Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Grundzüge des Handelsrechts. 111 
Bezeichnung „Verkehrsordnung“ gegebenen Bestimmungen als Rechtsnormen gelten sollen, 
so ist dieser Erfolg auch eingetreten. Die Vorschriften der Verkehrsordnung sind daher, soweit 
sie dem Gesetz nicht widersprechen, allseitig bindende Rechtssätze. Die gesetzlichen Verpflich- 
tungen der Eisenbahnen können durch die Verkehrsordnung nicht ausgeschlossen oder beschränkt 
werden; die Sätze der Verkehrsordnung selbst aber sind schlechthin (also auch in Ansehung der 
Rechte der Eisenbahnen) zwingendes, der vertragsmäßigen Abänderung entzogenes Recht 
(§+ 471). 
Ein dem Handelsgesetzbuch vorgehendes Gesetzesrecht gilt für den internationalen 
Eisenbahnfrachtverkehr zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern auf Grund des Berner 
Vertrages v. 14. Okt. 1890 und der Zusatzvereinbarungen v. 16. Juli 1895, 16. Juni 1898 u. 
19. Sept. 1906. Es erstreckt sich jetzt auf Deutschland, Osterreich-Ungarn, Belgien, Frankreich, 
Italien, Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Schweden, Rumänien, Bulgarien 
und Serbien. Inhaltlich stimmt dieses internationale Recht, da es im wesentlichen auf deutscher 
Grundlage ruht, im übrigen aber das neue HG#B. und die neuen Verkehrsordnungen sich ihm 
vielfach angepaßt haben, in der Hauptsache mit dem für den inneren Verkehr geltenden Recht 
überein. 
Das neue H#B. regelt im Gegensatz zum alten HG., wie die aus diesem Grunde ge- 
änderte Überschrift des Abschnittes anzeigt, auch die nicht zu den Frachtgeschäften gehörige 
Personenbeförderung auf den Eisenbahnen. Diese Regelung besteht aber lediglich 
in einer Verweisung auf die Verkehrsordnung (§ 472). Somit sind hier ausschließlich die in 
der Verkehrsordnung enthaltenen Rechtssätze (die allgemeinen Bestimmungen der §# 3—9 
und die besonderen der Is 10—29) maßgebend. 
2. Beförderungspflicht. Die Eisenbahnen dürfen Frachtanträge nicht grundlos 
ablehnen und müssen die Güter nach der Reihenfolge der Vertragsschlüsse befördern, widrigen- 
falls sie für Schadensersatz haften. Der Kontrahierungszwang gilt nach dem H#G. bei An- 
trägen auf Güterbeförderung nach jeder für den Gütewerkehr eingerichteten Station des Deut- 
schen Reichs, ist aber durch das internationale Recht erweitert. Er fällt weg, wenn der An- 
tragende sich den allgemeinen Beförderungsbedingungen nicht unterwirft, die Beförderung 
verboten ist, die Güter sich zur Beförderung nicht eignen, die Beförderung mit den regel- 
mäßigen Beförderungsmitteln nicht ausgeführt werden kann oder höhere Gewalt entgegen- 
steht. Auch braucht die Eisenbahn Güter nicht früher, als die Beförderung möglich K, als 
Frachtführer zu übernehmen, hat sie aber der Regel nach einstweilen in Verwahrung zu nehmen. 
Eine Beförderung außer der Reihe ist aus zwingenden Gründen des Eisenbahnbetriebs (Eil- 
gut, Viehzüge usw.) oder im öffentlichen Interesse zulässig. (HG. §5 453; VO. 8F§ 3, 53—54, 
63—64; besondere Bestimmungen für den Transport von Leichen in ös 44—47, für den von 
lebenden Tieren in S5 48—52; BV. Art. 8, 15). — Die Beförderungsbedingungen sind großen- 
teils durch die Verkehrsordnung ein für alle Mal festgesetzt. Soweit die Vertragsfreiheit nicht 
grundsätzlich ausgeschaltet ist, wie namentlich in Ansehung der Höhe der Frachtsätze und der 
Transportfristen, darf doch nur nach Maßgabe gehörig veröffentlichter Tarife, die eine gleich- 
mäßige Behandlung aller verbürgen, kontrahiert werden (VO. 8§ 6, 60, 68—70, 72, 75). 
3. Vertragsschluß. Der Vertrag wird durch Annahme des Frachtsguts mit dem 
Frachtbrief, der hier stets auszustellen und unter Benutzung eines bestimmten Formulars ab- 
zufassen ist, geschlossen; die Anerkennung der Verpflichtung laut Frachtbrief seitens der Eisenbahn 
wird aber erst durch eine Abstempelung vollzogen. Auf Wunsch des Absenders (im internationalen 
Verkehr stets) wird dem Absender ein mit Empfangsbescheinigung versehenes Frachtbrief- 
duplikat ausgehändigt, das insofern einen „halben Ladeschein“ darstellt, als die Verfügungs- 
macht des Absenders gegenüber der Eisenbahn durch seine Vorlegung bedingt ist (HG#B. F 455; 
VO. ö§s 55—61, 73; BV. Art. 8, 15.) 
4. Haftung. Die Haftung der Eisenbahn ist insofern strenger als die jedes anderen 
Frachtführers, als die Eisenbahn gemäß dem für sie festgehaltenen älteren Recht sich von der 
Verantwortlichkeit für Verlustoder Beschädigung nur durch den Nachweis befreien 
kann, daß der Schade durch eigenes Verschulden des Geschädigten oder höhere Gewalt oder 
äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung oder die natürliche Beschaffenheit der Güter
	        
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