392 Albert Osterrieth.
Der Umstand, daß die Erfindung grundsätzlich nur nach Erteilung eines Patentes ge-
schützt wird, führt in unserem positiven Recht dazu, daß die Begriffe der Schutzfähigkeit und
der Patentfähigkeit zusammenfallen.
Voraussetzung des Patentes ist: daß eine Erfindung vorliegt; daß die Erfindung neu
ist, und daß sie gewerblich verwertbar ist.
a) Uber den Begriff der Erfindung ist soeben gesprochen worden.
b) Jede Erfindung unterscheidet sich grundsätzlich von allen anderen Mitteln der Technik.
Da aber (wie oben S. 386 ausgeführt) nur die neue Erfindung Gegenstand des Schutzes sein
kann, so wird die Erteilung des Patentes an die Voraussetzung geknüpft, daß die angemeldete
Erfindung nicht zur Zeit der Anmeldung bekannt war.
Ob eine Erfindung neu oder bekannt ist, wird von dem Gesetz nach formalen Gesichts-
punkten bestimmt.
Als bekannt gilt die Erfindung:
1) wenn sic in öffentlichen — d. h. der Offentlichkeit grundsätzlich freigegebenen —
Druckschriften der letzten 100 Jahre beschrieben war;
2) wenn sie im Inlande offenkundig benutzt worden ist, d. h. wenn die Tatsache ihrer
Benutzung außerhalb der Geheimsphäre des Erfindungsbesitzers bekannt geworden ist. —
Die Kenntnis der Erfindung muß in beiden Fällen derart sein, daß sie dem Sachverständigen
die Benutzung der Erfindung ermöglicht, ohne daß er eine eigene erfinderische Tätigkeit leistet.
Liegen diese Voraussetzungen — zur Zeit der Anmeldung bei dem Patentamt — nicht vor,
so gilt die Erfindung als neu, selbst wenn sie auf andere Weise, z. B. aus alten Duuckschriften,
oder aus Vorbenutzung im Auslande oder durch wissenschaftliche Vorträge, bekannt ge-
worden ist.
e) Das Erfordernis der gewerblichen Verwertbarkeit sollte an und für sich nur angeben,
daß der Patentschutz sich nur auf technische Schöpfungen erstreckt. Allein in der Praxis ist es
gesteigert worden zu dem Erfordernis eines ernst zu nehmenden, glaubwürdigen und auch
ausführbaren Mittels der Technik.
Kraft besonderer gerichtlicher Vorschriften sind von dem Patentschutz aus-
geschlossen:
1) Erfindungen, deren Verwertung den Gesetzen oder der guten Sitte widerspricht;
2) Nahrungs-, Genuß= oder Heilmittel;
3) Chemische Stoffe.
Verfahren zur Darstellung von 2. und 3. sind dagegen patentfähig. Der Ausschluß
chemischer Stoffe beruht vorwiegend auf volkswirtschaftlichen Erwägungen. Es soll der fort-
schreitenden Technik ermöglicht und nahegelegt werden, die durch ein Verfahren dargestellten
Stoffe durch andere, neue Verfahren zu gewinnen.
Die Prüfung auf Patentfähigkeit hat zu erfolgen auf Grund des Standes
der Technik, wie er sich zur Zeit der Anmeldung darstellt. Zur Würdigung des Erfindungs-
charakters und zur Abgrenzung der angemeldeten Erfindung von dem Bekannten hat also die
Prüfung zu erfolgen nach dem Maßstabe der Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Bereiche der
druckschriftlich bekannten und offenkundig benutzten Technik lagen.
Die Praxis des 1877 gegründeten Patentamtes, der für die Prüfung und Erteilung der
Patente bestellten Behörde, stand wohl von Anfang an unter dem Eindruck der volkswirtschaft-
lichen und gewerbepolitischen Anschauungen, die in dem Patent vorwiegend eine Beschränkung
der Freiheit der Gewerbe und der Technik sahen. Dies führte zu der Vorstellung, daß man
nur auf solche Erfindungen ein Patent erteilen dürfe, deren Eigenart oder Fortschritt eine
besondere Erheblichkeit aufwies. (Richtiger wäre wohl, bei der Erteilung milde, bei der Fest-
stellung der Schutzwirkung — was Sache der Gerichte ist — streng zu prüfen.)
Dieses aus der Praxis entstandene Erfordernis einer besonderen Erheblichkeit (oder des
erheblichen Fortschrittes) hat sich zu dem der Patentwürdigkeit verdichtet, dem
Maße der Erfindungshöhe, das eine Erfindung aufweisen muß, um für patentfähig erachtet
zu werden. Die Prüfung auf Patentwürdigkeit unterliegt einer gewissen Willkür. Das hat
zu dem Irrtum Anlaß gegeben, als ob die Patenterteilung vorwiegend einen Verwaltungsakt