Überblick über das englische Privatrecht. 299
Law 1912“; Story (Bigelow), Commentaries on the conflict of Laws 1884 ; v. Bar, Theorie
und Praxis des internationalen Privatrechts 1889, Lehrbuch 1892; Zite lman n, Intern.
Krivatrecht 1897 ff.; S t örk, Literatur des internationalen Privatrechis 1894; Kah n „Dogm.
Jahrb. 36, 40, 42, 43; K. Korsch, Z. f. int. R. 24, 2 S. 273 ff.
§ 4. Subjektives Recht und Rechtsschutz.
1. a) Die Lehre vom subjektiven Rechte (right and duty) wird im englischen Rechte, wenn
man von den philosophischen Betrachtungen der allgemeinen Rechtslehre absieht, nicht im
Zusammenhange behandelt. Praktisch kommt man mit der von Stephen seinem System
zugrunde gelegten Gegenüberstellung von rights und wrongs aus, wobei man personal rights
(d. s. r. of security, nämlich läfe, limbs, body, health, reputation, und r. of liberty), rights
of property und rights of private relations (die Fälle der Muntd) scheidet, denen man die public
rights (öffentliches Recht) zur Seite stellt, während die wrongs in civil injuries, und crimes
zerfallen. Abgesehen von den Grundsätzen über Rechtsfähigkeit (vgl. unten § 5) und über die
Sachen als wichtigste Rechtsobjekte (vgl. unten § 6) finden sich die allgemeinen Grundsätze über
die Entstehung der subjektiven Rechte häuptsächlich, aber nicht ausschließlich im Obligationen-
recht, wo die unerlaubten Handlungen (torts) und vor allem unsere Lehre von den Rechts-
geschäften, diese beim contract, erörtert werden. Aus der Rechtsgeschäftslehre mag hier nur
kurz auf zwei Punkte hingewiesen werden, die im englischen Privatrechtssystem keinen festen
Platz haben: auf estoppel und condition.
a)Willenserklärungen können auedrücklich oder durch konkludente Handlungen (con-
duct) abgegeben werden, doch bestehen seit alters vielfach bestimmte, im Sachen= und Obligationen-
recht näher zu besprechende Formen, sämtlich germanischen Ursprungs. Für formale wie form-
lose Geschäfte (für letztere in der equity durchgesetzt) besteht nun in bestimmten Fällen der Satz,
daß der Erklärende an seine einmal abgegebene Erklärung (oder Handlung) zugunsten Gut-
gläubiger gebunden ist, sich selbst nicht nachträglich widersprechen darf, selbst wenn seine Er-
klärung objektiv der Wahrheit nicht entsprach — er ist estopped, der Mund ist ihm gestopft,
der Gegner hat das Verteidigungsmittel des estoppel. Schon Coke (1 1633) teilte die Fälle
ein in estoppel by record (Gerichtsprotokoll; da die sonstigen mittelalterlichen Fälle der Record-
schuld fortgefallen sind, handelt es sich heute nur noch um den Rekord von Urteilen, so daß dieser
Fall unserer Rechtskraftlehre entspricht), estoppel by deed (Erklärung in einer Urkunde) und
estoppel in pais. Die acts in pais sind die alten offenkundigen Geschäfte der livery, entry,
acceptance of rent, partition, acceptance of estate; sie sind heute ohne Bedeutung, durch die
equity sind ihnen aber die sog. e quitable estoppels gleichgestellt und zugerechnet worden, nämlich
estoppel gegenüber dem Vertragsgegner auf Grund gewisser Verträge (landlord and tenant,
bailor and bailee, Patentberechtigter und Lizenznehmer, company and sharholder; z. B. kann
der Kontrahent eines Hingabevertrags, bailment, sich nicht darauf berufen, daß das von ihm
empfangene Gut nicht Eigentum war, sondern muß beim Vertrage stehen und auf Erfordern
herausgeben), ferner der praktisch wichtigste Fall des estoppel by representation: dieses umfaßt
jede Erregung einer irreführenden Vorstellung (representation) beim Gegner durch Erklärung
(statement) oder konkludente Handlung (conduct), gleichviel ob sie schuldlos erfolgt (innocent
missrepresentation) oder ob sie dem Gegner gegenüber schuldhaft ist (estoppel by negligence)
hiermit wird insbesondere auch Duldung einer Vertretung durch einen Nichtbevollmächtipten,
die Vertretung ohne Vertretungsmacht (ageney by estoppel) umfaßt; endlich bringt das englische
Recht unter den Gesichtspunkt des estoppel auch die Verpflichtung des Zeichners eines nego-
tiabel instrument, insbesondere des Wechsels, gegenüber jedem gutgläubigen Erwerber vom
Nichtberechtigten, derart, daß der Zeichner dem gutgläubigen Erwerber gegenüber mit allen
Einwendungen präkludiert ist, ohne daß der Erwerber selbst das volle Recht positiv erwirbt.
Das estoppel ist historisch aus der Unanfechtbarkeit der record-Schuld (Brunner, For-
schungen S. 269) entstanden und ein Fall der germanischen Verschweigung (Beaumanoir 63,
16 mit Glanvilla X, 12 § 4), die noch nicht (wie etwa im deutschen Fundrecht) zur konstitutiven
Wirkung gesteigert ssi, sondern bei der bloßen Ausschlußwirkung stehen bleibt. Das estoppel
durchzieht das ganze englische Recht, es wird von den Engländern zum Beweisrecht (evidence)
gerechnet, hat aber privatrechtliche Bedeutung.