Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Das Privatversicherungsrecht. 443 
einer einmonatigen Kündigungsfrist, der Erwerber ohne Frist. Beide Kündigungsrechte be- 
stehen nur einen Monat, der für den Versicherer seit Kenntnis von der Veräußerung, für den 
Erwerber seit der Veräußerung oder der Kenntnis von der Versicherung läuft. Sondernormen 
bestehen bei der Hagel-, Vieh= und Transportversicherung (§§ 114, 128, 142, 143, HGB. §9 899, 
900); insbesondere hat bei der Transportversicherung von Gütern der Versicherer kein Kündi- 
gungsrecht, weil die Person des Eigentümers hier für ihn regelmäßig ohne Interesse ist und 
er mit der Veräußerung während des Transports rechnen muß. Wird gekündigt, so erlischt 
das Versicherungsverhältnis; aber der Veräußerer (nicht der Erwerber) schuldet dem Ver- 
sicherer noch die Prämie der laufenden Versicherungsperiode. Die Veräußerung ist dem 
Versicherer unverzüglich anzuzeigen, damit er sein Kündigungsrecht erfahre; die Anzeige liegt 
dem Veräußerer und dem Erwerber als Gesamtschuldnern (genauer: Gesamtbelasteten) ob. 
Erfüllt keiner die Obliegenheit, erfährt auch der Versicherer die Veräußerung nicht anderweit 
und tritt später als nach einem Monat der Versicherungsfall ein, so ist der Versicherer frei: 
denn hätte er die Veräußerung rechtzeitig erfahren, so hätte er so zeitig kündigen können, daß 
der Versicherungsfall nicht mehr in die Zeit der Versicherung gefallen wäre. (Darauf, ob 
er wirklich gekündigt hätte, kommt es nicht an.) Das Kündigungerecht des Versicherers setzt 
eine gültige Veräußerung voraus. Zeigt aber der Versicherungsnehmer dem Versicherer an, 
daß er die Sache veräußert habe, so muß er dies gegen sich gelten lassen, selbst wenn die Ver- 
äußerung nicht erfolgt oder nicht wirksam war; ebenso wenn er über die Veräußerung eine 
Urkunde ausgestellt hat und der Erwerber dem Versicherer diese Urkunde vorlegt (Analogie zu 
§ 409 BGB.). Veräußert der Erwerber die Sache an einen Dritten weiter oder wieder an 
den Veräußerer zurück, so gelten die gleichen Grundsätze wie bei der ersten Veräußerung. Aber 
wollte der Versicherungsnehmer sich den Weg einer Veräußerung und eines Rückerwerbs zu- 
nutze machen, um das Versicherungsverhältnis zur vorzeitigen Kündigung zu bringen (darauf 
weist Kisch hin), so würde er nach den Grundsätzen von Treu und Glauben solche Kündigung 
nicht zu seinen Gunsten anführen können. Die Sätze über die Wirkung einer Veräußerung der 
versicherten Sache sind in der Weise zwingend, daß Abweichungen zum Nachteil des Erwerbers 
nichtig sind. Nur kann für die Kündigung und die Veräußerungsanzeige die Schriftform 
verabredet werden. Uber die Zweige, in denen volle Vertragsfreiheit herrscht, vgl. oben § 9VI. 
Enthält die Sachveräußerung zugleich eine Gefahrerhöhung (z. B. weil der Erwerber 
der versicherten Fahrnis feuergefährliche Räume hat), so gelten die Grundsätze über Gefahr- 
erhöhung; vgl. oben § 10 III. 
Die §§ 69—72 gelten nur für rechtsgeschäftliche Veräußerungen und für Zwangsver- 
steigerungen (§ 73) von Sachen. Dem unmittelbar auf Eigentumsübertragung gerichteten 
Rechtsgeschäft muß aber jedes Geschäft gleichstehen, das dem Erwerber mittelbar das Eigen- 
tum an der versicherten Sache verschafft; so ausdrücklich § 115 für die Hagelversicherung. 
Nichts anderes gilt, wenn jemand auf Grund einer nichtigen Grundstücksübereignung gutgläubig 
den Besitz des Grundstücks und (§5 955 BGB.) das Eigentum an den versicherten Bodenbestand- 
teilen erwirbt (gegen welche Gefahr auch immer die Versicherung genommen sein mag), oder 
wenn er die von einem Geisteskranken erworbene Sache zu Eigentum ersitzt (a. M. Kisch). 
Auf die Veräußerung anderer als körperlicher Gegenstände finden die Grund- 
sätze der §§ 69 ff. entsprechende Anwendung, freilich nur als nachgiebiges Recht; so ausdrücklich 
* 151 Abs. 2 für die Haftpflichtversicherung, wenn das Unternehmen, für das die Versicherung 
genommen ist, veräußert oder von einem Dritten zu Nießbrauch, Pacht oder sonstiger Nutzung 
übernommen wird. 
Cosack 626 ff., 630 ff. Ehrenberg, VR. 391 ff. Kohler 434f·. Lehmann 
1021 f. — Hallbauer, Recht 1908, 686. Seuffert, Leipz3. 1909, 102 ff. — J. Gierke, 
Die Vers Forderung bei Veräußerung d. vers. Sache 1899. Burchard, LeipzB. 1911, 
329 ff. Kisch, Recht 1913, 9 ff., 397 ff.; Mitt. öff. Feuewerfnst. 1914 Beiheft 68 ff. 
F. Cahn, Der Wechsel des Interessenten im Rechte d. Schadensversicherung (in Höniger-Rosin, 
Vers Wiss Abh. I1 1) 1914. Hallbauer, Recht 1909, 688 ff. Josef, Z. f. Vers Wiss. 9, 244 ff, 
14, 687 ff.; Leipz Z. 1911, 373 ff.; Seuff Bl. 76, 306 ff.; Recht 1913, 460 ff. Bartmann,, 
Leipz Z. 1913, 830 ff. Hagemann, ebenda 1914, 1194. — Ehrenberg, Z. f. VWiss. 10, 
192 ff. Rehm, ebenda 483 ff. Blumhardt ebenda 14, 440 ff. Herzfelder ebenda 
9, 549 ff. . 
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