Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

28 J. Kohler. 
unterschieden; der Unterschied kann aber nicht darin liegen, daß bei den einen die Rechtsfolgen 
gewollt sind, bei den anderen nicht, oder daß im einen Falle die Rechtsfolgen mehr gewollt 
sind als im anderen. Derartige Unterscheidung ist undurchführbar und grundsätzlich ver— 
kehrt. Der Unterschied kann nur darin liegen, daß die Rechtsgeschäfte eine selbständige 
Stellung haben, während die Rechtshandlungen nur abhängiger Natur sind und zur 
Entwicklung eines im Lauf befindlichen Rechtsverhältnisses dienen sollen 1. Viele dieser Rechts- 
handlungen, z. B. Kündigung, Widerruf, bestehen in einer ankunftsbedürftigen Erklärung, d. h. 
sie kommen nur dann zur Vollendung, wenn sie dem Gegenteil entweder geistig kundgegeben oder 
doch in einer dem Lebensverkehr entsprechenden Weise in sein Bereich gelangt sind ?. 
§ 20. Die Rechtsgeschäfte lassen zum Teil Bedingungen und Termine (Befristungen) zu. 
Bedingung ist ein unsicher machendes Element, welches die Rechtswirkung von künftigen 
unbestimmten Umständen abhängig macht. Das bedingte Geschäft hat die Eigentümlichkeit, 
daß man sich bindet, obgleich Umstände, die für das Geschäft erheblich sind, noch ausstehen und 
künftiger Erledigung harren; aber immerhin ist es von Bedeutung, wenn man sich für diesen Fall 
bereits jetzt bindet: denn die Personen, welche heute geschäftsbereit sind, werden es vielleicht 
in der Zukunft nicht mehr sein wollen oder nicht mehr sein können. Auf diese Weise erfüllt die 
Bedingung wichtige Aufgaben im menschlichen Lebensverkehr: sie gibt die Möglichkeit, auch 
schon in problematischen Zuständen für seine Interessen zu sorgen, so daß man, wenn die ge- 
fürchteten oder gehofften oder sonst erwarteten Umstände eintreten, sofort gewappnet ist, während 
man sonst zur maßgebenden Zeit nicht in der Lage wäre, die Schwierigkeiten zu überwinden. 
Meist ist die Bedingung eine aufschiebende, so daß der Rechtserfolg erst mit Eintritt der Bedingung 
auflebt, sie kann aber auch eine auflösende sein, so daß der Rechtserfolg sofort eintritt, aber mit 
allen seinen Wirkungen erlischt, sobald die Bedingung eintritt, § 158 f. BGB. 
Man sprach früher von Rückwirkung der Bedingungj eine solche findet aber nur in der 
Art statt, daß durch ein bedingtes Geschäft, namentlich durch ein bedingtes dingliches Geschäft 
eine unerschütterliche Rechtslage entsteht; dies gilt namentlich auch von der auflösenden Be- 
dingung, so daß also bei Eintritt der auflösenden Bedingung der etwaige veränderte Rechtsstand 
der Zwischenzeit zusammenfällt, also beispielsweise die in der Zwischenzeit auf die Sache 
gelegten Rechte erlöschen: hier ist die Rechtslage zugrunde zu legen, wie sie bei Begründung 
des Geschäftes bestand 2. Begreiflich ist aber, daß nicht alle Rechtsgeschäfte sich dieser Figur 
fügen können, vor allem nicht die Rechtsgeschäfte des Familienlebens, überhaupt nicht die 
Rechtsgeschäfte, bei denen es sofort sicher sein muß, ob der normale Erfolg eintritt oder nicht 
(Rechtsgeschäfte mit Momentankraft). So läßt sich Ehe oder Adoption nicht 
einem unbestimmten Zufall unterwerfen: es wäre dem Sinne des Familienrechtes zuwider, 
derartige innige, den Menschen im Tiefsten erfassende Verhältnisse in ungewisser, hypothetischer 
Weise walten zu lassen. Solche Rechtsgeschäfte lassen auch keine uneigentliche Bedingung 
(keine conditio in praeteritum oder praesens relata) zu: man kann diese Geschäfte auch nicht an ein 
ungewisses gegenwärtiges oder vergangenes Ereignis ketten, denn auch dies würde der Momentan- 
kraft widerstreben. Auch bei Rechtshandlungen im engeren Sinn ist die eigentliche und un- 
eigentliche Bedingung meist ausgeschlossen, z. B. kann man nicht einseitig seine Wohnung kündigen 
für den Fall, daß man am 1. März versetzt wird oder am 1. Oktober ein Kind bekommt; gestattet 
1 ¼UÜber diese abhängigen Rechtshandlungen ausführlich Lehrbuch I S. 537 f. 
Lehrbuch 1 S. 580, Titze, Jahrbuch f. Dogm. 47 S. 419 f. Liegt es am Adressaten, daß eine 
Erklärung zu spät bei ihm eingeht, z. B. die Erklärung ist ein eingeschriebener Brief, der wegen Ab- 
wesenheit des Adressaten nicht sofort abgegeben werden kann, so gilt die Erklärung als rechtzeitig 
zugekommen, RG. 18. Juli 1904 Entsch. 58 S. 406. 
Dies ist namentlich wichtig für Fiduziar= und Trustgeschäfte. Hier überträgt jemand für ge- 
wisse Zwecke das Eigentum, aber so, daß es nach Erreichung dieser Zwecke zurückfallen soll. Vgl. 
Lehrbuch I S. 428, Alfred Schultze, Jahrbuch f. Dogm. 43 S. 64, Heymann, Trusts, S. 37, 
Schöny, Arch. 2 b. R. XXXV S. 328 (dem gegenüber ich aber hervorzuheben habe, daß in 
Lehrbuch 1428., 429 deutlich ausgeführt ist, worin die unvollkommene Vertretung besteht). Wichtig 
ist es ferner beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt, der so aufzufassen ist, daß das Eigentum 
unter der Bedingung künftiger Zahlung übergehen soll, § 455 BGB.; hierbei kommen noch die be- 
sonderen Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes vom 16. Mai 1894 in Betracht. Vgl. RG. 4. Februar 
1908 Entsch. 67 S. 383.
	        
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