Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Urheberrecht. 409 
Das gewerbliche und das geistige Urheberrecht sind infolge der Besonderheit der in Be- 
tracht kommenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse Gegenstand getrennter Vertrags- 
regelung geworden. 
Innerhalb des europäischen Kulturkreises wird das internationale Urheberrecht durch 
zwei Verbandsübereinkünfte festgelegt, die beide in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts 
gegründet wurden. Aus kleinen Anfängen erwachsend, haben sie allmählich ihren Kreis erweitert. 
Die ersten UÜbereinkünfte waren Versuche, die infolge der Unvollkommenheit der Gesetz- 
gebung der meisten Verbandsstaaten zunächst ziemlich dürftig waren. Es wurde daher von 
Anfang an in Aussicht genommen, die ursprünglichen Konventionen allmählich durch Ab- 
haltung periodischer Revisionskonferenzen auszubauen. Da eine Erweiterung einer Verbands- 
übereinkunft der Zustimmung sämtlicher Länder bedarf, und eine Verbesserung durch den 
Widerspruch schon eines einzigen Landes unmöglich wird, hat man sich geholfen, innerhalb 
der größeren Verbände beschränkte Verbände zu schaffen, denen diejenigen Staaten angehören, 
die die von den Revisionskonferenzen gefaßten Beschlüsse ratifizieren. Dies führt dazu, daß 
die ursprünglichen einheitlichen Verbände sich allmählich wieder in eine Anzahl besonderer 
Unionsverbände auflösen. 
Staatliche Vertragsabmachungen haben zunächst nur eine völkerrechtliche Bindung zur 
Folge; sie gewinnen eine rechtsverbindliche Kraft in den einzelnen Ländern nur auf Grund 
der inneren Gesetzgebung. 
a) Die erste Übereinkunft wurde auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes ge- 
schlossen, die sogenannte Pariser ÜUbereinkunft für den Schutz des gewerb- 
lichen Eigentums vom 20. März 1883. Sie umfaßt außer den Gebieten des gewerb- 
lichen Urheberrechts auch das Warenzeichenrecht, das Namensrecht, die Bekämpfung des un- 
lauteren Wettbewerbs, einschließlich des Kampfes gegen falsche Herkunftsbezeichnungen. 
Revisionskonferenzen haben stattgefunden 1886 in Rom, 1890 in Madrid, 1897/1900 
in Brüssel, 1911 in Washington. Von erheblicher Bedeutung waren nur die beiden letzten 
Konferenzen, durch welche die Ubereinkunft eine wesentliche Verbesserung und Erweiterung 
erfahren hat. 
Dem Pariser Verband gehören an die meisten Länder Europas (mit Ausnahme Rußlands 
und der Balkanländer), die Vereinigten Staaten, Brasilien und Japan. 
Berechtigt zum Schutze sind die Staatsangehörigen des Verbandslandes sowie solche 
Personen, die in diesen Ländern ihren Wohnsitz oder ihre gewerbliche Niederlassung haben. 
Der Hauptgrundsatz der Ubereinkunft ist der, daß alle Verbandsangehörigen in jedem 
Lande den Inländern gleichgestellt werden, und daß sie sowohl hinsichtlich der Schutzvoraus- 
setzungen als auch hinsichtlich der Schutzwirkungen der inländischen Gesetzgebung unterstehen 
(Territorialprinzip). 
Eine Ausnahme von diesem Grundsatze besteht nur für diejenigen Fragen, die in der 
Ubereinkunft selbst einheitlich für das ganze Unionsgebiet geregelt werden. 
Die wichtigste dieser Abmachungen betrifft die Schaffung des sogenannten Priori- 
tätsrechts. 
Da in allen Ländern der Patentschutz nur neuen Erfindungen gewährt wird, und der 
Erstanmeldende vor später Anmeldenden einen Vorzug genießt, besteht die Gefahr, daß, wenn 
jemand in einem Land ein Patent anmeldet, diese Tatsache der Erlangung eines Patentes 
auf die gleiche Erfindung in anderen Ländern im Wege steht, wofern er nicht seine Erfindung 
in allen Ländern gleichzeitig anmeldet. Um diese Wirkung auszuschließen, wird in der Pariser 
Ubereinkunft demjenigen, der in einem Lande ein Patent (oder ein Gebrauchsmuster) an- 
meldet, für die Anmeldung der gleichen Erfindung in den übrigen Verbandsländern auf die 
Dauer eines Jahres — für Geschmacksmuster für vier Monate — ein Prioritätsrecht gewährt, 
wonach die Fragen der Neuheit und des zeitlichen Vorranges nach dem Zeitpunkt der Vor- 
anmeldung zu beurteilen sind. 
Außer der Gewährung eines Prioritätsrechts enthält die Pariser Übereinkunft eine Be- 
stimmung zur Milderung des Ausführungszwanges innerhalb der Verbands- 
beziehungen sowie die Vorschrift, daß die in einem Verbandslande erteilten Patente von 
den in den übrigen Ländern erteilten Patenten unabhängig sein sollen. 
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band II. 27
	        
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