Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Internationales Privat-, Straf= und Verwaltungsrecht usw. 279 
biete sich aufhaltenden Personen ihm gehorchen, und insoweit kann man sagen, ein jeder Staat 
bestimme seine Rechtssphäre selbst und souverän. Aber eine einen völkerrechtlichen Übergriff 
enthaltende Bestimmung ist völkerrechtlich Unrecht, und andere Staaten sind nicht verbunden, 
sie sich gefallen zu lassen. Das ist genau so wie im internationalen Privat= und Strafrecht. 
Indes bestehen insofern weitgreifende Unterschiede zwischen dem internationalen Privat- 
und dem internationalen Verwaltungsrechte, als 1. in einem Prozesse über Privatrechte der 
Regel nach zu entscheiden ist, was bereits Recht ist, nicht was Recht sein soll, während im 
Verwaltungsverfahren sehr häufig gerade die letztere Entscheidung gegeben werden muß. 
Während so das internationale Privatrecht von selbst zu einem ausgedehnten Schutze sog. 
wohlerworbener Rechte und damit oft zu einem Standpunkte gelangt, welcher auf frühere 
in einem anderen Lande vorgekommene rechtliche Akte und Ereignisse Rücksicht zu nehmen 
hat, verhält sich dies im Verwaltungsrechte anders, und so entsteht der Schein, als ob man 
hier prinzipiell abweisend gegen auswärtiges Recht sich verhalte. 2. In privat- 
rechtlichen Beziehungen können die beteiligten Personen in weitem Umfange einem be- 
stimmten Gesetze ausdrücklich oder stillschweigend sich unterwerfen, das für den urteilenden 
Richter ein ausländisches ist. Im Gebiete des Verwaltungsrechts gilt dies nicht; das Ver- 
waltungsrecht ist lus publicum (Ordre public). 3. In den meisten privatrechtlichen Streit- 
fällen kann der Prozeß bei dem Gerichte eines Staates anhängig gemacht werden, dessen 
Gesetz materiell keineswegs über das in Frage stehende Rechtsverhältnis entscheidet. Über 
öffentliches Recht dagegen kann nur die Behörde desjenigen Staates entscheiden, in 
dessen unmittelbarer Machtsphäre das Recht ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. 
Offentliches (Verwaltungs- oder Staats-) Recht eines anderen Staates kann daher bei 
einer inländischen verwaltungsrechtlichen Entscheidung (oder Verwaltungsmaßregel) nur als 
Vorfrage, nicht aber als unmittelbar maßgebende Norm in Betracht kommen (z. B. bei 
inländischer Besteuerung, wenn das inländische Gesetz auf eine Besteuerung in dem Falle ver- 
zichtet, daß jemand der gleichen Steuer im Auslande unterworfen sei). 4. Wenn vielfach Urteile 
auswärtiger Zivilgerichte anerkannt oder sogar vollstreckt werden, während dies bei verwaltungs- 
rechtlichen Entscheidungen des Auslandes nicht der Fall ist, so beruht dies darauf, daß das Ver- 
waltungsrecht Einrichtungen betrifft, deren Zweckmäßigkeit oder Gerechtigkeit einer sehr ver- 
schiedenen Beurteilung unterliegen kann; hängen sie doch nicht selten auch von den in einzelnen 
Staaten herrschenden politischen Anschauungen ab. 
Daher wird in der Anwendung seines Verwaltungsrechtes auf Ausländer und mit dem 
Auslande zusammenhängende Verhältnisse jeder Staat regelmäßig ausschließlich nach seinem 
Ermessen handeln und entscheiden. Aber er muß ebenso wie im Privatrechte die Grenzen, 
welche das Völkerrecht seiner Zuständigkeit zieht, beobachten, und daher 
kann man auch sagen, ebenso wie das internationale Privatrecht stellt das internatio- 
nale Verwaltungsrecht die Zuständigkeitsnormen für das Ver- 
waltungsrecht und die Entscheidungen und Maßregeln der ein- 
zelnen Staaten in internationaler Beziehung fest. Abgesehen von 
Bestimmungen internationaler Staatsverträge, kommen dabei freilich völkerrechtliche Schranken 
wenig in Betracht. Sie bestehen nur darin, daß ein Staat über Handlungen und Handlungs- 
weise von Ausländern im Auslande und über öffentliche Rechte, die im Auslande ausgeübt 
werden, Verfügungen und Entscheidungen nicht treffen kann. Innerhalb dieser Schranken 
entscheidet jeder Staat nach seinem Ermessen, der Gesetzgeber nach freiem Ermessen, eine 
einzelne Behörde (ein Verwaltungsgericht) nach der Ratio legis des einzelnen in Betracht 
kommenden Gesetzes, im Prinzip ebenso wie im internationalen Privatrechte, aber in der Aus- 
führung vielfach anders. Denn während selbst Zweckmäßigkeitsgründe 1 im Privatrechte, weil 
hier die Grundlagen der Gesetzgebungen, die Zwecke, die sie in den einzelnen Rechtsinstitutionen 
erreichen wollen, in den Kulturstaaten häufig nicht oder doch in den Hauptpunkten nicht diffe- 
rieren und für verschieden im einzelnen ausgestaltete Gesetzgebungen doch die gleiche Selbst- 
beschränkung oder die gleiche, auch tatsächlich durchzusetzende Erstreckung in den unmittel- 
baren Machtbereich anderer Staaten zum Ergebnis haben, können im internationalen Ver- 
1 Im Familienrecht gilt aus beiden Gründen das Personalstatut.
	        
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