4 J. Kohler.
wird §§ 883, 884 BGB.; vgl. auch §§ 14, 24, 193 KO. 1. Nicht das gleiche gilt bei beweglichen
Sachen; wenn jemand eine solche dem A. verkauft, aber noch nicht übereignet hat, so kann
dieser A. gegen einen Dritten, der nach ihm zum zweiten Male die Sache kauft, nicht
mit einem jus ad rem vorgehen. Doch wird man folgendes annehmen: wenn dieser
Dritte im Bewußtsein erwirbt, daß es sich nicht darum handelt, den ersten Käufer
loyalerweise zufriedenzustellen, sondern ihn geradezu um seinen Anspruch zu bringen, so hat
der erste Käufer gegen den Dritten einen Anspruch nach 88 823, 826 BGB., denn dies ist ein
Handeln gegen Anstand und Sitte. Auf diese Weise bekommt der erstere die Sache heraus;
allein auch nur in diesem Fall; auch muß der böse Glaube im Moment des Besitzerwerbes vor-
handen sein: nachträgliche Kenntnis ist bedeutungslos.
§ 32. Der germanische Unterschied zwischen liegenschaftlichem und beweg-
lichem Vermögen ist bedeutungsvoll ins BGB. übergegangen. Das Grundstücksvermögen
wird charakterisiert durch das Grundbuch. Die einzelrechtlichen Geschäfte, welche sich auf ding-
liche Rechte an Grundstücken beziehen, bedürfen zu ihrer dinglichen Wirksamkeit des Grundbuch-
eintrages; Geschäfte über Eigentum sowohl als auch über Grunddienstbarkeiten, ebenso über
alle Arten von Wertrechten?. Damit ist zu gleicher Zeit zum Ausdruck gebracht, daß die Er-
sitzung in allen diesen Beziehungen fast nur noch als Tabularersitzung eine durchgreifende
Rolle spielen kann, d. h. nur als Ersitzung mit Hilfe des Grundbuchs. Sie kommt beim Eigentum
an Grundstücken nur insofern in Betracht, als jemand im Grundbuch eingetragen ist und besitzt:
hier kann die Ersitzung zum Eigentum führen, wenn der Eintrag im Grundbuch noch nicht dazu
geführt hat; und ebenso kann umgekehrt die Löschung eines Rechtes im Grundbuche, sofern
sie nicht schon das Recht zum Erlöschen bringt, dadurch seine Zerstörung bewirken, daß der
Zustand des Nichtvorhandenseins eine bestimmte Zeit lang fortdauert. In der Tat findet in
beiden Fällen eine Art Ersitzung bzw. Versitzung, also eine Tabularersitzung und Tabularversitzung
statt (§§ 900, 901 BG.). Außerdem gibt es bezüglich des Eigentums nur noch eine Ersitzung
mit Hilfe des Aufgebotsverfahrens nach §J927: der Besitzer eines Grundstückes, auf welches niemand
als Eigentümer eingetragen oder dessen eingetragener Eigentümer gestorben oder verschollen
ist, kann nach 30 Jahren ein Aufgebotsverfahren betreiben mit der Wirkung, daß, wer sich nicht
meldet, ausgeschlossen wird; außerdem gilt bei Grunddienstbarkeiten ein usucapio libertatis,
wenn eine die Grunddienstbarkeit beeinträchtigende oder ausschließende Anlage 30 Jahre lang
bestanden hat (dies gilt ohne Rücksicht auf den Grundbucheintrag), §81028 BGB. Im übrigen kann
auch die Dereliktion des Eigentums an Grundstücken nicht durch Besitzaufgabe stattfinden, sondern
nur durch Erklärung zum Grundbuch, § 928 BGB. 3. über diese Dereliktion ist zu bemerken
1. Das Eigentum geht unter, es besteht nicht ein Eigentum ohne Eigentümer (vollständig
irrig die Hellwigsche Theorie); aber allerdings es besteht eine stillschweigende juristische Person
für alle die Sachen betreffenden rechtlichen Operationen (ähnlich wie bei dem nasciturus und bei
dem künftigen Nacherben); z. B. wenn eine Sewitutenklage erhoben werden soll. Vgl. S. 168.
2. Die Rechte Dritter bleiben bestehen.
3. Auch die dem Eigentümer neben dem Eigentum zustehenden Rechte, z. B. ein Grund-
dienstbarkeitsrecht, bleiben bestehen; auch eine Grundschuld des Eigentümers, jedoch nicht als
1 Ahnlich Schweizer GB. §8 959, 961. Die Vormerkung gibt eine actio in rem seripta; sic
ist grundsätzlich von der Hypothek verschieden; wird daher auf die Vormerkung verzichtet, so wird
das Grundstück einfach davon frei, und ein der Eigentümerhypothek entsprechendes Recht des Grund-
eigentümers tritt nicht ein; vgl. I§ 886, 1169 BGB., Kammergericht 11. Juli 1902, Mugdan V
S. 390. Der unbekannte Vormerkungsberechtigte kann kraft Aufgebots ausgeschlossen werden,
*#887 BGB. Die Vormerkung ist auch besonders bedeutsam für die Sicherung des Wiederkaufs-
rechts, Kammergericht 15. Juni 1908 Entsch. f. Gerichtsb. IX S. 263. Vgl. auch über Vor-
merkung Philipson, Die Vormerkung (1903) S. 50 f., und unten S. 46.
* Man spricht hier von Publizitätsprinzip. Daß dieses natürlich stets nur eine relative, keine
absolute Sicherheit herbeiführen kann, ist selbstverständlich und habe ich niemals verkannt, sondern
in meinen 12 Studien II S. 40 deutlich ausgesprochen. Wenn Herbert Meyer, Publizitäts-
prinzip (1909 S. 96) aus meinen Ausführungen das Gegenteil herausliest, so ist dies sein eigenes
Ungemach: mich trifft keine Schuld.
' Uber diesen durchaus nicht seltenen Fall und die daran sich anschließenden Fragen, ins-
besondere auch §§ 58, 787 3PO., vgl. Bendix, Arch. f. b. R. XXXII S. 155 f. und Leonhard
ebenda XXXV S. 369 f.