Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Urheberrecht. 385 
Allein die Entwicklung des Urheberrechts und die in den Grundzügen übereinstimmende 
Gestaltung des Schutzes in allen Kulturländern beweisen, daß gerade diejenige Form der 
Schutzgewährung und Regelung, die den Kern des Urheberrechts ausmacht, in unserem Rechts- 
bewußtsein als notwendig empfunden wird. 
Das Urheberrecht ist aus den Schutzformen, die eine willkürliche Verwaltungspolitik 
ersann, im Laufe der Entwicklung in unser Rechtssystem hineingewachsen, es hat seine Wurzeln 
in den Boden der allgemeinen Rechtsanschauung getrieben, auf dem unser gesamtes bürger- 
liches Recht beruht. 
Ist diese Beobachtung richtig, dann muß auch das Urheberrecht — über seine rechts- 
politischen Zwecke hinaus — auf diejenigen Grundsätze zurückgeführt werden können, die unser 
gesamtes bürgerliches Recht als notwendig erscheinen lassen. · 
Die Pole, um die sich unser bürgerliches Recht bewegt, sind der Mensch und die Welt 
der ihn umgebenden Güter, d. h. der Dinge, die der Mensch zu seinem Gebrauche, und zwar 
zum Zwecke der Eigennutzung, bestimmt hat. 
Innerhalb unseres Kulturkreises gebietet die Notwendigkeit des gesellschaftlichen oder 
staatlichen Zusammenlebens Achtung der Person und seiner Persönlichkeitssphäre. Die Nutzung 
der Güterwelt erfordert — aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen — eine Regelung der 
Güterverteilung. Die Verteilung von Gütern erfolgt bei neu auftretenden Gütern durch 
Besitzergreifung (Arbeit). Die innigste und höchste Form der Besitzergreifung bildet das 
Selbstschaffen. 
Die gleichen Gründe, die die Einrichtung des Privateigentums stützen, führen auch zur 
Anerkennung des Grundsatzes, daß eine neue geistige Schöpfung dem Schöpfer zur ausschließ- 
lichen wirtschaftlichen Nutzung zugewiesen wird. 
Die rechtsphilosophische Zurückführung des Urheberrechts auf die Grundsätze, auf denen 
das Eigentum beruht, ergibt sich also aus der Gleichsetzung der unkörperlichen, immateriellen, 
Güter mit den körperlichen Gütern und aus der Gleichsetzung des Selbstschaffens mit der 
ursprünglichen Aneignung durch Besitzergreifung. 
Der Schutz der Urheberpersönlichkeit ergibt sich aus dem Grundsatz der Anerkennung der 
persönlichen Freiheit, aus dem Gebot der Achtung der Persönlichkeitssphäre und der sozialen 
Betätigung des einzelnen. (Kohler, Rechtsphilosophie S. 53.) « 
IV. Das Urheberrecht im Rechtssystem. 
Aus den Zeiten, in denen die Gewährung eines Rechtsschutzes auf gewerbepolizeilichen. 
Verleihungen oder Anordnungen beruhte, hat sich bis in die neueste Zeit vereinzelt die Vor- 
stellung erhalten, das Urheberrecht stelle einen zugunsten eines einzelnen verfügten Eingriff in 
die allgemeine Gewerbe- und Handlungsfreiheit, eine lex specialis, ein Privileg dar. Diese 
Lehre kann heute in der Wissenschaft als überwunden gelten. 
Wollte man jedes Sonderrecht an einer Sache, das eine Machtbefugnis anderer aus- 
schließt, als ein Privileg ansehen, müßte man auch das Eigentum als Privileg bezeichnen. 
Auch der Umstand, daß ein unmittelbarer Besitz an dem Gegenstand des Rechtes aus- 
geschlossen ist — wegen seiner unkörperlichen Beschaffenheit —, kann diese Bezeichnung nicht 
rechtfertigen. 
Wenn man anerkennt, daß das Urheberrecht aus den dargelegten rechtsphilosophischen 
Gründen in den Grundsätzen unseres allgemeinen bürgerlichen Rechts wurzelt, muß man es 
den Kategorien des bürgerlichen Rechts einordnen oder zuordnen, nicht aber sein Wesen nach 
außerlichen Merkmalen bestimmen, die im Hinblick auf den Zweck und den Inhalt des Schutzes 
nur zufälliger Natur sind. 
Nicht besser steht es mit der Lehre, die in dem Urheberrecht nur den Reflex posi- 
tiver Schutznormen oder absolute, inhaltlose Rechte erblickt. Auch hier 
wird aus der Unkörperlichkeit des Gegenstandes auf die Inhaltslosigkeit des Rechtes geschlossen. 
Diese Auffassung wird aber durch die Tatsachen widerlegt. Den Inhalt des Rechtes bildet 
die Machtbefugnis, die Herrschaft des Urhebers über den Gegenstand, der trotz seiner Unkörper- 
lichkeit eine wirklich bestehende Sache darstellt. 
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band II. 25
	        
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