Verhältnis des Reichsprivatrechts zum Landesprivatrecht. 219
Charakters, die durch BGB., EG. oder die AG. aufgehoben sind, so treten an ihre Stelle laut
Art. 4 die entsprechenden Vorschriften des BGB. oder des EG.
3. Die entsprechenden neuen Vorschriften sollen als Ersatz der beseitigten eintreten.
Entsprechend heißt nicht: übereinstimmende, sondern: ihrem wesentlichen Inhalte nach
zum Ersatz der alten geeignete und für das gleiche Lebensverhältnis bestimmte Vorschriften.
Entsprechende Vorschriften liegen selbst dann vor, wenn das neue Recht einen Begriff neu
aus- und umgestaltet, z. B. den der gesetzlichen Vertreter, elterlichen Gewalt (s. oben § 15).
Der Klärung dienen einzelne Regelungen in den Art. 33—54 CG. (vgl. namentlich Art. 34,
37, 41). Für das Landesrecht liegt die erforderliche Klärung den Einzelstaaten ob, die sich
auch dieser Aufgabe meist unterzogen haben (s. oben § 7), z. B. das preuß. AG. in den Art. 16,
21, 37, 69. Wo dies nicht gesetzlich geschehen ist, wird die Praxis eingreifen und die Umdeutung
vornehmen.
Falls dem neuen Rechte eine entsprechende Bestimmung überhaupt fehlt, so kann Art. 4
nicht Anwendung finden: es bleibt dann für die Regel das frühere bürgerliche Recht, auf welches
verwiesen ist, in Geltung 1.
4. Der Art. 4 bezieht sich nur auf das Privatrecht, wie ja das öffentliche
Recht prinzipiell unberührt bleibt (§ 6). Der Art. 4 kommt somit an sich nicht zur Anwendung,
wenn der verweisende Satz dem öffentlichen Landesrechte oder auch Reichsrechte angehört.
Verweist der Satz auf landesprivatrechtliche Vorschriften noch so allgemeiner Natur, so bleiben
sie in Geltung, da sie durch die Verweisung Bestandteile eines öffentlich-rechtlichen Satzes
geworden sind. Indes ist eine Einschränkung geboten. Wenn die Auslegung als Absicht des
Gesetzgebers bei Verweisungen auf privatrechtliche Vorschriften feststellt, er habe die jeweilige
Vorschrift gelten lassen wollen, so hat die Ergänzung künftig aus dem Reichsprivatrecht zu er-
folgen. Ob nun die eine oder die andere Auslegung die zutreffende ist, unterliegt der nicht selten
verwickelten Prüfung des Einzelfalles. Die AG. haben hin und wieder zur Erleichterung aus-
drückliche Entscheidungen gegeben. Die Unterscheidung muß entsprechend eintreten, wenn
das Landesgesetz im öffentlichen Rechte, anstatt zu verweisen, die Bestimmung, die es heran-
ziehen will, inhaltlich wiederholt 7.
8 18. C. Unechte Verweisung.
Der Begriff der unechten Verweisung, deren Lehren zu den bestrittensten
gehören, und ihr Unterschied von der echten ist bereits oben (§ 16) dargelegt. Ihre Form ist
identisch mit der einer echten (§ 17 1). Dies folgt aus dem Begriff der Verweisung, die im
wesentlichen eine bestimmte Art gesetzgeberischer Technik ist. Auch die unechte Verweisung kann
somit ebensowenig wie die echte stillschweigend oder durch Wiederholung geschehen. Der Grund,
aus dem auf die unechte Verweisung der Art. 4 nicht auszudehnen ist, und aus dem somit das alte
Recht in Kraft bleibt, liegt darin, daß der betreffende allgemeine Rechtssatz, auf den verwiesen
ist, eine Besonderheit, ein charakteristischer Bestandteil der vor-
behaltenen Materie geworden ist (s. 9 16). Die Feststellung dieses Grundes begegnet nicht selten
großen Schwierigkeiten und fordert bon sens. In zweifelhaften Fällen dürfte die Ver-
mutung für die echte Verweisung sprechen 3. Allgemeine Regeln lassen sich aber nicht geben,
vielmehr ist im Einzelfalle aus allen Umständen die Absicht des Gesetzes zu ermitteln. Für die
Fortgeltung des bisherigen Rechts wird man sich besonders dann entscheiden, wenn in Vor-
behaltsmaterien auf Rechtsinstitute verwiesen ist, die das BG#B. überhaupt beseitigt hat, z. B.
auf unvordenkliche Verjährung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und der Rechtssatz
So Endemann §#6 Anm. 6; Zitelmann S. 48 Nr. 4. Der Satz ist kein aus-
nahmpeloes Mußz in geeigneten Fällen kann auch durch Analogie aus dem Reichsrecht Hilfe gesucht
werden.
hol - Eier behauptet Zitelmann (S. 61) stets die ungeänderte Fortgeltung des inhaltlich wieder-
olten Satzes.
* So auch Planck Art. 4 Anm. 2; Dernburg (BR. I 55 10, 13) behandelt die Frage
als offene und neigt sich, von seinem grundsätzlich anderen Standpunkt aus, eher der entgegen-
gesetzten Vermutung zu.