352 Ernst Heymann.
gerichte fehlen); die Berufung geht von den Distriktsgerichten /847 / an den Circuit Court
of Appeal, von den Circuits Courts an den Supreme Court; die Zuständigkeit aller dieser Bundes-
gerichte ist eine ausschließliche und erstreckt sich zum Teil über den Bereich der Bundesgesetz-
gebung hinaus; insbesondere entscheiden sie in Prozessen gegen die Vereinigten Staaten, über
gewisse Klagen der Ausländer, in Prozessen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten usw.
(ogl. W. Vocke, Handbuch der Rechtspflege in den Ver. St., Köln 1891), und sie wenden
dementsprechend neben dem Bundesrecht auch Staatenrecht an (Sammlungen der Ent-
scheidungen des Supreme Court von Dallas, Cranch (1801—1815)1), Wheaton
lvon 1817 an]; ferner von HBoward, Otto, Peters, Wallace; Reports der Circuits-
und Distriktsgerichte bei Kempin, Rechtsquellen S. 77; ferner Myer, Federal Decisions,
20 vol., St. Louis 1884—189.).
Die Einzelstaaten und Territorien haben die gesetzgebende Gewalt, soweit sie nicht dem
Kongreß zusteht und von diesem ausgeübt wird (Golst bei Marquardsen IV 3, 1885,
S. 146 ff.; A. Rentner, Verf. der Ver. St., 1901, S. 50 f.). Sie haben sämtlich — teils,
wie in Neuyork, Massachusetts, Neu-Jersey und Maryland, in ihren Verfassungen, teils durch
Gesetz, teils durch Gewohnheit — die englische common law samt den Statuten als Grundlage
ihres Privatrechts angenommen (dazu Kent-Holmes, Com. 1 31. 21 S. 473), und zwar
vielfach so, wie sie als englisches Kolonialrecht zur Zeit des Erwerbs der Unabhängigkeit galt
(z. B. Neuyork vom 19. April 1775 an, Mississippi und Georgia von 1776 an), oder aber so,
wie sie zu einem bestimmten anderen Zeitpunkt sich verhielt (z. B. ist maßgebend das vierte
Jahr Jakobs I., 1606, in Virginia, Arkansas, Illinois, Indiana, Missouri); ergänzt ist der Rechts-
zustand durch vielfache, oft von einem Staate dem anderen nachgeahmte, der common law
angepaßte Statuten. Nur in Louisiana, Texas, Neumexiko und Arizona ist der englische Charakter
des Privatrechts trotz grundsätzlicher Annahme der Common law nicht gewahrt geblieben; in
der früheren französischen Kolonie Louisiana ist das französische Recht bald wieder vorgedrungen
und hat das englische größtenteils verdrängt; in den anderen drei — früher mexikanischen —
Gebieten herrscht eine Mischung von spanischem und englischem Recht. — Die Statuten der
einzelnen Staaten sind im Laufe des 19. Jahrhunderts vielfach zusammengefaßt worden als
Revised Statutes (so Neuyork), General Statutes (z. B. Minnesota 1866 und als nachträglich
mit Gesetzeskraft versehene Privatarbeit 1878), auch Revised Code (z. B. Maryland, Delaware,
Virginia, North Carolina, Tennessee), ohne daß es sich um eine Kodisikation handelt; einige
wenige Staaten sind zu Kodifikationen des Zivilrechts gekommen, nämlich Louisiana (Civil
Code of Louisiana von 1824, revidiert 1870, auf dem französischen code civil beruhend), ferner
Kalifornien (Civil Code vom 21. März 1872, ergänzt 1895) und die beiden Dakota (civil code
von 1887, dem kalifornischen nachgebildet), während die Vorlage des kalifornischen Code, der
civil code of the state of New Tork (Albany 1865), Entwurf geblieben ist; außerdem aber haben
sehr viele Staaten ihr Prozeßrecht kodifiziert und damit zugleich große Teile des mit den
Prozeßnormen eng verbundenen Privatrechts, so daß man die codes of civil procedure vielfach
auch als civil codes bezeichnet (eine Zusammenstellung aller dieser legislatorischen Arbeiten
gibt Kem pin, Die Rechtsquellen der Gliedstaaten und Territorien der Ver. St., 1899;
Frederic J. Stimson, American Statute Law, Boston 1888 ff. (1892), ordnet das ge-
samte Statutarrecht der Einzelstaaten systematisch für den praktischen Gebrauch). Die Be-
mühungen der Statutargesetzgebung sind vielfach erfolglos geblieben, weil die Judikatur der
Bundes= wie der Staatengerichte die Gesetze immer wieder im Sinne der common law auslegt
und so vielfach über sie fortschreitet (ogl. Salomonsohn, Der gesetzliche Schutz der Bau-
gläubiger, 1900, S. 5 ff., bes. S. 12 1). Neuerdings bemüht man sich stark, einheitliche Gesetz-
gebung in den verschiedenen Einzelstaaten herbeizuführen. Es ist das besonders gelungen für
das Gesetz betr. negotiable instruments, das zwischen 1897 und 1909 in fast allen Staaten
gleichförmig angenommen ist (für Neuyork 1897, ergänzt 1898), in einer größeren Zahl von
Staaten gilt auch das gleiche Gesetz über die Warrants usw. — Was die Gerichtsorganisation
der Staaten und Territorien anlangt, so ist diese von der des Bundes durchaus unabhängig:
als unterste Instanz für Bagatellsachen urteilen die Friedensrichter der einzelnen townships,
precincts oder parishes; als höhere Gerichte (Courts of records) bestehen mehrfach County
Courts (für Vormundschafts-, Nachlaß-, Insolvenzsachen und für Streitgegenstände geringeren