1 v. Unzner.
Dem BGB. liegt somit das Kodifikationsprinzip zugrunde. Für Landesprivatrecht ist
danach nur Raum, soweit ihm das. Reichsrecht Raum gibt. Soweit das BGB. oder dessen
EG. einen Vorbehalt für die Landesgesetzgebung nicht enthält, tritt dieses in seiner Gesamt-
heit außer Kraft, gleichviel, ob seine Vorschriften mit dem BG#B. inhaltlich übereinstimmen,
ihm widerstreiten oder seine Lücken ergänzen, ohne Rücksicht ferner darauf, ob die Materie im
BG. geregelt ist (Mater. S. 56). Durch die Aufhebung werden insbesondere getroffen das
Gemeine Recht, das preuß. ALR., das sächs. BGB., der Code civil, die Privatrechtsordnungen
von Elsaß-Lothringen (CG. Art. 5); auch das dänische und österreichische Recht, soweit sie auf
deutschem Boden noch Gültigkeit hatten, sind verschwunden. Zu den durch Art. 55 außer Wirk-
samkeit gesetzten privatrechtlichen Vorschriften gehören auch:
a) diejenigen, die in öffentlich-rechtlichen Gesetzen, insbesondere auch Prozeßordnungen,
sich vorfinden oder in Kodifikationen, die privates und öffentliches Recht gemeinsam behandeln,
wie dies namentlich im Teil II des preuß. ALR. häufig geschehen ist?;
b) diejenigen, die in früheren Reichsgesetzen in bezug genommen sind, es sei denn, daß
eine Spezialregelung gewollt oder landesgesetzlichen Vorschriften reichsrechtliche Kraft be-
sonders beigelegt ist, z. B. Personenstandsges. v. 6. Febr. 1875 3 75 Abs. 2
In gleicher Weise wie im Art. 55 des CG. z. BGB. bestimmt für die im Handelzgesetz-
buche geregelten Materien der Art. 15 Abs. 1 des EG. z. HGB. die Voraussetzungen für die
Geltung des Landesprivatrechts.
Der Grundsatz des Art. 55 ist ferner durch Verweisung auf diese Vorschrift übergegangen
in die Grundbuchordnung (§ 82) und das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs-
verwaltung (§ 1 des EG. zu diesem Gesetze), so daß auch auf dem Gebiete des Grundbuch-
wesens und der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken landesrecht-
liche Vorschriften nur auf Grund eines Vorbehaltsausspruchs zulässig sind. #
Dagegen gilt das Kodifikationsprinzip nicht für das Gebiet der freiwilligen Gerichts-
barkeit. Auf diesem sind landesrechtliche Vorschriften nicht nur insoweit zulässig, als ein Vor-
behalt reicht (§ 189 FG#G.), sondern auch zur Ergänzung und Ausführung des F. (§ 200 das.).
§ 3. Der Vorbehaltsausspruch.
I. Die Gegenstände, welche der Landesgesetzgebung vorbehalten bleiben, sind vor allem
im dritten Abschnitte des EG. („Verhältnis des BGB. zu den Landezsgesetzen") Art. 56—152
bezeichnet. Auch im vierten Abschnitt (Art. 153—218), der die „Übergangsvorschriften“ ent-
hält, finden sich zahlreiche, gerade die Beziehungen des Landesprivatrechts zum neuen Rechte
für die Übergangszeit ordnende Normen. Aber auch an vielen Stellen des BGB selbst ist
die Grenzregulierung erfolgt. Eine Reihe seiner Vorschriften setzt geradezu voraus, daß eine
landesgesetzliche Ordnung, insbesondere durch Bezeichnung zuständiger Behörden, ergänzend
eingreife 3. Auch die Grundbuchordnung (§§ 90 ff.), das EG. zum Zwangsversteigerungsgesetz
(§5 3—14) und das FG. (§§ 190—199) enthalten besondere Vorbehalte.
Selbstverständlich kann jedes neue Reichsgesetz neue Quellen des Vorbehaltsrechts er-
öffnen, alte aber versperren. So ist seit dem Inkrafttreten des BGB. das Gebiet der Vor-
behalte durch die Gesetze über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 und über den Versicherungs-
vertrag vom 30. Mai 1908 eingeengt worden, diese Gesetze haben die Art. 75, 76 des EG. zum
größten Teile erledigt. Voraussichtlich wird demnächst auch der Vorbehalt des Art. 105 des E.
über die Haftung von Betriebsunternehmungen wegfallen; wenn der Entwurf eines Gesetzes
1 Vorbehalt bedeutet diesen Vorbehaltsausspruch und das Vorbehaltsgebiet, d. h. das Rechts-
gebiet, welches vermöge des Ausspruchs der landesgesetzlichen Zuständigkeit unterliegt.
* Der Art. 89 des preuß. A. hebt daher eine Anzahl Vorschriften des ALR. auf, „soweit
sie sich nicht auf öffentliches Recht beziehen“.
Vgl. z. B. 58 44 (Verlust der Rechtsfähigkeit eines Vereins im Verwaltungswege), 85 (Ver-
fassung einer Stiftung), 907 (Abstand einer Anlage von den Nachbargrenzen), 919 (Art und Ver-
fahren bei Grenzabmarkungen), 1315 (Erlaubnis zur Eheschließung von Ausländern und Landes-
beamten), 1558 (Zuständigkeit beim Güterrechtsregister), 1723 (bei Ehelichkeitserklärung), 1745 (bei
Befreiung im Falle der Annahme an Kindes Statt). 1807 Abs. 2, 1808 (Anlegung von Mündelgeld).