Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Grundzüge des romanischen Rechts. 375 
2. Verwandtschaft. 
8 26. Über eheliche Kinder steht den Eltern (nicht bloß dem Vater) die Gewalt 
zu, wenn selbstverständlich auch der Vater diese Gewalt vorwiegend während der Ehe (und als 
unverzichtbares Recht) ausübt. Ist aber der Vater verstorben, entmündigt oder nicht imstande, 
die elterliche Gewalt auszuüben, so gebührt die Ausübung der Frau. Der Inhalt der elterlichen 
Rechte entspricht im wesentlichen dem heutigen deutschen Recht. Erwiesen wird die eheliche 
Kindschaft durch die Urkunden des Personenstandes, eventuell durch sog. Besitz des Standes 
(nomen, tractatus, fama) und durch Zeugen. Die elterliche Gewalt dauert bis zur Volljährig- 
keit des Kindes (die Pietäts= und Alimentationspflichten bestehen noch weiter fort). Die Ge- 
walt kann aber auch vorzeitig durch Emanzipation (s. u. § 30) beendigt werden. Nach neueren 
Gesetzen geht sie unter Umständen zur Strafe (wegen schlechten Lebenswandels oder gewisser 
gegen das Kind begangener Verbrechen) verloren. In vermögensrechtlicher Beziehung führt 
die elterliche Gewalt das Recht der Verwaltung und Nutznießung des Kindesvermögens mit 
sich, die Nutznießung jedoch nur bis zum 18. Lebensjahre des Kindes. Art. 384 CN. Durch 
französ. Ges. v. 6. April 1910 ist die elterliche Vermögensverwaltung in ähnlicher Weise wie 
bei uns geregelt und in Ansehung der wichtigeren Akte an gerichtliche Zustimmung gebunden. 
Von der Verwaltung ausgenommen ist das sog. freie Vermögen des Kindes (Arbeitsverdienst, 
und was dem Kinde von Dritten unentgeltlich unter Befreiung von den elterlichen Rechten zu- 
gewendet wird). Die überlebende Mutter verliert den Nießbrauch mit der Wiederverheiratung. 
§ 27. Die Rechte der unehelichen Kinder beruhen auf der Anerkennung 
des Kindes durch den natürlichen Vater oder die Mutter. Auch gegenüber der Mutter! Denn 
die Geburtsurkunde allein ist kein genügender Titel für die Kindschaft. Art. 319 CN. verweist 
auf die Geburtsurkunde in diesem Sinn nur bei den ehelichen, nicht bei den unehelichen Kindern. 
Darin liegt tiefe Lebensweisheit. Die uneheliche Geburt wird meist verschleiert, den Namen 
der Mutter ergibt die Geburtsurkunde nicht mit Sicherheit. Eine wahre Angabe mit Aufgebot 
des Staatszwangs (Urkundenfälschung, Unterdrückung des Personenstandes usw. )) in dieser 
Hinsicht durchzusetzen, erscheint untunlich, würde zum Kindsmord anreizen. Jeder Elternteil 
kann die Anerkennung für sich (in öffentlicher Urkunde) vornehmen (Art. 334 ff. CN.). Das 
Kind resp. sein gesetzlicher Vertreter kann auch die Anerkennung gegen die Mutter er- 
zwingen. Gegen den Vater ist sie dagegen nach dem C. nicht durchzusetzen (la recherche 
de la paternité est interdite), außer bei gewaltsamer Entführung, wenn deren Zeitpunkt mit 
der Empfängnis übereinstimmt. Weitergehend, aus sozialen Gründen neuestens, nach dem Vor- 
gang Belgiens, das französische Gesetz v. 16. Nov. 1912, zugleich mit strengen Strafen gegen 
böswillige Prozeßeinleitung. 
Das anerkannte Kind hat gegen den betreffenden Eltemteil die Rechte der unehelichen 
Kinder (vgl. z. B. Art. 158, 338, 383, 756 ff., 908 CN.). Der anerkennende Vater hat nicht 
bloß die karge Alimentationspflicht des heutigen deutschen Rechts, wenn anderseits auch nicht 
die präponderierende Stellung des Ehemannes bei ehelichen Kindern. Dagegen fehlen meistens 
die vermögensrechtlichen Folgen der elterlichen Gewalt (den Kindern ist ein Vormund zu be- 
stellen), und haben die Eltern keine Nutznießung am Vermögen der Kinder (zu Vormündern 
können sie gegebenenfalls bestellt werden). Doch hat das französische Gesetz v. 2. Juli 1907 auch 
diese Beschränkungen beseitigt und den (anerkennenden) natürlichen Eltern die elterliche Gewalt 
und Nutznießung am Vermögen des Kindes gegeben. Nur die Vermögensverwaltung steht 
unter den Beschränkungen einer gesetzlichen Vormundschaft. 
Eine Legitimation unehelicher Kinder (also die Erhebung zu ehelichen) ist durch 
Eheschluß der Eltern (per subsequens matrimonium) und nach den Gesetzen einiger Staaten 
auch durch staatliche Verleihung (per rescriptum) möglich. Voraussetzung ist überall die vor- 
herige Anerkennung des Kindes (s. o.). 
In Ehebruch und Blutschande erzeugte Kinder (adulterini, incestuosi) können nicht an- 
erkannt, folglich auch nicht legitimiert werden. Sie haben nur beschränkte Rechte (auf Unter- 
halt). Art. 762 ff. CN.] Hier wird die äußere Moral auf Kosten der inneren bevorzugt. Da- 
gegen ist die Legitimation für zulässig erachtet, wenn das Ehehindernis zu naher Verwandt-
	        
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