Bürgerliches Recht. 169
seines Rechts tut. Hierzu hat man sich einer ebenfalls aus dem deutschen Recht entnommenen
Einrichtung bedient, nämlich des Aufgebotsverfahrens (Rechnungsrufs): die Gläu-
biger werden aufgefordert, sich zu melden; wer sich nicht meldet, hat nichts weiter zu bean-
spruchen, als was dem Erben von der Erbschaft nach Deckung der anderen Gläubiger übrigbleibt
(§& 1970 f., 1973 f.)1, vgl. Schweizer Gesetzbuch §#§ 582, 590, 593f.
Um den Erben während des Rechnungsrufes zu sichern und ihm die Möglichkeit zu geben,
die Entwicklung des Rechnungsrufes abzuwarten, hat er die vergängliche Einrede der §§ 2014,
2015, die ihn bis zur Erledigung des Aufgebotsverfahrens gegen Vollstreckung schützt 2.
Ein gesetzlicher Zwang, ein Inventar zu errichten, besteht für den Erben nicht 3s, aber er
darf, wenn er nicht unbeschränkt haften will, das Inventarrecht nicht verlieren: er muß auf
Antrag und richterliches Geheiß innerhalb bestimmter Zeit (1—3 Monate) ein Inventar er-
richten: denn dieses allein gibt eine Grundlage für die Beschränkung der Haftung (§§ 1993 ff.).
Der Verlust des Inventarrechts für den einen Erbteil wirkt auch für einen dem Erben nach-
träglich anwachsenden Erbteil, sofern bei diesem nicht wegen besonderer Vermächtnisse eine
Eigenberechnung eintreten muß 5.
§* 118. Vollkommen germanisch ist auch das Verhältnis einer Mehrheit von Erben.
Diese haben nicht etwa Bruchteile an allen einzelnen Erbschaftsstücken, was, wie im römischen
Recht, dazu führen müßte, daß die Forderungen von selber unter die Erben geteilt waren
(nomina ipso jure divisa sunt), sondern es gilt hier das oben (S. 56) Entwickelte: ihre Beteiligung
am Erbe gestaltet sich in der Art, daß einstweilen der Anteil eines jeden an jeder einzelnen Sache
ungewiß ist: er schwebt zwischen Null und der ganzen Sache, und erst die Teilung gibt jedem
den ihm gebührenden Anteil an allem einzelnen. Daher kommt auch keinem der Miterben einst-
weilen ein Bruchteil der Erbschaftsforderungen zun: erst die Teilung wird
kundgeben, wie sich ihre Anteilnahme an den Erbschaftsforderungen gestaltet. Bei solcher un-
gewissen Beteiligung an allen einzelnen Sachen ist selbstverständlich eine Verfügung über Erb-
schaftssachen nur der Erbenschaft, nicht dem einzelnen möglich . Dagegen kann der einzelne
über seinen Anteil als Gesamtheitsanteil verfügen, denn es handelt sich hier nicht, wie bei einer
Gesellschaft, um ein persönliches Wirken der Miterben, sondern um eine objektive Liqui-
dation, bei welcher die Persönlichkeiten keine Rolle spielen 7. Die Verfügung hat in notarieller
Form zu geschehen, § 2033; sie ist eine Verfügung über die Gesamtheit als Gesamtheit: der
Erwerber tritt in dasselbe Beteiligungsverhältnis, in welchem der Miterbe war, wobei besonders
auch die Ausgleichungen in Betracht kommen s. Ebenso kann eine Pfändung des Erbteils nach
1 Der Erbe hat also die Erschöpfungseinrede, auf Grund deren er über den Wert des Erb-
überschusses hinaus die Befriedigung verweigern kann; die Befriedigung bis zu dem Werte des
Überschusses kann in gewöhnlicher Weise, also durch Zahlung der betreffenden Summe, geschehen,
aber auch durch Zulassung einer Zwangsvollstreckung auf den Überschuß, so daß die Gefahr des
Minus den Gläubiger trifft, § 1973 BGB., 5 780 f. 3. Vgl. auch Schenk, Wirkung des
nach Aufgebot der Nachlaßgläubiger ergangenen Ausschlußurteils (1907), S. 58 f. Über Erb-
schaften der Ehefrauen vgl. § 999 ZP. ·
: Nicht gegen Prozeßverhandlung und verurteilendes Erkenntnis, nicht gegen Arrest, § 305
und 782 BPO. Vgl. Engländer, Aufgebot der Nachlaßgläubiger (1906), S. 24 f.
* In der Schweiz findet bei der Nachlaßliquidation Inventur und Rechnungsruf von selbst
statt, § 595 Schweizer G. #
* Fällt die Erbschaft der Shefrau in das eingebrachte Gut oder in das Gesamtgut, so ist die
Inventarauflage nur gültig, wenn sie beiden Gatten gemacht wird, 53 2008. Ist der Antrag gegen
die Frau gerichtet, der gerichtliche Beschluß aber beiden Ehegatten bekannt gemacht, so muß dies
genügen, a. A. Karl Joseph (1911) S. 33f.
* So 52007 BG#B. cfk. 2095, 1935. Vgl. auch Paech, Haftung für Nachlaßverbindlichkeiten
bei Vereinigung mehrerer Erbteile in einer Hand (1906) S. 42 f., Niese, Arch. f. b. R. XXN
S. 197, Langen, Arch. f. b. R. XXXVI S. 29. Z
* So kam man im französischen Recht zum Satz von der rückwirkenden (deklaratorischen)
Kraft der Teilung, a. 883 C. civ., der auf Molinaeus zurückführt.
7 Daher ist auch eine Verpfändung des Erbteils möglich, Ss 1273, 1274, 2033 BGB.; vgl.
auch LG. Straßburg 23. Juli 1901 Z. f. Ziv. Proz. XXXI S. 113, ebenso die Bestellung eines
Nießbrauches vgl. Nölle, Rechtliche Natur der Erbengemeinschaft (1910) S. 40 f. UÜbrigens
haben die Miterben ein Vorkaufsrecht (innerhalb 2 Monaten), 88 2034, 2035.
*Pringsheim, Rechtsstellung des Erwerbers eines Erbteils (1910), S. 78; OL#.
Darmstadt 27. September 1912, Hessische Rechtspr. XIII S. 234.