Das Urheberrecht. 389
griff in die spät und mühsam errungene Gewerbefreiheit. Als daher zur Zeit der Begründung
des Reichs sich ein Bedürfnis nach einem allgemeinen gesetzlichen Schutz fühlbar machte, fehlte
es an eigenen Erfahrungen und an eigener Tradition. Man war daher vielfach — namentlich
auf dem Gebiet des Patentrechtes — darauf angewiesen, neues zu schaffen und dabei die Er-
fahrungen des Auslandes zu nutzen. Nur auf dem Gebiete des geistigen Urheberrechts konnte
man sich an das preußische Gesetz von 1837 anschließen. — So kamen vom Jahre 1870 an zu-
stande Gesetze über den Schutz von Schriftwerken und Werken der Tonkunst (Ges. v. 10. 6.
1870), über den Schutz von Werken der bildenden Künste (Ges. v. 9. 1. 1876), der Photo-
graphie (vom 10. 1. 1876), der Geschmacksmuster (vom 11. 1. 1876), das Patentgesetz vom
25. 5. 1877.
Diese Gesetze, mit den Fehlern ihrer Jugend behaftet, mußten — bis auf das Geschmacks-
mustergesetz — in der Zwischenzeit einer Umarbeitung unterzogen werden.
Die heute in Deutschland geltenden Gesetze sind:
1. das Patentgesetz vom 7. April 1891;
2. das Gebrauchsmustergesetz vom 1. Juni 1891;
3. das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken und Werken der Tonkunst
vom 19. Juni 1901;
4. das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der
Photographie vom 9. Januar 1907.
Das Patentgesetz und das Gebrauchsmustergesetz haben sich inzwischen wiederum als
verbesserungsbedürftig erwiesen. Eine Reform ist gegenwärtig im Gange.
Wenn auch die deutsche Gesetzgebung des Urheberrechts in ihren Anfängen keine schöpfe-
rische Tat aufzuweisen hat, so hat doch die neue deutsche Rechtswissenschaft befruchtend auf die
Erkenntnis des Wesens des Rechtes gewirkt. Es ist das große Verdienst Kohlers, die moderne
Lehre des Urheberrechts begründet und damit auch den Boden für eine künftige organisch
aufgebaute Gesetzgebung freigemacht zu haben.
A. Die Gegenstände des Arheberrechts.
Neben der Welt der Sachgüter, die körperlich sind, oder deren Dasein wir durch Kräfte-
wirkungen feststellen können, der Sachgüter, die die Natur erzeugt, und die der Mensch roh
oder bearbeitet in den Dienst seiner Bedürfnisse stellt, erzeugt der menschliche Geist aus sich
heraus Gedankenschöpfungen, Werke, die der realen Welt angehören, die zu ihrer Wahr-
nehmung und Mitteilung einer Verkörperung bedürfen, aber deren Dasein von den einzelnen
Verkörperungsformen unabhängig ist.
Es sind Erzeugnisse der Kultur, Früchte der Erfahrung und Schulung, die der mensch-
liche Geist im Kampfe um seine Behauptung gegenüber der Natur und in dem gesellschaftlichen
Zusammenleben erwirbt. Aus der Zusammenfassung und Verarbeitung der überkommenen
Kulturgüter entstehen neue Geistesschöpfungen, die ihrerseits wieder befruchtend wirken.
Diese geistigen Schöpfungen zerfallen in zwei größere Gruppen: die eine Gruppe dient
dazu, die Herrschaft des Menschen über die Natur zu befestigen und zu verstärken; sie ist die
Frucht angewandter Geistestätigkeit. Sie umfaßt die Erfindungen.
Die andere, die der sogenannten reinen Geisteswerke, begreift die Schöpfungen in sich,
die lediglich der Pflege der Geisteskräfte dienen, die im Kampf um das Dasein überschüssig
werden. Im Laufe der Kulturentwicklung haben sich bestimmte Gebiete ausgesondert, die
zu selbständigen Kulturmächten geworden sind, und deren Erzeugnisse ausfzunehmen, zu ver-
stehen und zur Erweiterung und Vertiefung der eigenen Weltanschauung auf sich wirken zu
lassen, für den Kulturmenschen ein ebenso großes Bedürfnis ist, wie das, die physische,
wirtschaftliche und soziale Existenz zu sichern und zu bessern.
Die uns überkommenen Gebiete dieser geistigen Betätigung sind die Literatur, die Wissen-
schaft und die Kunst — Tonkunst und bildende Künste.
Diese reinen und angewandten Geisteswerke bilden den Gegenstand des Urheberrechts.