Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

168 J. Kohler. 
einen Pfleger herbeiruft 1. Besonderes gilt von dem Pfleger als dem Orgau einer still- 
schweigenden juristischen Person, welche kraft Gesetzes hewortritt, wenn schützenswerte Interessen 
vorliegen und eine Zentralstelle geschaffen werden muß, von der aus diese Interessen geregelt 
werden; so der sog. Pfleger der Leibesfrucht, der Pfleger des Sammelvermögens (bei Wegfall 
des sammelnden Komitees), der Pfleger im Interesse des Nacherben 2, 9§ 1909 ff., 1912—1914, 
ebenso der Pfleger im Falle des § 928 BGB. Vagl. oben S. 44. 
Die Lage des Pflegers ist ähnlich der des Vormunds, namentlich auch, was die Kontroll- 
maßregeln betrifft; doch bedarf es eines Gegenpflegers nicht, § 1915. 
E. Erbrecht. 
1. Grundgedanken. 
* 117. Das Erbrecht des BG#B. hat im wesentlichen neue Bildungen geschaffen 
unter dem Einfluß des germanischen Rechts und hat damit den deutschen Ideen einen mächtigen 
Sieg errungen. Doch läßt die buraukratische Art der Ausgestaltung viel zu wünschen übrig. 
Deutsch ist der grundlegende Satz, daß das Erbrecht ein Vermögenserbrecht, 
kein Personenerbrecht ist. Nicht die Person des Erblassers geht auf den Erben über 
mit all ihren Akzidenzien, sondern nur das Vermögen, aber dieses als Gesamtheit. Und so ent- 
wickelt sich der Satz vom Vermögen als einer Summe von Aktiven und Passiven, und der Satz, 
daß diese Vermögenseinheit dem Erben zukommt 7. 
Daher besteht ein ganz anderer Ausgangspunkt als nach römischem Rechte. Nach römischem 
Rechte unbedingte Vollhaftung des Erben, abgesehen von der byzantinischen Schöpfung des 
Inventarbenefiziums; nach deutschem Recht dagegen Haftung mit dem Vermögen und nur mit 
dem Vermögen. 
Während nun andere Gesetzgebungen mehr oder minder sich dem römischen Rechte an- 
schlossen, hat das B#B., ähnlich wie das sächsische Gesetzbuch § 2328, und jetzt das Schweizer 
Gesetzbuch a. 539, das germanische System gewählt und der Erbenhaftung eine reale Grund- 
lage gegeben; ebenso der ungarische Entwurf § 1892f f. 
In dieser Beziehung gilt folgendes: auch bei dem Inventarbenefizium war im römischen 
Recht die Haftung des Erben eine persönliche; er haftete persönlich, wenn auch nur bis zum 
Betrage der Erbschaft; nach deutschem Rechte aber ist die Haftung eine sachliche: der Erbe haftet 
nicht bis zur Erbschaft, er haftet mit der Erbschaft. Alles, was die Erbschaft an Schicksalen er- 
leidet, trifft die Gläubigerschaft, nicht ihn; geht die Erbschaft unter, so ist er frei. 
Dies mußte aber wiederum zu dem Satze führen, daß die Erbschaft wie ein fremdes Ver- 
mögen in der Verwaltung des Erben stehe. Schon frühere Rechte betrachteten daher 
den Erben als Verwalter des Nachlasses. Das BG. ging weiter: der Erbe hat, um die reale 
Haftung zu verwirklichen, die Erbschaft in Nachlaßverwaltung eines öffentlichen Ver- 
walters zu geben oder nötigenfalls den Nachlaßkonkurs zu veranlassen #. Nur in einem Falle 
soll dies nicht nötig sein, wenn nämlich der Gläubiger selber nicht das Nötige zur Feststellung 
  
1 Bei körperlichen Gebrechen kann eine totale oder partielle Pflegschaft angeordnet werden, 
bei geistigen nur eine partielle (sonst muß Entmündigung eintreten), § 1910. Ist eine Verständigung 
mit dem Hilflosen nicht möglich, so kann eine solche Pflegschaft auch ohne seinen Willen bestimmt 
werden, allein sofern es sich um geistige Störung handelt, nur eine partielle, & 1910. 
: In dessen Interesse, nicht im Interesse Dritter; Kammergericht 30. Juni 1902 Mugdan 
V S. 364. Nach Schweizer Zivil GB. a. 371 ist auch dem ein Vormund zu setzen, der eine Freiheits- 
strafe von mindestens 1 Jahr zu verbüßen hat. 
* Dies ist von mir in Einführung (4. Aufl.) S. 106 durchgeführt. 
Wie sehr dies dem germanischen Recht entspricht, bezeugt das englische Recht, in welchem 
die Erbschaft zur Erledigung an einen e Kecutor oder administrator kommt, der für die Liquidation 
und Schuldenzahlung zu sorgen hat — ein Verhältnis dringend notwendig, sobald keine Personen-, 
nur eine Sachhaftung besteht. Im übrigen hat nur das beneficium inventarüt den Deutschen das 
römische Recht einigermaßen erträglich gemacht. Doch wurde es, so wie es im römischen Recht 
gebildet war, vielfach abgestoßen, z. B. in Como (1214) a. 189 (Mon. bist. patr. XVI p. 76), 
Novars (1277) a. 264. Uber englisches Recht vgl. unten Heymann S. 340 f.
	        
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