198 v. Unzner.
1. Jannar 1900 nicht zum Abschluß zu bringen; zu diesem provisorischen Landes-
privatrecht gleichsam gehörten das Versicherungsrecht (Art. 75) und das Verlagsrecht
(Art. 70).
2. Einzelne Normen des CG. sollen für besonders zweifelhafte Fälle die Kompetenz-
grenze zwischen privatem und öffentlichem Recht feststellen (z. B. Art. 80, 81, 102—104).
3. Wegen des Zusammenhanges, in dem gewisse Materien mit staatlichen und politischen
Einrichtungen, also mit dem öffentlichen Recht des einzelnen Bundesstaates stehen,
sind gleichfalls eine Reihe von Vorbehalten gemacht (z. B. Art. 56—59, 82, 84—87, 132—135).
4. Die meisten und wichtigsten Vorbehalte beruhen auf der Erwägung, daß gewissen
Materien oder gewissen einzelnen Verhältnissen so ziale oder örtliche Besonder-
heiten eignen, die der gemeinsamen reichsrechtlichen Regelung widerstreben. Für diese
weiten Vorbehaltsgebiete ist agrarisches Sonderrecht das kennzeichnendste Stich-
wort. Es ist, wie Sohm treffend hervorhebt, das Privatrecht des Bauern und Edelmanns,
das bäuerlich-adelige Recht im Gegensatz zum Hauptkern des Reichsprivatrechts im BGB., das
im wesentlichen ein Recht des Bürgers an sich — bürgerliches Recht —, ein Recht
des geldwirtschaftlichen Verkehrs ist. Während das BGB. von Ständen nichts weiß, berück-
sichtigt sie das EG. Letzteres schützt das private Sonderrecht des Fürsten, des hohen Adels,
des Edelmanns, des Bauern. Die besonderen, namentlich den Grundbesitz bindenden Rechts-
verhältnisse werden geschont: die Familienfideikommisse, die Lehen, die Stammgüter, die
Rentengü#ter, die Erbpacht, das Anerbenrecht. Die Regelung dieser Verhältnisse lag dem Reichs-
gesetzgeber zu fern und bietet ihm auch zur Zeit noch zu große Schwierigkeiten 1.
II. Im Anschluß an die Anordnung des E. selbst bei Aufzählung der Vorbehalte unter-
scheidet man die Vorbehalte allgemeiner Natur, die sogenannten generellen
(an erster Stelle in den Art. 59—76 geregelt), und die beschränkten, sogenannten
speziellen (geregelt in den Art. 77—140). Das Einteilungsprinzip ist hergenommen aus
der Weite oder Enge des vorbehaltenen Gebiets, je nachdem eine Materie ganz der landes-
rechtlichen Regelung überlassen ist oder nur in einem beschränkten Ausschnitte.
Da es sich um Maß= und nicht um Artunterschiede handelt, ergibt sich eine Reihe Zwischen-
formen von den allgemeinsten Vorbehalten, die ganze Rechtsmaterien mit einem
Schlagworte (Bergrecht Art. 67, Wasserrecht Art. 65) der Landesgesetzgebung zuweisen, bis
zu den engsten, die den Erlaß oder die Ausschließung einer bestimmten Einzelvorschrift gestatten
(Art. 144 Satz 2).
1. Um einen Uberblick über Umfang und Gegenstand der mehr oder weniger generellen
Vorbehalte aus den Art. 59—76 des EG. zu gewinnen, seien sie hier wenigstens durch
ein Stichwort inhaltlich charakterisiert:
Die Art. 56—58 geben Vorbehalte zugunsten gewisser partikulärer Rechts-
quellen: der Staatsverträge der Bundesstaaten (56), der Autonomie der souveränen und
ihnen gleichgestellten Häuser (57), der Autonomie des hohen Adels in Ansehung seiner Familien-
verhältnisse und seiner Güter (58). Erst vom Art. 59 an charakterisieren sich die Vorbehalte
ihrem Inhalte nach, gleichviel wem das betreffende Recht subjektiv zusteht. Unberührt
bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über Familienfideikommisse, Lehen und Stamm-
güter (59), Rentengüter (62), über das Erbpachtrecht (63), das Anerbenrecht in Ansehung land-
wirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke (64), das Wasserrecht (65), das Deich= und
Sielrecht (66), das Bergrecht (67), über das Recht zur Gewinnung eines nicht bergrechtlichen
Minerals (68), über Jagd und Fischerei (69), über gewisse Grundsätze für die Feststellung
und den Ersatz des Wildschadens (70—72), über Regalien (73), Zwangsrechte, Bannrechte
und Realgewerbeberechtigungen (74), über das Versicherungsrecht (75), das Verlagsrecht (76).
Sie enthalten, abgesehen namentlich von den Art. 67, 73, 75 und 76, in der Hauptsache
agrarisches Sonderrecht.
Keine allgemeinen Vorbehalte sind in Beziehung auf das Militärrecht, das Verwaltungs-
1 Aus diesem Gesichtspunkte sind dem Landesprivatrechte namentlich überwiesen die Rechts-
verhältnisse der Art. 59 ff., 62 ff., 64—66, 69, 70, 83, 89, 96, 107, 113, 115 ff., 119, 122, 124,
130, 137.