Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

58 J. Kohler. 
derartiges Rechtsverhältnis hat den großen Vorteil, daß der Eigentümer (hier die Gemeinde) 
ein starkes Kontrollrecht hat und die Möglichkeit besitzt, bestimmend auf die Bauart, auf die Preise 
und die Mietsbedingungen einzuwirken. Die große wirtschaftliche Bedeutung des Erbbaurechts 
für die Wohnungsverhältnisse ist an anderer Stelle auszuführen, hier ist nur zu bemerken, daß 
die Gemeinden davon reichlichen Gebrauch gemacht haben; manchmal suchten sie allerdings 
dadurch Ahnliches zu erreichen, daß sie Grund und Boden veräußerten und sich ein Wiederkaufs- 
recht vorbehielten. Vgl. meine Schrift: Recht und Persönlichkeit S. 207 f. 
Das Erbbaurecht gibt dem Erbbauberechtigten die Möglichkeit, ein Gebäude zu errichten, 
und er erlangt dadurch das Eigentum an dem Gebäude, zugleich aber ein dingliches Recht an 
dem bebauten Grund und Boden, und außerdem an gewissen anderen Teilen, welche für den 
Bewohner von Vorteil sind, z. B. Garten, Vorbau u. dgl. 1. Der Berechtigte kann sein Recht 
veräußern, er kann es auch mit Hypotheken belasten: gerade die hypothekarische Belastung ist sozial 
von der größten Wichtigkeit. Auch eine Dienstbarkeit ist möglich, sei es als Grunddienstbarkeit zu- 
gunsten des Eigentums oder als persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Eigentümers?; auch davon 
haben die Städte Gebrauch gemacht, z. B. so daß ein Kontrollrecht als Dienstbarkeit bestellt wurde W. 
Regelmäßig ist das Erbbaurecht auf eine Reihe von Jahren beschränkt; auch kann es an 
Bedingungen geknüpft werden, so daß z. B. der Eigentümer das Recht hat, es auch schon vor 
Ablauf der Zeit unter bestimmten Voraussetzungen zurückzunehmen. Auch ist eine Vormerkung 
zu dem Zweck möglich, daß der Erbbauberechtigte nur mit Zustimmung des Eigentümers sein Recht 
veräußern kann 4. Im übrigen wird die Bestellung des Erbbaurechts ähnlich der Eigentums- 
übertragung behandeltö, aber natürlich so, daß sofort bei der Bestellung Bedingungen und Be- 
fristungen festgesetzt werden können; für die Ubertragung des Erbbaurechts aber gelten die Grund- 
sätze der Eigentumsübertragung vollkommen, §§ 1015, 1017 BE#B., und ebenso gelten für die 
Hypothekenbestellung dieselben Grundsätze wie für die Hypothek am Eigentum. 
Von Bedeutung ist auch das Vorkaufsrecht; dieses enthält an und für sich einen 
schuldrechtlichen Anspruch, kraft dessen der Berechtigte verlangen kann, daß im Falle einer 
Veräußerung an einen Dritten die Sache zunächst ihm zum Kaufe angeboten wird. Dieses 
Recht kann aber durch Eintragung ins Grundbuch verdinglicht werden; es kann als dingliches 
Recht einer Person eingeräumt werden (im Zweifel unvererblich) oder auch einem Grund- 
stück, d. h. dem jeweiligen Eigentümer des Grundstückes. Dies hat große wirtschaftliche Bedeutung. 
Ein Grundstück würde beispielsweise durch Verbindung mit einem anderen bedeutend gewinnen, 
der andere will es aber einstweilen nicht veräußern: hier kann bestimmt werden, daß, wenn er 
es in Zukunft doch veräußert, dann zugunsten jenes Grundstücks ein Vorkaufsrecht gilt, und daß, 
wenn eine Veräußerung im Widerspruch damit stattfindet, der Vorkaufsberechtigte vom Erwerber 
unter Zahlung des Kaufpreises die Übertragung verlangen kann: das Vorkaufsrecht wird zum 
Retraktrecht, zur Losung, zum Zugrecht; vgl. darüber BGB. F 504 f., § 1094 f. . 
gegnerischen Standpunkt Grünberg, Bauten auf fremdem Grund (1903), S. 71 f. Uber die 
englische building lease vgl. Schuster, J. W. 42 S. 625. 
1 Orientalische Rechte kennen auch ein Baumeigentum, solches ist aber weder im BGB. 
#& 1012, 1013 noch im Schweizer 86 B. a. 675, 678 gestattet. Auch das Stockwerkeigentum ist 
beschränkt, S 1014, a. 131, 182 56 5. a. 675 Schweiz. 86. 
!* Vagl. T osetti, P ch. f. b. RP. XXXVIII S. 128, OLG. Darmstadt 29. Dezember 1908 
Entsch. freiw. G. X S. 7 
*Allerdings nimmt dvs Kammergericht 3. Dezember 1900 und ihm folgend das RG. 11. Ok- 
tober 1905 Entsch. 61 S. 538 an, daß eine persönliche Dienstbarkeit nur möglich ist, wenn ihr Inhalt 
der physischen oder juristischen Person einen wirtschaftlichen Vorteil bringt, nicht wenn es sich nur 
um eine Fürsorge im öffentlichen Interesse handelt; dies ist aber eine ganz unzulässige Beschränkung. 
Warum das Recht so auslegen, daß etwas Unzuträgliches herauskommt? Sollen die Gemeinden 
nicht für das öffentliche Wohl sorgen dürfen? Sollten solche Bestimmungen nichtig sein? 
Sollte etwa anderseits der Staat nicht eine Servitut erwerben können zur Sicherung des Be- 
triebs einer Strafanstalt? Vgl. unten S. 80. 
*Vgl. Kammergericht 5. Oktober 1908 Entsch. freiw. Gerichtsb. IX S. 271. 
* Auf Antrag (nötigenfalls auch von Amts wegen) ist für das Erbbaurecht ein eigenes Grund- 
buchblatt anzulegen, § 7 Grundb O. 
* Das Vorkaufsrecht findet sich besonders in langfristigen Pachtverträgen, namentlich bei 
Hotels, Gastwirtschaften, gewerblichen Anlagen; vorwiegend ist das subjektiv persönliche, seltener 
das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht, Segall, Arch. f. b. R. XXXII S. 426.
	        
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