Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Bürgerliches Recht. 39 
immer neue Vollmachtswirkungen gegenüber den Personen äußert, welche die Vollmachts- 
urkunde sehen und infolge ihrer handeln. Dies ist allerdings etwas sehr Gefährliches, und der 
Widerruf der Vollmacht ist hier sehr erschwert; denn der Widerruf kann nur demjenigen geäußert 
werden, dem gegenüber die Vollmacht erklärt ist: mit der Vollmachtsurkunde aber wandert 
die Vollmacht in ihrer Wirkung von Person zu Person; sie wirkt, ehe der Widerruf die Vollmacht 
vernichten könnte. Man hat deshalb zu dem Aushilfsmittel der Kraftloserklärung gegriffen 12 
diese kann erfolgen durch öffentliche Bekanntmachung nach den Grundsätzen der zivilprozessualen 
Ladungsbekanntmachung ; eine notwendige Einrichtung, durch welche die Vollmacht allerdings 
an Sicherheit bedeutend verliert; doch ist dabei wohl in Betracht zu ziehen, daß die Kraftlos- 
erklärung erst nach Ablauf eines Monats nach der Einrückung in die öffentlichen Blätter wirkt. 
Man prüfe daher, ob die Monatsfrist noch nicht überschritten ist (§ 176) 3. 
Ubrigens kann auch eine sonstige Widerrufserklärung von Wirkung sein, aber nur dann, 
wenn der Dritte, dem gegenüber die Vollmacht wirkt, von dem Widerruf weiß, oder wenn sein 
Nichtwissen ein verschuldetes ist (§ 173 BG.). 
Wer ohne Vollmacht handelt unter Umständen, unter denen der Dritte ihn als bevoll- 
mächtigt erachten mußte, der haftet; ist er allerdings in gutem Glauben, so haftet er nur für das 
negative Interesse. Nachträgliche Vollmacht heißt Genehmigung, § 177 f. 4. 
Zweites Buch. 
Gegenstandsrechte. 
Exster Abschnitt. 
Recht an Sachen. 
I. Abgeleitetes Recht kraft der Friedensordnung (Besitz). 
§ 27. Der Besitz ist eine Sache sozialer Ordnung. Wie die soziale Ordnung die Person 
schützt, so schützt sie auch die Umgebung der Person. Hiermit nimmt der Besitz ein individualistisches 
Element an: damit der Besitzesschutz eintritt, muß die Sache in die Umgebung der Person ge- 
rückt werden. Dies kann in unwillkürlicher Weise erfolgen, wenn die Sache zu mir in eine solche 
innige Beziehung getreten ist, daß diese Beziehung ohne tatsächliches Eingreifen meiner Per- 
sönlichkeit nicht gelöst werden kann; z. B.: es ist mir eine Sache in die Tasche gesteckt, es ist mir 
ein Gegenstand in die Schublade meines Schreibtischs gelegt worden oder in die geheime Kassette 
oder in einen anderen Verwahrungsraum. Ganz anders dann, wenn die Beziehung nicht in 
einer solchen Weise hergestellt ist; wenn etwas zwar in den Kreis meines Wirkens fällt, aber 
so, daß es ohne tatsächliches Eingreifen in meine Persönlichkeit von mir losgetrennt werden kann. 
In einem solchen Falle gilt folgendes: ich besitze die Sache, wenn ich sie besitzen will, aber nur 
in diesem Falle. Diesen Willen kann ich zum voraus erklären, z. B. ich bezeichne meinen Schreib- 
1 Dasselbe muß auch gelten, wenn jemand ein Blankett ausgestellt hat und dies gegen die Ver- 
abredung ausgefüllt wurde; der Aussteller begibt sich durch das Blankett in eine Vollmachtssituation, 
die er durch Widerruf aufheben kann; vgl. Voß, Jahrb. f. Dogm. 56, S. 458. 
* Lehrbuch I S. 557, Hupka, Haftung des Vertreters (1903), wo S. 95 treffend auch auf 
das englische Recht verwiesen wird. 
*Wie, wenn eine Vollmacht etwa in einer Versammlung kundgegeben wird? Hier gilt für 
den Widerruf § 132 BGB. Vgl. Goldberger, Schutz gutgläubiger Dritter, S. 48. 
* Davon verschieden ist die Genehmigung der Tat eines eigenpersönlich Handelnden, der über 
fremdes Vermögen verfügt hat: hiervon spricht § 184. Sie hat einen ganz anderen Charakter: sie 
ist die Ergänzung zu der ohne Recht erfolgten Verfügung, eine Ergänzung, welche ebenso eintritt, 
wenn der Verfügende nachträglich berechtigt wird, SI 184, 185 BG#B., welche aber nur eintritt 
vorbehaltlich der unterdessen erworbenen Rechte Dritter. Vgl. Merten, Einwilligung (1913), 
S. 86 f. Im übrigen ist sie ein zum Rechtsgeschäft hinzutretender Zusatz, nicht ein Teil des Rechts- 
geschäftes, denn dieses ist bereits abgeschlossen; weshalb, wenn guter Glaube entscheidend ist, der 
gute Glaube zur Zeit des Rechtsgeschäftes, nicht zur Zeit der Genehmigung in Betracht kommt, 
R. 14. Oktober 1908 Entsch. 69 S. 264, Rothkugel, Rückwirkung der Genehmigung (1911) 
. *Pn. 7 und weshalb auch die Form des Rechtsgeschäfts nicht für die Genehmigung erforderlich 
ist. Vgl. S. 74.
	        
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