Bürgerliches Recht. 55
der Erwerber das Eigentum mit der Pflicht, das Mietverhältnis auszuhalten, sofern der Mieter
es will, § 986 BGB .
§ 39. Ein wichtiger Grundsatz beim Erwerb der beweglichen Sachen ist der bekannte
germanische Satz „Handmuß Hand wahren“ (( 935). Der gutgläubige Erwerber erwirbt
mehr Rechte, als der Ubertragende hatte: er wird Eigentümer, auch wenn der Ubertragende
ein Nichteigentümer, er wird reiner Eigentümer, auch wenn der übertragende ein belasteter
Eigentümer war?2; vorausgesetzt ist, daß
1. der Erwerber die Sache realiter, also in den unmittelbaren Besitz erwirbt,
2. daß die Sache nicht eine gestohlene oder verlorene, also nicht eine dem Eigentümer gegen
seinen Willen abhanden gekommene ist; der Hauptfall ist der, wenn der Besitzer die Sache einem
anderen zur Aufbewahrung oder zum Gebrauch überlassen und dieser sie unterschlagen hat: denn
hier war es Aufgabe des Besitzers, eine vertrauenswürdige Person auszuwählen.
3. Vorausgesetzt wird endlich, daß der Erwerber in gutem Glauben erworben hat. Als
guter Glaube wird es bezeichnet, wenn dem Erwerber das Nichteigentum des Veräußerers
unbekannt ist und ihn hierbei auch keine grobe Fahrlässigkeit trifft (§ 932 BGB.). Dem muß
aber der Fall gleichstehen, wenn er sich in ähnlicher Weise über die Vollmacht des verfügenden
Vertreters täuschte, indem er irrig glaubte, daß dieser zur Veräußerung der fremden Sache
bevollmächtigt sei. § 366 HGB. ist eine unnötige und völlig unzutreffende Sonder-
lichkeit 5.
Sachen, die auf dem Wege öffentlicher Versteigerung erworben sind, werden Eigentum,
auch wenn sie gestohlen oder verloren waren; dasselbe gilt aber auch von Geld und Inhaber-
papieren überhaupt. Die Begünstigung des öffentlichen Erwerbs ist urgermanisch 4; die Be-
günstigung der Inhaberpapiere beruht auf den dringenden Bedürfnissen des modernen Verkehrs.
Endlich ist der Erwerb beweglicher Sachen noch weiter beherrscht durch das Institut der
Ersitzung. Nach dem BG#. gilt eine 10jährige Ersitzung, kraft gutgläubigen Erwerbs und fort-
dauernden guten Glaubens. Ein besonderer Titel wird nicht erfordert; es genügt daher auch
ein vermeintlicher Titel, z. B. ein vermeintliches Kaufgeschäft; wesentlich ist nur so viel, daß eine
Grundlage für den guten Glauben gegeben ist. Die Ersitzung wird unterbrochen 1. durch Klage-
erhebung, aber nur relativ, soweit es sich um den Kläger oder seine Rechtsnachfolger handelt,
2. durch Verlust des Besitzes, absolut, aber nur dann, wenn der Besitz nicht innerhalb eines Jahres
oder kraft einer innerhalb des Jahres erhobenen Klage wiedererlangt wird (§§ 937—945). Ahnlich
das Schweizer GB. a. 728, nur mit e ner sachgemäßen Verkürzung der Frist auf 5 Jahre.
I) Eigentumsansprüche.
l 40. Der Eigentümer hat einen Anspruch gegen denjenigen, der ihm den Besitz vor-
enthält. Das ist die römische rei vindicatio (Eigentumsanspruch), welcher Anspruch bei uns in einer
dem römischen Rechte ziemlich entsprechenden Weise gestaltet ist. Nur ist hier manches näher
ausgearbeitet, insbesondere auch das Recht der Verwendungen, und in der Fruchtlehre ist der
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1 Dieselben Grundsätze, wie für die unbedingte, gelten auch für die bedingte Eigentumsüber-
tragung; vgl. Flatau, Pfändung des aufschiebend bedingten Eigentumsrechts (1909), S. 27 f.
* Uber die innere Berechtigung des Satzes vgl. Alfred Schultze, Jahrb. f. Dogm. 49
S. 184 f., Saleilles, Possession des meubles (1907), p. 139 ff. Gegen den ganz verfehlten Versuch
Bindings, die Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs vom Nichteigentümer darzutun, vgl.
Neubecker in Goltd. Arch. 55 S. 145 f. Beklagen möchte ich, daß selbst ein so vorzüglicher
Germanist wie Meister, Fahrnißverfolgung und Unterschlagung, in Festgabe f. Wach, mit un-
stichhaltigen Gründen dem deutschrechtlichen Satze entgegentritt.
Viel besser ist das Schweizer GB. a. 714 gefaßt: „Wer in gutem Glauben eine bewegliche
Sache zu Eigentum übertragen erhält, wird, auch wenn der Veräußerer zur Eigentumsübertragung
nicht befugt ist, deren Eigentüumen “ ·
* Val. Stadtrecht Viterbo (1251) IV 152, Montefeltro (1384) II 31 (Collez. Marchig.
III p. 315). Das Schweizer Recht geht, ähnlich dem Code Napoléon. insofern weiter, als in ge-
wissen Fällen die gestohlene Sache nur gegen Erstattung des Kaufpreises vindiziert werden kann,
so, wenn die Sache auf dem Markt oder bei einem entsprechenden Kaufmann gekauft worden ist,
à 934 Schweizer GB.