Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Privatversicherungsrecht. 427 
und bei den schwersten Mißständen kann sie äußerstenfalls den Betrieb untersagen: dann dürfen 
neue Versicherungen nicht abgeschlossen, alte nicht erhöht oder verlängert werden. Sie kann 
Konkurseröffnung beantragen oder, wenn die Vermeidung des Konkurses im Interesse der 
Versicherten liegt, die nötigen Heilungshandlungen vornehmen, Gewinnverteilungen ver- 
bieten, auf eine Erhöhung der Beiträge dringen; bei Lebensversicherungen darf sie sogar (wo- 
von aber bisher kein Gebrauch gemacht zu sein scheint) die Versicherungssummen bis zu zwei 
Dritteln herabsetzen (§ 64—69 VIIG.). 
IV. Auch ausländische Versicherungsunternehmer bedürfen der Erlaubnis, um in 
Deutschland durch Vertreter oder Vermittler das Versicherungsgeschäft zu betreiben. Diese 
Erlaubnis erteilt der Reichskanzler; er kann sie, anders als bei inländischen Versicherern, nach 
Belieben versagen; er darf sie aber nur erteilen, wenn das APV. erklärt hat, daß keiner der ge- 
setzlichen Versagungsgründe für inländische Versicherer vorliegt, wenn der Unternehmer rechts- 
fähig ist und sich verpflichtet, in Deutschland eine Niederlassung zu unterhalten und einen 
Hauptbevollmächtigten mit Wohnsitz in Deutschland zu bestellen. Ist ein ausländisches Unter- 
nehmen zugelassen, so wird es wie ein deutsches vom AP V. beaufsichtigt (s§s 85—91 VllG.). 
Kohler 463 ff.; K. Lehm ann 1008 ff.; Moldenhauer, Aussicht üb. d. priv. 
VerfUntern. 1903; Josef, 3. f. HR. 66, 101 ff.; Könige, Leipz Z. 2, 337 ff.; Ehren- 
berg, Z. f. VersWiss. 4, 24; Schellwien, ebenda 11, 269 ff.; Emminghaus, Leipz3. 
2, 23 ff.; Wörner, Ehrenzweigs Ass Sahrb. 30, 95 ff. — Pannier, De Tantorisation et de 
la surveillance des sociétés d'ass. sur la vie. Paris 1905. 
Zweiter Abschnitt. 
Das Versicherungsverhältnis. 
§ 9. Der Abschluß des Versicherungsvertrags. I. Wo das Versicherungsverhältnis 
auf einem Vertrage beruht, kommt dieser nach allgemeinen Grundsätzen durch Antrag 
und Annahme zustande. Meist ist der Versicherungsnehmer Offerent, der Versicherer 
Akzeptant (umgekehrt bei der Versicherung durch Automaten, wie sie bei der Reiseunfall- 
versicherung vorkommt); die Offerte geschieht meist durch Einreichung eines ausgefüllten 
und unterschriebenen Formulars. Gewöhnlich erklärt der Offerent, daß er sich an seinen 
Antrag eine Zeitlang gebunden halte; bei der Feuerversicherung ist er 2 Wochen gebunden 
(5 81 VVG.; dazu Veröff. Ap V. 10, 17 ff.). Der Vertrag bedarf kraft Gesetzes keiner 
Form; doch wird bisweilen eine Form (z. B. Ausstellung des Versicherungsscheins, wovon 
unten § 13) vereinbart. Dem Vertragsschluß geht nicht selten ein Vorvertrag voraus, ins- 
besondere zwischen dem Versicherer und einem Verbande gewerblicher oder landwirtschaftlicher 
Interessenten; in ihm werden die Grundlagen der künftigen einzelnen Versicherungsverträge 
(vor allem die Prämienbemessung) festgestellt, und jeder Verbandsangehörige erwirbt einen 
Anspruch auf entsprechenden Vertragsschluß. 
II. Der Hauptinhalt des Vertrags wird durch Bezugnahme auf die allgemeinen 
Versicherungsbedingungen festgestellt. Jeder Versicherungsunternehmer stellt 
solche Bedingungen (richtiger: Bestimmungen) auf und reicht sie dem AP V. mit seinem Gesuch 
um Zulassung zum Geschäftsbetrieb ein (§ 4 VlU G.); sie geben an, wann der Versicherer zu 
leisten verpflichtet, wann er es ausnahmsweise nicht ist, welche Leistungen dem Versicherungs- 
nehmer obliegen, und was die Verzugsfolge ist; sie enthalten die Grundsätze über die Dauer, 
stillschweigende Verlängerung, Kündigung, Aufhebung des Vertrags, über die Rückzahlungs- 
pflichten des Versicherers bei Aufhebung, über Anspruchsverlust bei Fristsäumnis, über Gericht 
und Verfahren bei Streitigkeiten u. a. Sie sind nicht objektives Recht, sondern lex contractus, 
im voraus bestimmter Inhalt zahlreicher Versicherungsverträge (vgl. dazu RG. 81, 119). Sie 
sind dem Versicherungsnehmer regelmäßig vor dem Vertragsschlusse auszuhändigen; doch 
schadet eine Zuwiderhandlung der Gültigkeit des Vertrages nicht. Vertragliche Abweichungen 
von den allgemeinen Versicherungsbedingungen sind zulässig; wenn zuungunsten des Ver- 
sicherungsnehmers, so soll er vorher auf die Abweichung hingewiesen und sein schriftliches Ein- 
verständnis eingeholt werden (§§ 9, 10 VU .). 
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