Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

18 J. Kohler. 
Man sieht hieraus, wieviel besser das Schweizer Gesetzbuch getan hat, dem freien Zug 
des Lebens zu folgen. Und insbesondere ist es völlig abwegig, wenn das Vereinsgesetz die Freiheit 
des Vereinswesens proklamiert und das bürgerliche Gesetz es versucht, ihre vermögensrechtliche 
Existenz an Beschränkungen zu knüpfen. Stets wird das Leben die ungehörigen Beschränkungen 
durchbrechen; auch ist es vergebens, durch Eintragungssystem zu hindern, daß Vereine begründet 
werden, welche unsittliche, die Persönlichkeit bedrückende und ihr Tun vergewaltigende Einzel- 
heiten enthalten. Vereine, welche solche Einzelheiten in einer bestimmenden, nicht bloß akzes- 
sorischen Weise in sich fassen, sind natürlich so geartet, daß jedem Mitglied jederzeit der Aus- 
tritt gestattet ist 1. 
Von der Organisation der rechtsfähigen Vereine ist zu sagen, daß sie notwendig einen 
Vorstand und regelrecht eine Mitgliederversammlung haben. Die Mitgliedschaft ist im Zweifel 
persönlich und der Austritt frei. Doch kann etwas anderes ausgemacht werden, jedoch nur so, 
daß die Mitgliedseigenschaft mit höchstens zweijähriger Frist kündbar ist; eine stärkere 
Bindung kann in den Statuten nicht bestimmt werden (§ 39) 2. Sonderrechte der Mitglieder 
sind unantastbar, 8 35 7. 
Auch über die Ausschließung von Vereinsmitgliedern durch Vorstand oder Mitglieder- 
versammlung oder ein sonstiges Vereinsorgan können die Satzungen bestimmen. UÜber die 
Gründe, welche diese Ausschließung betreffen, kann die Satzung frei verfügen; sie kann insbe- 
sondere festsetzen, daß die Ausschließung nicht nur dem billigen Ermessen, sondern auch dem freien 
Belieben des Vorstandes anheimsteht, so daß von einer Nachprüfung keine Rede ist; und wenn 
in einem solchen Falle der Vorstand erklärt, daß er eine Person deswegen ausschließt, weil er 
sie für vertrauensunwürdig balte, oder weil ihre Mitgliedschaft den Gesellschaftsinteressen wider- 
spreche, so liegt dies vollständiog innerhalb der Befugnisse der Vereinsorgane, und ein Nach- 
prüfungsrecht der Gerichte kann nur nach der Richtung erfolgen, ob das satzungsmäßige Ver- 
fahren beobachtet worden ist. Es wäre eine Vergewaltigung der Vereine, wenn man ihnen 
nicht gestattete, freie Disziplin zu üben und über Vertrauen und Vertrauensprüfung selbst zu 
bestimmen. Ein Mitglied, welches sich dem nicht unterwerfen will, soll sich einem Verein nicht 
anschließen 4. Anders natürlich, wenn ein solches Ausschließungsrecht in den Statuten nich 
bestimmt ist; es kann nicht etwa hineingelegt werden 6. —- 
ManhatdieFrageaufgewotfen,obdieBeftimmungendesVereinsweiensdesBGB 
auch für Aktiengesellschaften, überhaupt also für die Vereine der sonstigen Reichs- 
gesetze gelten. Das muß verneint werden, denn die gesetzlichen Bestimmungen über derartige 
Vereine, namentlich über Aktiengesellschaften, bieten ein geschlossenes Ganze und beruhen 
auf so sonderlichen und eigenartigen Erwägungen, daß eine Herübernahme von Bestimmungen 
des BG#. unorganisch in den ganzen Bau eingreifen würde. Daher ist auch aus Art. 2 EG. 
zum H#. nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Nur die eine Bestimmung, die nicht bloß von 
Vereinen, sonderm überhaupt von allen juristischen Personen gilt, daß juristische Personen für 
den Vorstand und die Organe verantwortlich sind, muß auch dort angenommen werden. Vgl. 
5§P 31, 85, 89 des BGB. 
§ 13. Im Gegensatz zu den Vereinen stehen die Stiftungen. Sie sind durchaus. 
nicht Verbandspersonen, weshalb dieser an sich schon unschöne Ausdruck als Gesamtausdruck 
für juristische Personen sich nicht halten läßt; sondern es handelt sich hier um eine einem Zweck 
gewidmete Vermögenseinheit, welche, um diesem bestimmten Zwecke zu dienen, Rechtsfähigkeit 
erlangt; und während daher bei einer Körperschaft die Mitglieder die Satzung ändern können, 
1 Lehrbuch 1 S. 362. Nach Schweizer ZGB. 5F 78 kann zutreffend ein Beteiligter oder die 
zuständige Behörde die Auflösung durch Klage herbeiführen. 
Uber die Verbindung von Vereinen zu Gesamtvereinen vgl. Lehrbuch I S. 405 und Moderne 
Rechtsprobleme (Bundesstaat und Bundesverein) 2. Aufl. S. 76. 
Markowitsch, Das Problem der Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, 1910. 
Der richtige Grundsatz ist auch von dem Reichsgericht verschiedenfach ausgesprochen worden, 
so in den Entscheidungen vom 27. März 1900, 30. Oktober 1901, 17. November 1902, 23. Mai 1906, 
J.W. 1900, S. 417, Entsch. 49, S. 150, J.W. 1903, Beilage 1, S. 3, J. W. 1906 S. 416. Dies gilt 
auch für sog. nichtsrechtsfähige Vereine; vgl. Leist, Strafgewalt moderner Vereine (Rektorrede 1901), 
S. 41 f. Über die Zwangsgewalt der Vereine überhaupt vgl. Leist, Vereinswesen (1909), S. 20 f. 
* R. 23. März 1910 Entsch. 73 S. 187, Hedeman, cch. f. b. R. XXXVIII S. 132.
	        
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