Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

450 Martin Wolff. 
Wegen unrichtiger Angaben über die Gesundheit oder Verschweigens von Krankheiten gelten 
die allgemeinen Grundsätze (vgl. oben § 10 II). Nur erlischt das Rücktrittsrecht des Versicherers 
10 Jahre seit Vertragsschluß (sog. Unanfechtbarkeit der Police), außer bei Arglist (§ 163). Bei 
unrichtiger Alters angabe, die zu einer zu niedrigen Bestimmung der Prämie geführt hat, 
hat der Versicherer weder ein Rücktrittsrecht, noch ein Recht auf Prämienerhöhung; aber die 
Versicherungssumme mindert sich entsprechend (ohne Rechtsgeschäft), gleichviel, ob den Ver- 
sicherungsnehmer ein Verschulden trifft oder nicht. Lag das wahre Alter außerhalb der durch 
den Geschäftsplan für Vertragsschlüsse gezogenen Grenzen, so hat der Versicherer bei Ver- 
schulden des Versicherungsnehmers ein Rücktritts-, bei Schuldlosigkeit ein Kündigungsrecht 
(§5 162, 41 Abs. 2). — In der Regel setzt der Vertragsschluß bei der Versicherung auf Todes- 
fall eine ärztliche Untersuchung voraus; eine Verpflichtung, sich untersuchen zu lassen 
(oder bei Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen), kann aber vertraglich nicht begründet 
werden (§ 160; dazu Veröff. ApPV. 12, 122 f.). Eine Versicherung ohne ärztliche Unter- 
suchung ist bei kleinen Versicherungssummen („Volksversicherung") seit langem üblich, findet 
sich aber auch bei der Versicherung großer Beträge: meist wird dann die volle Versicherungs- 
summe nur für den Fall des Todes nach dem zweiten Versicherungsjahre versprochen. — 
Was als Gefahrerhöhnng gelten solle, muß vertraglich bestimmt, die Erklärung 
des Versicherungsnehmers sogar schriftlich abgegeben sein; anderenfalls gelten ÄAnderungen 
der Gefahrumstände nicht als Gefahrerhöhung. Die Rechte des Versicherers wegen einer 
Gefahrerhöhung erlöschen (außer bei Arglist) in 10 Jahren (§ 164). 
III. Der Geschäftsplan einer Lebensversicherungsunternehmung muß die Grundsätze 
für die Berechnung der Prämien und Prämienreserwen darstellen. Würde die Prämie dem 
Risiko entsprechen, das der Versicherer übermimmt, so müßte der Versicherungsnehmer, da 
das Risiko mit jedem Jahre wächst, eine jährlich wachsende Prämie zahlen, in Jahren jugend- 
licher Arbeitskraft eine geringere als in der Erwerbsunfähigkeit des Greisenalters. Statt dessen 
wird die Prämie für die ganze Versicherungszeit konstant bemessen: der Versicherungsnehmer 
zahlt in den ersten Versicherungsjahren höhere Prämien, als dem gegenwärtigen Risiko ent- 
spricht. Der Überschuß (Prämienreserve)z nebst Zinsen dient dazu, das Risiko der Jahre 
zu tragen, in denen die Prämie das Risiko nicht erreicht. Die Prämienresewen werden all- 
jährlich für die einzelnen Versicherungsarten getrennt berechnet und gebucht; die so berechneten 
Beträge werden regelmäßig mündelsicher angelegt (auch Anlegung durch „Policenbeleihung“ 
zulässig) und die Bestände (Prämienresewefonds) gesondert von jedem anderen Vermögen 
verwaltet und in ein Prämienreseweregister eingetragen (§s 11, 56—60 VluU. G.). Von dem 
Prämienresewefonds entfällt auf jede einzelne Versicherung ein bestimmter, in jedem Zeit- 
punkt genau berechenbarer Anteil. Auf diesen Anteil haben die Versicherungsnehmer unter 
Umständen ein Anrecht. Nach Vu . §F 61, 62 können sie ihn im Konkurse des Versicherers 
fordern; sie haben ein (freilich nicht pfandrechtliches, bestr.) Vorzugsrecht vor anderen Konkurs- 
gläubigern bezüglich der in das Prämienreseweregister eingetragenen Gegenstände (ähnlich 
den Hypothekenpfandbriefgläubigern); untereinander haben sie gleichen Rang; zur Wahrung 
ihrer Rechte bestellt ihnen das Konkursgericht einen Pfleger. Weiter geht in Anlehnung an 
die Gebräuche der Versicherungsverträge das VVG. Der Versicherungsnehmer, dem es oft 
wegen Erwerbsverschlechterung unmöglich ist, die geschuldeten Prämien sein Leben lang zu 
zahlen, kann jederzeit die Versicherung zum Schluß der laufenden Versicherungsperiode 
kündigen (7* 165). Hat dann die Versicherung schon 3 Jahre lang bestanden und ist die 
Prämie für diese Zeit bezahlt, so hat (bei lebenslänglicher Kapitalversicherung auf den Todes- 
fall) der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Prämienreserveanteil unter angemessenem 
Abzug zu erstatten (sog. Rückkauf der Versicherung). Der Anspruch auf die Prämien- 
reserve, aber, was streitig ist, auch das Kündigungsrecht, durch dessen Ausübung jener An- 
spruch bedingt ist, können von den Gläubigern des Versicherungsnehmers gepfändet werden. 
Ein Anspruch auf Erstattung der Prämienreserwe besteht auch dann, wenn die Versicherung 
1 Hat sie zu einer zu hohen Bestimmung der Prämie geführt, so ist im Wege der Analogie 
anzunehmen, daß der Versicherungsnehmer ein Recht hat, die Prämie zu mindern. So aus- 
drücklich Schweiz 75 Nr. 2.
	        
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