Bürgerliches Recht. 59
d) Nießbrauch.
t 43. Der Nießbrauch ist nach römischer Weise gestaltet, insbesondere auch in der
Art, daß der Ususfrukt an verbrauchbaren Sachen zum uneigentlichen Nießbrauch wird, so daß
die Nießbrauchssachen in das Eigentum des Nießbrauchers übergehen und er nur s. Z. den Wert
zu ersetzen hat. Diese Weise der Gestaltung ist nicht zweckmäßig, und es wäre besser gewesen,
das BG#B. hätte sich hier von der Eigenart des römischen Rechts losgemacht und diesen
Fall dahin gestaltet, daß der Nießbraucher Nießbraucher der Sachen bleibt, aber kraft seines
Nießbrauchs über die verbrauchbaren Sachen verfügen darf; ganz ähnlich, wie dies für die
eheliche und elterliche Nutznießung in §§ 1376 und 1653 BG#B. bestimmt ist. Denn die römisch-
rechtliche Gestaltung führt zu dem schweren Nachteil, daß, wenn der Nießbraucher in Konkurs
kommt, der Eigentümer die (in das Eigentum des Nießbrauchers geratenen) Nießbrauchssachen
nicht vindizieren kann, sondern nur schuldrechtlicher Restitutionsgläubiger und als solcher auf einen
blanken Konkursanspruch beschränkt ist. Dies ist um so mißlicher, als das BGB. den Kreis der ver-
brauchbaren Sachen erheblich erweitert hat; es sollen nämlich auch diejenigen beweglichen Sachen
als verbrauchbar gelten, welche einem Warenlager oder einem sonstigen zu Einzelveräußerungen
bestimmten Sachinbegriff angehören (I§ 92 ck. 1035 BGB.). Wenn daher jemand an einem
Laden, an einem Warenhaus oder dgl. einen Nießbrauch erwirbt, so wird er der volle Eigentümer
aller in den Magazin= und Ladenräumen befindlichen Waren und nur zur Werterstattung ver-
pflichtet! Man hat hier vergessen, daß es auch einen Verfügungsnießbrauch gibt, dessen Grund-
züge längst vor dem BE#B. wissenschaftlich erörtert worden waren 1.
Eine wichtige Neuheit unseres Gesetzes ist, daß das Recht des Nießbrauchers, auch wenn
es einer juristischen Person zusteht, erst mit der Person erlischt, so daß hiernach die juristischen
Personen einen ewigen Nießbrauch erwerben können (§ 1061 BGB.). Dies gilt ebenso von den
beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten nach Maßgabe des § 1090 BGB. Für letztere ist dies zu-
treffend, für den Nießbrauch nicht, denn gegen einen ewigen, das Eigentum ständig absorbierenden
Nießbrauch sprechen erhebliche Gründe 2. Ist auf solche Weise das Gebrauchsrecht bei juristischen
Personen mehr als ausgiebig gestaltet, so hat das Gesetzbuch sich bezüglich der physischen Personen
wieder recht unvorsichtig gezeigt und die Industrie schwer gefährdet. Wie, wenn der Fabrikant A.
das Recht erwirbt, über das Grundstück des B. einen elektrischen Strom zu leiten? Stirbt A, so ist
das Recht dahin, §§ 1090, 1061 BGB. Unglaublich! Nun könnte man ja in einem solchen Falle
immerhin an eine Grunddienstbarkeit denken, die dem Fabrikgrundstück zukäme allein auch dies
genügt dem Sachverhalt nicht, denn möglicherweise kann die Fabrik auf ein anderes Grundstück
verlegt werden und das Elektrizitätsbedürfnis weiterbestehen. Hier wird man anzunehmen haben,
daß trotz der 88 1090 und 1061 ein Gebrauchsrecht zugunsten des Unternehmens begründet
werden kann und daß es besteht, solange das Unternehmen dauert, auch wenn die physische
Person stirbt 8.
Der Nießbraucher hat nicht nur ein Recht zum Selbstgenuß, sondern auch zum Genuß durch
einen anderen, z. B. durch einen Mieter oder Pächter, § 1056; er kann zwar nicht den Nießbrauch
übertragen, wohl aber ein dingliches Recht daraus ableiten und es einem Dritten gewähren,
was man mit dem nichtssagenden Ausdruck „Übertragung der Ausübung des Nießbrauchs"
bezeichnet, § 1059 4.
1 Jahrb. f. Dogmat. 24 S. 187f. Unzutreffend auch das Schweizer GB. a. 72: der Nießbrauch
an verbrauchbaren Sachen wird hier, wenn nicht anders bestimmt ist, Quasiususfrukt; der Nießbrauch
an sonstigen geschätzten Sachen wird Verfügungsnießbrauch! Über den Verfügungsnießbrauch
neuerdings auch Krückmann, Arch. f. ziv. Prax. 103 S. 286 f.
Das Schweizer G. a. 749 nimmt hier mit dem gemeinen Recht ein Erlöschen nach 100 Jahren
an, nicht so bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, a. 781. Beides ist zutreffend: auch hier
hat das Schweizer GB. das Richtige getroffen. Z Z »
ur “ So auh treffend das Schweizer GB. a. 781 und dazu mein Aufsatz in der Rhein. Zeitschr.
.409, 419 f.
UAuch das Schweizer GB. a. 788 hat den nichtssagenden Ausdruck: der Nießbrauch kann
„zur Ausübung" übertragen werden. Die Übertragung der Ausübung ist nichts anderes als die
Bestellung eines jus in re innerhalb des Nießbrauchs. Gegen die völlig abwegigen und ver-
wirrenden Ausführungen Hellwigs über Rechtsausübung vgl. Hirsch, Z. f. Ziv. Prozeß
. 48.