Überblick über das englische Privatrecht. 345
Gewere, der sog. Verwaltungsgemeinschaft, durchgeführt worden; die Einzelheiten haben
seit der Eroberung ihre eigenartige und überaus harte Ausgestaltung dadurch erhalten, daß
man den Muntschaftsgedanken mit der Sentenz, daß Mann und Weib eine Seele und ein Leib
sind (quasi una persona), kombinierte und weitgehende Folgerungen aus diesem Grundsatz
zog, doß sich ferner infolge der geistlichen Gerichtsbarkeit über die Mobiliarerbsachen früh auch
das eheliche Güterrecht an Fahrnis und an Immobilien zweite, und endlich, daß bis zur neuesten
Zeit die Bedürfnisse der oberen Klassen allein für die Entwicklung maßgebend blieben. Der
Gedanke der una persona zunächst hatte in der common law u. a. zu den Sätzen geführt, daß
Übereignungen, Verträge und Klagen unter den Ehegatten ausgeschlossen waren, und daß
— bis in neueste Zeit — weder in Zivil- noch in Strafprozessen die Eheleute für= oder gegen-
einander Zeugnis ablegen konnten. Im übrigen aber blieb das Prinzip der ehemännlichen
Muntschaft, im Sinne eines nutzbaren Rechts, der leitende Grundgedanke; die Frau ist in der
Gewalt des Mannes: femina viro cooperta, feme covert, und wie diese sog. coverture der Frau
auf persönlichem Gebiete zu dem erst seit Karls II. Zeit bezweifelten ehemännlichen Züchtigungs-
rechte führte, als dessen Rest noch heute die Befugnis zur Freiheitsbeschränkung bei gross mis-
behaviour besteht, ist die coverture im Vermögensrecht zur fast völligen Beherrschung des
Frauenvermögens durch den Mann ausgestaltet worden. Der Ehemann hat danach an allen
Immobilien der Frau (auch den während der Ehe erworbenen) Besitz, Nutznießung und Ver-
waltung; die kreehold estates (s. o. § 6 Nr. 3, 4) konnten nach alter common law während der
Ehe überhaupt nicht veräußert werden; erst durch die Einführung der fines (s. o. § 6, 4 a) wurde
die Veräußerung möglich, und erst seit neuerer Zeit konnte sie durch gemeinsam von Mann und
Frau ausgestellte gesiegelte Urkunde erfolgen; über leasehold der Frau kann dagegen der Mann
unter Lebenden beliebig allein verfügen; bei fruchtbarer Ehe hat der Mann die lebenslängliche
Nutznießung an allem kee simple und fee tail der vorverstorbenen Frau, die anglonormannische
(dazu Brunner, Sav.-Z. 16 S. 98) tenure by the curtesy of England. Am gesamten
Mobiliarvermögen, personal chattels, anderseits erhält der Ehemann unbeschränktes Eigentum
(absolute property); er verfügt unter Lebenden und von Todes wegen vollkommen frei darüber,
und es gehört zu seinem Mobiliarnachlaß; eine Besonderheit besteht für die sog. paraphernalia,
die Kleider und Schmucksachen der Frau (das letzte Überbleibsel der alten Gerade), die zwar
ebenfalls seiner Verfügung unterliegen und für seine Schulden haften, aber nicht zu seinem
Nachlaß gehören; ferner unterliegen besonderer Behandlung die Forderungen der Frau, choses
in action, die bis zu der — dem Mann während bestehender Ehe allein zukommenden — Ein-
ziehung Vermögen der Frau bleiben. Der Mann haftet während der Ehe für alle vorehelichen
Geschäfts= und Deliktsschulden der Frau und für ihre zur Ehezeit begangenen torts; nach Lösung
der Ehe beschränkt sich diese Haftung dagegen wieder auf das Frauenvermögen. Die Frau
kann sich während der Ehe durch Verträge nicht verpflichten, hat aber —hby an implied agency —
die Schlüsselgewalt zur Beschaffung der necessaries. Zum Ausgleich hat die Frau außer dem
Anspruch auf standesgemäßen Unterhalt während der Ehe ihr — schon von der Magna Charta
anerkanntes — Wittum, dower (dotarium), d. h. Nutznießung an dem ihr schon während stehender
Ehe verfangenen Drittel des fee simple und fee tail des Mannes nach dessen Tode; entsprechend
hat sie an einem nach der Gewohnheit des betreffenden manor bemessenen Teil seines copy-
hold (o. 56, 2) die sog. freebench, an der Hälfte seines gavelkind land (s. o. §6, 2) und an seinem
ganzen städtischen Erblehn (borough english; s. o. § 6, 2) ebenfolls die entsprechende Nutz-
nießung; endlich hat sie das im Erbrecht bereits erwähnte Intestaterbrecht am Drittel bzw.
an der Hälfte seines Mobiliarnachlasses, in welchem freilich ihr gesamtes ursprüngliches Mobiliar-=
vermögen enthalten ist. (Vgl. Brunner, Forschungen S. 708 ff.)
Dieses / 841 auf die Bedürfnisse des Lehnsadels zugeschnittene Ehegüterrecht genügte
mit zunehmender Bedeutung der Fahrhabe und mit steigender kapitalistischer Wirtschaftsweise
seit der Zeit der Elisabeth den besitzenden Klassen nicht mehr, und die Fquity-Gerichte ließen
daher unter Verwendung ihrer Treuhänderdoktrin allmählich (Lady Gore's case 1705) eine
separate property in den Händen von trustees derart zu, daß die Frau durch Anweisung an
die trustees über das Sondergut so frei verfügen konnte wie eine feme sole über ihr Vermögen.
Zum trustee konnte bald auch der Ehemann bestellt werden; ja, er war gesetzlicher trustee,
wenn das Gut der Frau direkt zugewendet wurde, und er konnte jetzt auch selbst an die Frau