Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

278 L. von Bar. 
folgung wegen einer anderen vor der Auslieferung begangenen Straftat gegen ihn nur statt- 
finden, wenn dem in Freiheit gesetzten Ausgelieferten hinlänglich — die Verträge setzen be- 
stimmte Fristen — Zeit gelassen ist, das Staatsgebiet zu verlassen. 
III. Rechtshilfe im Beweisverfahren. 
§ 64. In den Auslieferungsverträgen pflegt man sich gegenseitig auch Rechtshilfe durch 
Überlieferung von Beweisstücken und Vernehmung von Zeugen für die Auslieferungsfälle 
zuzusichern. Eine Verpflichtung von Zeugen und Sachverständigen behufs ihrer Vernehmung 
sich ins Ausland zu begeben, besteht jedoch nicht, ebenso nicht eine Verpflichtung zur Aussage, 
wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat nach inländischem Rechte nicht straf- 
bar ist. Auf den Ersatz der Kosten der Ausführung der Requisition innerhalb des Staatsgebiets 
pflegt man gegenseitig in den Verträgen zu verzichten; sonst hat nach allgemeinen Grundsätzen 
der die Auslieferung nachsuchende Staat sämtliche Kosten zu tragen. 
§ 65. Schlußbemerkung. Im Verhältnis von Staaten, die einen wirklichen Bundes- 
staat bilden, greift Rechtshilfe und Auslieferung insbesondere meist weiter. Innerhalb des 
Deutschen Reiches entscheiden durchaus die gleichen Bestimmungen, welche für das Verhältnis 
der Gerichte eines und desselben Bundesstaates gelten. 
Fünftes Buch. 
Internationales Verwaltungsrecht. 
K. Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. I 1910. „Innere Verwaltung 1910“ 
und „Grundlinien des internat. Verwaltungsrechts“ (Vortrag) 1911. — Erörterungen einzelner 
Fragen auch in Werken und Zeitschriften, welche internationales Recht und insbesondere inter- 
nationales Privatrecht behandeln. 
§ 66. Daß es ein dem internationalen Privatrechte entsprechendes internationales Ver- 
waltungsrecht gebe, ist von O. Mayert deshalb bestritten worden, weil das internationale 
Privatrecht auf dem Grundgedanken einer die gesamte Menschheit umfassenden Gemeinschaft 
beruhe, in welcher die einzelnen Staaten durch gemeinsam verteilte Rollen die Rechtsordnung 
aufrechterhalten, während im Verwaltungsrechte lediglich der Wille des einzelnen Staates 
herrsche, der hier sich prinzipiell abweisend gegen fremde Verwaltungen verhalte. Zwar könne 
durch völkerrechtlichen Vertrag auch die Verwaltung (in einzelnen Angelegenheiten) gebunden 
werden; aber dies geschehe doch nur kraft einer innerstaatlichen Anordnung (Gesetz, dienstliche 
Anweisung der Beamten usw.). Der Wille des einzelnen Staates ist aber nicht lediglich durch 
seinen unmittelbaren Machtbereich (sein Territorium) beschränkt; es gibt noch andere völker- 
rechtliche Schranken, und der Irrtum Mayers beruht auf der in der deutschen Literatur neuer- 
dings viel vertretenen unzutreffenden Vorstellung, daß das Völkerrecht innerhalb des unmittel- 
baren Machtbereichs eines Staates nur kraft ausdrücklicher Anordnung des Staates gelte. 
Aber nach richtiger, auch in der ausländischen Literatur vorherrschender Ansicht ist das Völker- 
recht, soweit es auch ohne Vertrag besteht, ohne weiteres Bestandteil des Rechtes der einzelnen 
Staaten 2. Allerdings kann der einzelne Staat es durch besondere Anordnung in 
seinem unmittelbaren Bereiche außer Kraft setzen, da seine Beamten und die in seinem Ge- 
— 
  
1 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 452 ff. 
„: Vgl. im Sinne des Textes auch die interessante Entscheidung der vereinigten Strafsenate 
des RG. (Entsch. 16, S. 165). — Wo steht z. B. auch in den Gesetzen des Deutschen Reichs etwas 
von der (Exterritorialitct fremder Kriegsschiffe? Und doch wird niemand diese Exterritorialität 
bezweifeln!
	        
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