132 Martin Woll
1. Entweder ist ein Vermögensaktivum gefährdet: das Eigentum an einer Sache,
an einem Sachteil, ein beschränktes dingliches Recht (z. B. das Pfandrecht des Lagerhalters),
ein bedingtes Eigentum (RG. 74, 120), eine Forderung u. a. Gefährdet kann ein gegenwärtiges
oder künftiges Aktivum sein. Der Versicherungsvertrag kann das gefährdete Gut speziell be-
stimmen (Grundstück) oder generell. Möglich ist insbesondere die Versicherung für einen
Sachinbegriff (Bibliothek, Warenlager, Hausrat); dann umfaßt sie die jeweils zu dem In-
begriff gehörigen Sachen (§§ 54, 85 VVG.). Der Versicherungsvertrag kann ferner, statt selbst
die gefährdeten Güter zu bezeichnen, ihre Benennung (und die davon abhängende Prämien-
bemessung) der Zukunft überlassen, sog. laufende Versicherung, RG. 44, 34 (für sie gilt Ver-
tragsfreiheit, § 187 Abs. 2 VVG.).
2. Oder: es ist eine Gewinnaussicht gefährdet; es droht ein Gewinnentgang
(Sceversicherung des imaginären Gewinns; Brandchomageversicherung; vgl. §§ 779 HGB.,
53 VVG.).
3. Oder: es droht eine Belastung des Vermögens mit Schulden bestimmter Art (Haft-
pflichtversicherung); das gefährdete Gut ist hier die Schuldenfreiheit.
In allen drei Fällen heißt das durch die Versicherung zu schützende Gut, insoweit als es von
der Gefahr bedroht wird, das „versicherte Interesse“ („Versicherungsinteresse")#: Versiche-
rungsinteresse ist das gefährdete Vermögensaktivum, die Gewinnaussicht in ihrer Gefährdung,
die gefährdete Nichtentstehung von Schulden gewisser Art. Besteht das bezeichnete Gut nicht
oder besteht es, ohne der Versicherungsgefahr ausgesetzt zu sein, so fehlt es an einem Ver-
sicherungsinteresse. (Davon unten V.) Das Versicherungsinteresse wird durch Angabe der
Sache (oder des sonstigen Guts), auf die sich die Versicherung bezieht, nicht immer zweifelsfrei
bestimmt. Denn erstens muß ersichtlich sein, wessen Interesse versichert ist (versichert
ist das Gut nur als Stück des Vermögens einer bestimmten Person, nicht ist etwa der jeweilige
Sachberechtigte, z. B. der jeweilige Eigentümer, der Versicherte; scheinbare Ausnahme: Ver-
sicherung für Rechnung, wen es angeht); im Zweifel ist das Interesse des Versicherungsnehmers
selbst versichert (nicht das des jetzigen Eigentümers; s. u. § 17 II). Zweitens muß, wenn
bezüglich der Sache mehrere Rechte (oder Gewinnaussichten) bestehen, ersichtlich sein, welches
davon das versicherte Interesse ist: nimmt z. B. ein Nießbraucher, der die Nießbrauchssache
gekauft hat, Versicherung, so muß klar sein, ob der Nießbrauch oder die Forderung aus dem
Kauf versichert ist. Im Zweifel ist bei Sachen das Eigentümerinteresse (des Versicherungs-
nehmers), bei unkörperlichen Gütern das Vollrecht versichert; hat also der Versicherungsnehmer
zugleich Eigentum und ein anderes Recht (z. B. eine Grunddienstbarkeit am eigenen Grund-
stück oder eine auf die Sache bezügliche Forderung, wie eine Mietzinsforderung aus Vermietung
des Grundstücks), so ist nur das Eigentümerinteresse versichert (§ 52). Hat umgekehrt der
Versicherungsnehmer kein Eigentum an der Sache und gibt er nicht zu erkennen, welches
Interesse er versichert (z. B. der vermeintliche Erbe nimmt Versicherung auf Nachlaßstücke),
so fehlt es an einem eigenen Interesse (es gilt also § 68, wovon unten V. Gewinnaus-
sichten sind im Zweifel nicht versichert (§ 53). Deshalb schließt die Feuerwersicherung im
Zweifel keine Chomageversicherung ein. Versicherbar sind nur wirtschaftliche Inter-
essen, nicht Gemütsinteressen (vgl. Veröff. APV. 11, 10; dazu RG. 73, 66 ff. Dawider
v. Geyer, Z. f. Vers Wiss. 12, 711 ff.). Versicherbar sind nur rechtlich erlaubte Inter-
essen; daher z. B. unzulässig die Feuerversicherung unsittlicher Schriften, die Haftpflichtver-
sicherung gegen Geldstrafen, die Versicherung gegen Entgang eines Schmuggelgewinns. Un-
versicherbar ist nach § 780 HGB. die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft,
unversicherbar jedes Interesse einer feindlichen kriegführenden Macht. Ein bei Beginn der
Versicherung versicherbares Interesse kann nachträglich (z. B. durch Kriegsausbruch) unver-
sicherbar werden; darin liegt ein Wegfall des Interesses (§ 68 Abs. 2 VWVG.). Ist umgekehrt
bei Beginn der Versicherung das Interesse unerlaubt, so bleibt die Versicherung unwirksam,
1 Der Begriff des Versicherungsinteresses ist streitig. Vgl. insbes. Ehrenberg, V. 8.
Dawider neuestens (unter Vorbehalt näheren Nachweises) Kisch, Iherings J. 63, 362, der
Interesse definiert als den „Vorteil, den der Nichteintritt eines bestimmten schädigenden Ereig-
nisses für den Versicherten darstellt“". In § 68 VVG dürfte das Wort Interesse jedenfalls in
anderem Sinne verwendet werden.