Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Privatversicherungsrecht. 433 
auch wenn nachträglich (z. B. wegen Aufhörens des Krieges) das Interesse schutzfähig wird. 
Die Versicherung eines zunächst erlaubten, dann unerlaubten Interesses wird, wenn es wieder 
erlaubt wird (Kriegsende), für die Zukunft voll wirksam. 
II. Der Wert des versicherten Interesses heißt (wenn er in Geld schätzbar ist, was bei der 
Haftpflichtversicherung nicht immer der Fall ist) Versicherungswert (§51 VVG., § 786 
HGB.). Jür seine Abschätzung gelten bei der Feuerversicherung von Gebäuden und Gebrauchs- 
gegenständen und bei der Transportversicherung feste Regeln (§s 86, 88, 140, 141 VVG.; 
§§ 795, 797, 799, 801 Abs. 2 Satz 2 HG.). Der Versicherungswert kann zeitlich schwanken, 
z. B. sinken durch Abnutzung des versicherten Mobiliars, steigen durch Kurssteigerung der 
versicherten Wertpapiere. (Bei der Transportversicherung gilt aber der bei Versicherungs- 
beginn vorhandene Wert der Güter oder des Schiffs für die ganze Versicherungszeit als 
Versicherungswert.) Versicherungssumme heißt die verabredete Summe, bis zu der der 
Versicherer haftet (§ 50). Sie kann dem Versicherungswert gleich sein oder ihn übersteigen 
oder niedriger sein. 
1. Wenn und solange die Versicherungssumme den Versicherungswert übersteigt, liegt 
Uberversicherung vor. Sie ist im Gegensatz zu früheren Rechten (vogl. AL. II 8 
* 1984, preuß. G. v. 8. Mai 1837, dessen strafrechtliche Norm § 20 heute unanwendbar ist, 
RG. Strafs. 45, 118) und zu vielen ausländischen Rechten grundsätzlich gültig, und mit Recht, 
weil, was heute Überwersicherung ist, morgen Unterversicherung werden kann und umgekehrt. 
Allein 
a) bei erheblicher Überversicherung kann jeder Teil Herabsetzung der Versiche- 
rungssumme und entsprechende Prämienminderung herbeiführen (§ 51 Abs. 1); solche Ver- 
tragsänderung wirkt aber nur für die zukünftigen Versicherungsperioden, setzt also voraus, 
daß die Versicherung für eine Mehrheit von Perioden genommen ist; periodenlose Versiche- 
rungen sind nicht herabsetzbar (so insbesondere regelmäßig die Transportversicherung). Um- 
gekehrt ist auffälligerweise die Seeversicherung, soweit sie ÜUberersicherung ist, nichtig (§ 786 
Abs. 3 HGB.; vgl. § 895). Das Recht zur Vertragsänderung ist Gestaltungsrecht, nicht (wie 
gemeinhin in Anlehnung an den Wortlaut angenommen wird) Anspruch auf Abschluß eines 
Abänderungsvertrags, so daß z. B. der Versicherungsnehmer, der die begründete Herabsetzung 
dem Versicherer gegenüber erklärt, für die Zukunft nicht mehr die bisherige höhere Prämie 
schuldet, mag auch die Einigung mit dem Versicherer noch ausstehen. Ist die Überwersicherung 
herabgesetzt, so kann, wenn später der Versicherungswert wieder steigt, eine Wiedererhöhung 
von keinem Teil verlangt werden. 
b) Wollte der Versicherungsnehmer aus der Üüberversicherung einen rechtswidrigen Ver- 
mögensvorteil ziehen (z. B. durch Verschleierung des wahren Werts), so ist der Versicherungs- 
vertrag nicht, wie nach § 123 BGB. anzunehmen wäre, anfechtbar, sondern nach § 51 Abs. 2 
geradezu „nichtig“"; doch gebührt dem bei Vertragsschluß redlichen Versicherer die Prämie bis 
zum Schluß der Versicherungsperiode, in der er die „Nichtigkeit“ erfährt, daher bei perioden- 
losen Versicherungen (Transportversicherung) die ganze Prämie. Dieser Prämienanspruch 
ist zweifellos ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrage (z. B. im Sinne des § 12 VVG.), 
der also trotz des Gesetzeswortes nicht nichtig, sondern beschränkt wirksam ist. 
2. Ubersteigt der Versicherungswert die Versicherungssumme, so liegt Unterver- 
sicherung vor (§ 56 VVG.). Sie ist stets zulässig. Über das Maß der Ersatzpflicht des 
Versicherers vgl. unten § 15 IV. 
III. Ein Interesse kann gegen dieselbe Gefahr beimehreren Versicherern ver- 
sichert werden, sei es von derselben, sei es von verschiedenen Personen (z. B. Versicherung des 
Eigentümerinteresses am Lagergut durch den Eigentümer und für seine Rechnung durch den 
Lagerhalter). Dann hat der Versicherungsnehmer jedem Versicherer (in dem angeführten 
Falle: jeder Versicherungsnehmer seinem Versicherer) unverzüglich Mitteilung von der anderen 
Versicherung zu machen (§ 58, ergänzend §90 VVG; § 789 HGB.). Wenn die Versicherungs- 
summen der mehreren Verträge zusammen den Versicherungswert übersteigen, so liegt 
Doppelversicherung vos, wirtschaftlich eine Abart der Überwersicherung. Im früheren 
Rechte war sie meist, soweit sie eine Übewersicherung enthielt, nichtig. Heute ist sie gültig 
(auffälligerweise auch in der Seeversicherung, im Gegensatz zu der hier noch immer geltenden
	        
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