Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Privatversicherungsrecht. 437 
behält er das Recht auf die Prämie der laufenden Versicherungsperiode. Tritt der Ver— 
sicherungsfall vor der Fristsetzung ein, so muß der Versicherer zahlen; ebenso, wenn er nach 
Fristsetzung, aber vor Fristablauf, oder sogar nach Fristablauf, aber vor Verzug eintritt. Erst 
wenn die Frist abgelaufen und der Versicherungsnehmer in Verzug ist, ist der Versicherer frei 
(§§ 39, 40 Abs. 2 Satz 1, 91). Eine zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichende 
Vereinbarung ist nichtig (§ 42); insbesondere ist die früher häufige Abrede unzulässig, daß bei 
Rückstand mit einer Prämie die Versicherung erlösche. 
II. Der Versicherungsnehmer ist ferner verpflichtet, sich einer Gefahrerhöhung zu ent- 
halten und Gefahrerhöhungen, die zu seiner Kenntnis kommen, anzuzeigen; vgl. oben § 10 III. 
Er hat bei Eintritt des Versicherungsfalls die Rettungspflicht, d. h. er hat den Schaden 
nach Möglichkeit abzuwenden oder zu mindern; insoweit handelt er als Geschäftsführer des 
Versicherers; er hat die Weisungen des Versicherers tunlichst einzuholen, erteilte Weisungen 
zu befolgen; bei entgegenstehenden Weisungen mehrerer Versicherer hat er nach eigenem 
pflichtmäßigen Ermessen zu handeln, ebenso bei Untewersicherung, da diese in der nicht ge- 
deckten Quote eine Selbstversicherung enthält (§ 62 VVG.; § 819 HGB.; Viehversicherung 
§§ 120, 122; Unfallversicherung § 183). Ist der Versicherungsfall eingetreten, so trifft den 
Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht und die Auskunftspflicht. Die An- 
zeige liegt ihm unverzüglich nach Kenntnis ob, § 33 Abs. 1 (bei Feuer-, Hagel-, Haftpflicht- 
versicherung genügt Absendung der Anzeige binnen 2, bzw. 4 oder 7 Tagen, bei der Lebens- 
versicherung auf den Todesfall binnen 3 Tagen, bei einer anderen Lebensversicherung entfällt 
die Anzeigepflicht überhaupt, §§ 92, 110, 153, 171; bei Vieh-, Transport= und Seeversicherung 
ist auch von gewissen Unfällen Anzeige zu machen, die keinen Versicherungsfall darstellen, 
88 121, 146 VVG., 818 HGB.). Nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Versicherungs- 
nehmer auf Verlangen jede erforderliche Auskunft zu erteilen und Belege soweit zu beschaffen, 
als es ihm billigerweise zugemutet werden kann (nicht also: verbrannte Geschäftsbücher), 
l34 VVG., §§ 884, 885 HGB. Die Rettungs-, die Anzeige-, die Auskunftspflicht begründen 
zwar keine klagbaren Ansprüche des Versicherers auf Erfüllung, aber solche auf Schadensersatz 
bei schuldhafter Nichterfüllung („mittelbare Pflichten"“). Dem eigenen Verschulden steht nach 
§+2278 BGB. (der unmittelbar anwendbar ist) das Verschulden gesetzlicher Vertreter und solcher 
Dritten gleich, deren sich der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Pflicht bedient (bestr.). 
Diese gesetzlichen Pflichten können rechtsgeschäftlich nur in beschränktem Maße geändert 
werden; vgl. §§ 33 Abs. 2, 34 Abs. 2 Satz 2, 92 Abs. 2, 110 Abs. 2 u. a. 
III. Oft wird im Versicherungsvertrage bestimmt, daß bei Verletzung einer (gesetzlichen 
oder vertraglichen) Obliegenheit des Versicherungsnehmers der Versicherer zum Rücktritt 
befugt oder von der Leistungspflicht frei sein soll (Verwirkungsklausel). Solche 
Abmachung ist gültig; die verabredete Verwirkungsfolge tritt aber nicht bei unverschuldeter 
Verletzung ein (ähnlich im bisherigen Recht; RG. 62, 191); vielmehr ist Vorsatz oder Fahr- 
lässigkeit erforderlich, wenn es sich um eine vor dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegen- 
heit handelt (z. B. Anbringung eines Blitzableiters), und sogar Vorsatz oder grobe Fahr- 
lässigkeit, wenn um eine n ach dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit (z. B. Anzeige 
vom Eintritt des Versicherungsfalls). Vertragliche Abweichungen zum Nachteil des Ver- 
sicherungsnehmers sind nichtig (§ 6). Dem eigenen Verschulden des Versicherungsnehmers 
steht auch hier das Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheit 
bedient, gleich (analog §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 351 Satz? BG.); a. M. RG. 62, 192. 
Cosack 613 ff., 624 ff.; Kohler 454 ff., 458; Lehmann 1042 ff., 1048 ff.; Ehren- 
berg 498 ff. — Weil, Z. f. VWiss. 11, 229 ff.; Bauchwitz, Leipz B. 1913, 589 ff.; Josef, 
Leipz B. 1907, 483 ff., Gruchots Beitr. 52, 268 ff., Iherings J. 55, 260 ff., Z. f. HR. 65, 191 ff., 
Z. f. Vers Wiss. 11, 201 ff.; J. Gierke, Leipz ### 1909, 721 ff.; Schneider, Iherings J. 
53, 15 ff., Z. f. VWiss. 9, 796 ff., Leipz Z. 1909, 902, 1910, 97 ff., 198 ff., 732 ff.; Brod- 
mann, Iherings J. 58, 187 ff.; Fuld, Ehrenzweigs Ass . 30, 3 ff. Siber (in Plancks 
Komm. z. BG#B. 4 II) 27, 108, 228. 
* 15. Die Leistungspflicht des Versicherers. I. Bei Eintritt des Versicherungsfalls 
wird der Versicherer verpflichtet, den vereinbarten Ersatz zu leisten. Nur dann ist er bei der 
Güterversicherung frei, wenn der Versicherungsnehmer selbst (oder einer von mehreren
	        
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