Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Bürgerliches Recht. 43 
Das Eigentum verfolgt die Sache nach allen ihren Kulturerscheinungen hin und ist nicht 
beschränkt nach den Bedürfnissen des Einzelwesens. Andere Substanzrechte können an gewisse 
Beschränkungen gebunden sein, zwar nicht der Nießbrauch, der ebenfalls über die Bedürfnisse des 
Einzelwesens hinausgehen kann; dagegen gibt es Nutzungs= und Gebrauchsrechte, welche nur 
für die Bedürfnisse des Einzelnen geschaffen sind: so das Wohnungsrecht auch nach dem Bürger- 
lichen Gesetzbuch, ähnlich wie die habitatio und der usus aedium des römischen Rechts, §& 1093: 
aber in diesem Falle ist die Beschränkung nicht eine pekuniär fixierte, sondern eine auf die all- 
gemeinen Bedürfnisse der Person und ihrer Familie gesetzte, und darum ist das Recht zwar in 
seiner substantiellen Entwickelung beschränkt, aber trotzdem ein Substanzrecht. 
Im Gegensatz dazu sind Wertrechte diejenigen, deren Funktion es ist, einen bestimmten 
Wert (Geldwert) aus der Sache zu ziehen, so daß, wenn diese Funktion erfüllt ist, das Recht 
seine Bedeutung und Tragkraft verliert 1. Die Hauptarten dieser Berechtigung sind Grund- 
schuld und Pfandrecht, von denen später (S. 62 f.) die Rede sein wird. 
§ 31. Das dingliche und das schuldrechtliche Moment ist im BG ziemlich scharf 
geschieden. Allerdings gibt es Vermittlungen, z. B. Miete und Pacht; sie sind zwar an sich schuld- 
rechtlich, aber sie erlangen unter Umständen die Eigenheit von Rechten mit Ansprüchen gegen 
einen jeden Rechtsnachfolger, so mindestens, wenn es sich um Miete und Pacht von Grundstücken, 
Wohnräumen und Räumen handelt und die Sachen und Räume den Mietern und Pächtern 
überlassen sind: diese erlangen ein Recht gegen jeden Rechtsnachfolger, mitunter auch gegen anderc 
Personen, welche an Stelle des Vermieters treten, so gegen den Eigentümer, wenn der Nießbraucher 
vermietet, gegen die Ehefrau, wenn der Ehemann das eingebrachte Gut der Frau vermietet, 
gegen den Nacherben, wenn der Vorerbe vermietet hat (§s 1056, 1423, 1663, 2135 BGB.) — 
alles mit gewissen Vorbehalten; vgl. auch § 57 ZVG. Durch dieses Schuldrecht gegen jeden 
Rechtsnachfolger tritt eine bedeutende Annäherung nach der Seite des dinglichen Rechtes ein. 
Zwar ist der Unterschied immer noch prinzipiell; denn beim dinglichen Recht liegt ein unmittel- 
bares Verhältnis des Berechtigten zur Sache vor, bei dem Recht gegen jeden Rechtsnachfolger 
dagegen ist ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung oder auf eine sonstige Leistung ge- 
richtet 2. Es wäre ja möglich gewesen, das Recht des Mieters oder Pächters dinglich zu gestalten, 
dann hätte man ihm aber auch einen Anspruch gegen einen Nachbarn geben müssen, welcher etwa 
durch bauliche Anlagen in das Recht des Mietherrn eingreift; denn ein solcher würde zu gleicher Zeit 
die Interessen des Mieters beeinträchtigen; es wäre aber nicht zweckmäßig, dem Mietrecht 
eine derartige Ausladung nach dritter Seite hin zu geben und dadurch in die freie Selbstbestimmung 
des Mietsherrn gegenüber seinem Nachbarn einzugreifen 3. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, 
mit dem Mietsrecht ein Wohnungsrecht nach § 1093 BGB. zu begründen; allein dies kommt in 
der Praxis kaum vor . 
Ein besonders wichtiger Fall eines Schuldrechts gegen jeden Rechtsnachfolger war im 
deutschen Recht das sogenannte Recht zur Sache (jus ad rem), wonach der Käufer, auch wenn 
er noch nicht Eigentümer geworden ist, doch ein Recht nicht nur gegen den Verkäufer, sondern 
auch gegen den Dritten hat, der vom Verkäufer im Bewußtsein dessen erwarb, daß die Sache 
bereits verkauft sei. Das BGB. hat dieses jus ad rem in eigenartiger Weise entwickelt: wer 
über ein Grundstück mit dem Eigentümer einen Vertrag abgeschlossen hat, etwa, daß er es ihm 
unter bestimmten Umständen übereigne, der kann sich ein jus ad rem gegen jeden künftigen 
Grundstückerwerber dadurch wahren, daß eine Vormerkung hierwegen ins Grundbuch eingetragen 
Pflicht des Eigentümers zur Erhaltung seines Eigentums (1898), S. 59 f. So hat die Polizei die 
Befugnis, im Fntereste des Verkehrs zu verlangen, daß an den Häusern Schilder mit Hausnummern 
angebracht werden; vgl. Preuß. Gesetz über Pol"zeinerwaltund 11. März 1850 5 6 b. # 
1 Manche wollen bei den Wertrechten noch eine besondere Eigentümerschuld konstruieren. 
Diese Konstruktion (z. B. Gierke, Privatrecht II S. 853) ist völlig unnötig und kann nur zu 
Unklarheiten führen. 
Die aus dem preußischen Landrecht mit seinen ungeschichtlichen naturrechtlichen Unklar- 
heiten hervorgegangenen Bestrebungen, den Unterschied zwischen dinglichen und persönlichen 
Rechten überhaupt zu leugnen und die Dinglichkeit auf einen absoluten Klagschutz zu reduzieren 
(vgl. z. B. Eu "6 en Fuchs, Wesen der Dinglichkeit (1889) S. 67 f.), sind nicht weiter zu berücksichtigen. 
* Val. Crome, Jahrbuch f. Dogm. XXXVII S. 43f. 
“ Val. Neuwiem, Mietsartige Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (1906) S. 41.
	        
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