362 Carl Crome.
und anderen Unterrichtsanstalten, religiösen Orden und Kongregationen, Arbeitersyndikaten, —
soweit sie von der Regierung anerkannt sind oder sich dem Gesetz gemäß konstituieren. In
dieser Art erwerben auch Handelsgesellschaften juristische Persönlichkeit; ja in der Jurisprudenz
besteht die Neigung, die Rechtsfähigkeit ohne weiteres nicht nur Vereinen mit nicht geschlossener
Mitgliederzahl, sondern sogar der einfachen bürgerlichen Gesellschaft beizulegen, also dieselbe
z. B. auf ihren Namen Grundeigentum erwerben, klagen und verklagen zu lassen, und den Ge-
sellschaftsgläubigern das Recht zu geben, sich vorzugsweise (vor den Gläubigern der einzelnen
Gesellschafter) aus dem Gesellschaftsvermögen zu befriedigen. Doch hat das französische Gesetz
v. 1. Juli 1901 diesen Unklarheiten zum größten Teil ein Ende gemacht. Es unterscheidet (bei
den überhaupt erlaubten Vereinigungen) nicht angemeldete, denen die Geschäftsfähigkeit
und das Recht vor Gericht zu stehen, überhaupt versagt ist, — ferner die (bei der Präfektur usw.)
angemeldeten Vereinigungen beliebiger Art, welche in unserm Sinn juristische Persön-
lichkeit besitzen, aber nur beschränkt erwerbfähig sind, — endlich Vereinigungen von aner-
kannter utilité publique (s. o.) mit unbeschränkter Erwerbfähigkeit (z. B. auch an
Immobilien), abgesehen von der auch bei uns allgemein üblichen Begrenzung des Art. 910
CN. (betr. die tote Hand). Die religiösen Kongregationen (cf. Dalloz 1904, I, 59, II, 137)
unterstehen einem strengen Sonderrecht. — Auch um eine Stiftung zu machen, muß die décla-
ration d'utilité publique nachgesucht werden. Unter dieser Voraussetzung ist die Stiftung sowohl
durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (als Schenkung), wie durch Testament (unter Überwindung
der auch bei uns vorhanden gewesenen Schwierigkeiten 1) zulässig.
8§ 5. Die Güter (biens), nicht bloß die körperlichen Sachen, werden in bewegliche
und unbewegliche geteilt. Dies hängt mit der überwiegenden Bedeutung zusammen,
die dem unbeweglichen Vermögen vor dem beweglichen allgemein beigelegt wird. Rechte
gelten als unbeweglich, wenn sie eine unbewegliche Sache zum Gegenstande haben oder der
Anspruch auf Erlangung einer solchen gerichtet ist (actio immobilis quae tendit ad immobile).
Der Grund des Anspruchs ist gleichgültig; nur eine Hypothek folgt regelmäßig der zugrunde
liegenden Forderung. Cf. Art. 526, 529 CK. Die Nebensache folgt der Hauptsache, ist
also wie diese beweglich oder unbeweglich. Dies gilt auch für die Zubehörden (Perti-
nenzen), z. B. das Gutsinventar, das Inventar einer Fabrik, eines Theaters usw., wie über-
haupt die Pertinenz- und Fruchtlehre ähnlich wie in unserem heutigen Rechte bestimmtt ist.
8 6. Ein Gleiches gilt (aus allgemeinen logischen Gründen) in Ansehung der Rechte
und Rechtsverhältnisse. Dingliche, persönliche, Familien-, Autor- und sonstige Indi-
vidualrechte usw. sind in gleicher Weise wie bei uns bekannt, und auch der Charakter der einzelnen
Rechtsfiguren (z. B. der Miete als bloßes Schuldverhältnis) stimmt im allgemeinen überein.
Die Hauptquelle der Entstehung, des Erlöschens oder der Veränderung von Rechten bilden
(neben dem Gesetz) die Willenserklärungen, Rechtsgeschäfte (actes) der Beteiligten.
Enger ist der Begriff der Übereinkunft (convention), die einen Konsens zweier oder mehrerer
Personen voraussetzt, und des Vertrags (contrat), durch welchen Verbindlichkeiten (engage-
ments) auf Geben, Tun oder Unterlassen zwischen zwei oder mehreren Personen begründet
werden. Doch gehen die Auedrücke auch durcheinander.
Die Gültigkeitserfordernisse der Rechtsgeschäfte sind im wesentlichen die-
selbeen wie bei uns (Art. 1108 ff. CN.). Grundsätzlich besteht Formfreiheit, wenigstens
der obligatorischen Verträge mit Hauptausnahme der Schenkung, die notarieller Beurkundung
bedarf. Mangels Beobachtung der vorgeschriebenen Form ist das Geschäft nichtig. Hinsichtlich
der Geschäftsfähigkeit (capacité) wird zwischen vollständig Handlungsunfähigen
(Kinderm, Wahnsinnigen) und beschränkt Handlungsfähigen (Minderjährigen, Ehefrauen, Ent-
mündigten oder Interdizierten) unterschieden; die vollständige Handlungsunfähigkeit ist im
Einzelfall zu konstatieren. Die Akte der Minderjährigen usw. bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Zustimmung (Autorisation) des gesetzlichen Vertreters, Ehemanns der Handelnden, sind aber
1 Wie beim sog. Städelschen Erbfall. Vgl. betreffs der von Edmond de Goncourt gestifteten
Académie littraire die Gazette du Palais 1897, II, 456, u. 1900, I, 608 und Bulletin des lois 1903
n. 3677, S. 899.