklärt, RG. 21. April 1911 Entsch. 76 S. 225, 
auch Schlächtertiere, Masttiere und dgl., RG. 18. April 1912 Entsch. 79 S. 246, Tiere eines Vieh- 
händlers, RG. 30. September 1912 Z. f. Rechtspfl. in Bayern VIII S. 459. 
* Das BGB. spricht von Bestellung durch einen Geschäftsherrn. Die Bestimmung trifft 
daher nicht zu, wenn der Besteller das Werk dem Unternehmer als Geschäftsherrn überlassen 
und anvertraut hat: hier haftet der Unternehmer für seine Leute, nicht der Besteller; z. B. eine 
Kurverwaltung bestellt ein Feuerwerk, und bei dessen Abbrennen wird jemand beschädigt. Un- 
richtig RG. 24. September 1906 Deutsche Juristenzeitung XI S. 1262, welches die Kur- 
verwaltung nach § 278 haftbar machen wollte, weil sie dem Publikum (gegen Eintrittsgeld) den 
Eintritt gestattete: dies ist unrichtig; wenn der Kurverein dem Publikum den Eintritt zu den 
Kurveranstaltungen gestattet, so ist er deshalb ebensowenig der „Leistende“ (§5 278), wie wenn 
er einen Sänger engagiert, bei dessen Darbietungen die Leute in Ohnmacht fallen; er ist auch 
nicht der Geschäftsherr (§ 831), falls er die Arrangements einem Impressario überläßt. 
* Ugl. mein Werk Unlauterer Wettbewerb S. 290 
* RG. 14. Dezember 1911 Entsch. 78 S. 107. 
* Vgl. RG. 30. Dezember 1901 Entsch. 50 S. 60. 
* So neuerdings Entsch. des RG. 27. November 1913: wenn der Vater das Kind ohne Be- 
aufsichtigung mit einer Armbrust spielen läßt, so haftet er, falls dieses einem Menschen das Auge 
ausschießt. Auch wenn seinem Spielgenossen? seinem eigenen Bruder? 
*3. B. Preußen 11. März 1850 (hierzu RG. 17. Dezember 1907 Entsch. 67 S. 236), Bayern 
12. März 1850 (AusfG. zum Be#B. Art. 142). Die Bestimmung geht auf den uralten Gedanken 
zurück, daß die Gemeinschaft für Schäden aufkommen müsse, für die sonst kein Ersatz zu erlangen 
ist; er findet sich fast überall in den italienischen Statuten, z. B. Witerbo (1251) IV 29, Casale 
(14. Jahrh.) in Mon. hist. patr. I p. 993, Sa1ô 1386 Art. 100 GZettoni, Storia di Salò IV 
xp. 172), PHiacenza 1391 V 8 (Mon. bist. ad prov. Parm. pert. 1 6 p. 366 f.), Mirandola 
IV 125 (Gesetz v. 1471), Ferrara (1534) p. 187 u. a.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.