Bürgerliches Recht. 145
minder großem Risiko ins Auge fassen. Ubrigens gelten diese Schattenseiten in vollem Maße
nur von der allgemeinen Gütergemeinschaft und mehr oder minder auch von der Fahrnis-
gemeinschaft. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist weniger bedenklich: hier fällt das vorhandene
Vermögen nicht in die Gemeinschaft, sondern nur der Erwerb, und es ist daher nicht zu befürchten,
daß man durch die vorehelichen Schulden der Ehefrau Hab und Gut verliert. Anderseits tritt
der große Vorteil der Frau, daß sie an dem Erwerb des Mannes unbeschränkt teilnimmt, hier ganz
besonders heror. Nicht selten schließen die Ehegatten die Ehe ohne erhebliches Vermögen und
kommen später zu reichlichem Erwerb: an diesem ist gemeinhin der Mann durch seine Erwerbs-
tätigkeit in erster Linie beteiligt, aber auch die Frau hat durch Sparsamkeit, Wirtschaft und da-
durch, daß sie den Ehemann stets erwerbsfähig erhielt, große Verdienste; eine Teilung des Er-
werbs zu halb und halb ist dann allerdings vielleicht ungerecht, gerechter wäre, wie bei manchen
orientalischen Völkern, eine Teilung zu zwei Dritteln und einem Drittel. Doch bleibt hier
immer der Mißstand übrig, daß der gemeinsame Erwerb für die Schulden des Mannes haftet;
ist daher die Frau selbst Erwerbstreibende, dann hat sie zu gewärtigen, daß alles, was sie mit
Mühe erspart und errungen hat, den Gläubigern des Mannes mit aufgeopfert wird.
§ W.. Ein anderes System hat sich in manchen Teilen Deutschlands mit scharfer Folge-
richtigkeit entwickelt; es ist aber auch sonst im Leben der Völker viel verbreitet. Ebenso wie das
Vermögen der Kinder in die elterliche Nutznießung kommt, so läßt man das Vermögen der Ehe-
frau in die Verfügungsnutznießung des Mannes gelangen. Dadurch wird
eine gewisse Einheit des Hausvermögens gewahrt; und da der Ehemann die Einkünfte und
Nutzungen des Vermögens der Frau hat, so ist ihm damit zugleich ein gewisser Gegenwert ge-
geben für die auf ihm lastenden Verpflichtungen der Ehe.
Dieses System war das System des Sachsenspiegels, es ist durch das B#. das gesetzliche
System Deutschlands geworden. Man hatte allerdings vorgeschlagen, kein einheitliches gesetz-
liches System einzuführen, sondern nach Ortlichkeiten das eine oder das andere System walten
zu lassen und hierbei die bisher üblichen Gewohnheiten und Gesetze zu berücksichtigen. Mit Recht
hat man ein derartiges Verfahren fast allgemein zurückgewiesen; denn daß die einzelnen Ort-
lichkeiten auch nach dem neuen Gesetz in ihrer Ruhe und Bequemlichkeit verharren, ist kein so großes
Interesse, daß dadurch die Rechtsverschiedenheit mit allen ihren schweren Verwicklungen und
all ihrem trennenden Charakter, mit allen ihren politischen Nachteilen aufgewogen würde. Man
hat darum, wie seinerzeit im französischen Recht (wo ebenfalls die größten Verschiedenheiten
bestanden), ein System als das gesetzliche aufgestellt, es aber den Ehegatten gestattet, im Ehe-
vertrag (der in öffentlicher Urkunde errichtet werden muß) ein anderes System zu wählen, ins-
besondere das System der Gütertrennung oder ein System der Gütergemeinschaft, und man
ist um so zutunlicher gewesen, als man den Ehevertrag nicht nur vor, sondern auch während der
Ehe zugelassen hat, §§ 1432 ff. 1.
Allerdings ist das System der ehemännlichen Verfügungsnutznießung nur ein Ubergangs-
system. Die Neuzeit verlangt gebieterisch den Ubergang zum System der Gütertrennung: die
Einheit des Hauses verlangt keine Einheit des Vermögens, und dem Gedanken der Neuzeit
entspricht die Vermögensunterwerfung der Ehefrau nicht mehr, auch nicht eine Unterwerfung
in Gestalt der Verfügungsnutznießung.
Was nun aber diese betrifft, so gilt folgendes: Der ehemännlichen Nutznießung unter-
liegt das eingebrachte Vermögen der Frau. Allerdings hat man schon in früherer Zeit einige
besonders intime Vermögensstücke der Frau ausgenommen, und das spätere Recht hat die Mög-
lichkeit gegeben, eine ganze Vermögensmasse dieser Frau der ehemännlichen Nutznießung zu ent-
ziehen, vor allem den Arbeitserwerb der Frau während der Ehe. Es ist eine Neuerung des
modernen, namentlich des englischen Rechts, daß man den Erwerb der Frau mit ihrer Person
untrennbar verbunden und der ehemännlichen Herrschaft gänzlich entzogen hat 2, ein System,
1 In Frankreich folgte der ganze Süden dem Dotalsystem; darum werden dort noch heut-
zutage am meisten Eheverträge Aeschlossen. Doch sind auch hier die Eheverträge im Abnehmen
nddns gelsce „Gütersystem im Fortschreiten begriffen; vgl. Bonnecase, Rhein. Z. IV
. ., ., .
* Bahnbrechend war das bekannte englische Gesetz von 1870, 33, 34 Vict. c. 93; 1ber seine Geschichte
vgl. Marianne Weber, Ehefrau und Mutter (1907), S. 363 f. Es hat auch in anderen Ländern
Onzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band II. 10