üÜberblick über das englische Privatrecht. 343
barkeit in Ehesachen wurde erst 1857 (20/21 Viet. c. 85) beseitigt und durch die Jurisdiktion
des Court of Divorce and Matrimonial Causes (seit 1873 Teil des High Court) ersetzt.
à) Der Eheschluß erfolgte im mittelalterlichen England nach kanonischem Recht
durch sponsalia de praesenti oder durch sponsalia de futuro mit copula carnalis; die alten
germanischen Formen (Hazeltine, Zur Geschichte der Eheschließung nach ags. Recht, Fest-
gabe für Hübner 1905) wurden unwesentlich und verschwanden; später wurde zwar das Triden-
tinum nicht aufsgenommen, aber trotzdem entwickelte sich in der common law der Satz, daß die
Ehe nur gültig sei, wenn sie vor einem ordained clergyman geschlossen war (26 Geo. II c. 33),
und noch 1823 (4 Geo. IVe. 76) wurde gefordert, daß die Ehe — außer für Quäker und Juden —
nach den Regeln der Kirche von England geschlossen sein müsse. Durch die Marriage Act von
1836 (6/7 Will. IV c. 85, die später wiederholt ergänzte Hauptquelle des geltenden formellen
Eherechts) wurde die fakultative Zivilehe eingeführt. Danach kann der Eheschluß in dem (eben-
falls seit 1836 bestehenden) Standesamt, und zwar im Amtsraum des superintendent registrar,
vor einem registrar (s. o. 9.5 Nr. 1) stattfinden, oder aber kirchlich, und zwar wird hier unter-
schieden der Abschluß vor der Kirche von England, nach den Gebräuchen der Quäker und Juden
und endlich in einem Gebäude „certified as a place of religious worship and registered for
the solemnization of marriages“, hier aber bis 1898 ebenfalls nur in Gegenwart des Distrikts-
registrars, was jedoch durch 61/62 Vict. c. 58 für England aufgehoben ist, so daß jetzt die Gegenwart
einer von dem Leiter des Gotteshauses (insbesondere dem katholischen Bischof) duly authorised
person, also insbesondere des katholischen Priesters oder eines sonstigen nicht konformistischen
Geistlichen genügt. Im letzteren Fall und ebenfalls bei Abschluß auf dem Standesamtz ist die
Gegenwart von mindestens zwei Zeugen vorgeschrieben und die Erklärung beider Nupturienten,
daß der eine den andern zum wedded wife bzw. hushand nimmt. Dem Eheschluß vorangehen
muß ein Aufgebot; dieses bestand noch gemäß 4 Geo. IVe. 76 (1823) lediglich im Aufgebot, ban,
seitens der Kirche, der durch Dispensation, licence, des Ordinarius (common licence) oder des
Erzbischofs von Canterbury (special licence) ersetzt werden konnte; durch die Marriage Act
von 1836 ist daneben ein standesamtliches Aufgebot (einundzwanzigtägiges Aushängen im
Standesamt nach Registrierung im Marriage Notice Book) eingeführt, über das ein Zertifikat
als Grundlage der Trauhandlung ausgestellt wird; auch vom standesamtlichen Aufgebot kann
dispensiert werden (certificate with licence), doch ist eine solche staatliche Dispensation hin-
sichtlich einer vor der Kirche von England vorzunehmenden Trauhandlung unwirksam; im
übrigen wirkt das staatliche Aufgebot für die Staatskirche, Quäker und Juden, während sonst
die Ehe auf Grund des standesamtlichen Zertifikats in einem Religionsgebäude, insbesondere
in einer katholischen Kirche, nur geschlossen werden kann, wenn die kirchliche Behörde zustimmt;
die Marriage Validity Act 1899 (62/63 Vict. c. 27) erklärt das irische Aufgebot für in England
geschlossene Ehen der Irländer und umgekehrt, für ausreichend. Jede Ehe ist zu registrieren;
die Religionsdiener haben regelmäßig über ihre Registrierungen an den Superintendent registrar
zu berichten. Englische Eheschlüsse, deren Gültigkeit zweifelhaft ist, können durch eine, dem
Parlament vorzulegende provisional ordre des Staatssekretärs nachträglich gesichert werden
(5 Edw. VII c. 23, 1905). Für außerhalb Englands geschlossene Ehen gilt der Satz locus regit
actum, doch wurde dem Schmied von Gretna Green, der die Formlosigkeit des schottischen Ehe-
schlusses ausnutzte, 1856 (19/20 Vict. c. 96) das Handwerk gelegt.
Die kanonischen Ehehindernisse sind sehr zusammengeschmolzen; als canonical disability
im technischen Sinne kommen hauptsächlich Sterilität und Impotenz in Betracht, während
(39J man als sog. civil disabilities aufzuzählen pflegt: c) bereits bestehende Ehe; 8) Un-
zurechnungsfähigkeit (insanity, want of reasons); der lunatic kann auch im lichten Augenblick
die Ehe nicht schließen; y) unzulässige Verwandtschaft oder Schwägerschaft (undue proximity
of relationship), d. s. in Anlehnung an das kanonische Recht (32 Henr. VIII c. 38, 5/6 Will. IV
c. 56) Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie schlechthin, sowie in den Seitenlinien
bis einschließlich zum dritten Grade römischer Zählung, so daß die Ehe mit der Schwester oder
der Nichte der verstorbenen Frau noch bis vor kurzem immer verboten war (dazu Rathenau,
Z. f. vgl. R.W. 15, 309 ff.), erst 1907 ist durch die deceased wifes sisters marriage Act (7 Edw. VII
C. 47) die Ehe mit der Schwester der verstorbenen Frau gestattet worden; 8) mangelndes Alter,
und zwar ist entsprechend dem kanonischen Recht der Mann mit 14, die Frau mit 12 Jahren