120 Otto v. Gierke.
für Stauung nach Seemannsgebrauch, für Beobachtung auch ausländischer Vorschriften und
für rechtzeitigen Antritt und ordnungsmäßige Ausführung der Reise zu sorgen (§§ 513—510).
Er muß die Führung des Schiffes persönlich besorgen; bei Gefahr und auf See muß er außer
dem Falle dringender Notwendigkeit an Bord sein; im übrigen darf er vom Beginn des Ladens
bis zur Beendigung des Löschens das Schiff nicht gleichzeitig mit dem Steuermann verlassen,
ausgenommen in dringenden Fällen nach Bestellung eines geeigneten Vertreters; hält er bei
Gefahr einen Schiffsrat, so kann dieser ihn weder binden noch entbinden (§§# 517—518). Ihn
trifft fermer eine doppelte Beurkundungspflicht. Einmal ist, soweit nicht kleinere Fahrzeuge
durch Landesgesetz befreit sind, auf jedem Schiffe ein Tagebuch zu führen, in das täglich
alle für die Reise erheblichen Begebenheiten einzutragen sind; die Führung erfolgt regelmäßig
durch den Steuermann unter Aussicht des Schiffers, beide aber haben zu unterschreiben (§5 519
bis 521). Sodann hat der Schiffer unverzüglich bei jedem für Schiff oder Ladung nachteiligen
Unfall unter Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder doch einer genügenden Anzahl
von ihnen im Bestimmungshafen, Nothafen oder am ersten geeigneten Orte eine Ver-
klarung (Seeprotest) abzulegen; die Verklarung findet im Gebiete des HGB. vor Gericht
(sonst vor der örtlich zuständigen Behörde) statt, muß alle zur Aufklärung dienlichen Tatsachen
feststellen und ist vom Schiffer und den sonst zugezogenen Personen zu beschwören (§8 522
bis 525). Der Schiffer ist endlich dem Reeder zur Einhaltung der ihm auferlegten Beschrän-
kungen, zur Benachrichtigung von wichtigen Vorfällen, zur Einholung von Verhaltungsmaß-
regeln, soweit dies tunlich ist, und zur Rechnungslage verpflichtet (§ 534), muß alle empfangene
Vergütung (einschließlich „Kaplaken“ und „Primage"') herausgeben (§ 543) und darf keine Güter
für eigene Rechnung verladen (§ 544); zugleich aber schuldet er den Ladungsbeteiligten möglichste
Fürsorge für das Beste der Ladung (§ 535 Abs. 1).
Den Pflichten des Schiffers entsprechen Befugnisse, die sowohl dem Reeder wie
den Ladungsbeteiligten gegenüber in bestimmtem Umfange gesetzlich festgesetzt sind. Innerhalb
seines gesetzlichen Befugnisbereiches vertritt er ohne besondere Vollmacht den Reeder mit
der Wirkung, daß durch ein von ihm geschlossenes Rechtsgeschäft der Reeder berechtigt und mit
dem Schiffsvermögen verpflichtet, er selbst dagegen nicht verpflichtet wird (§ 533); Beschrän-
kungen kann der Rceder einem Dritten nur entgegensetzen, soweit sie diesem bekannt waren
(6 531). Diese gesetzliche Vollmacht des Schiffers erstreckt sich, solange das Schiff sich im Heimats-
hafen befindet, nur auf die Annahme der Schiffsmannschaft (§ 526); außerhalb des Heimats-
hafens umfaßt sie alle Geschäfte und Rechtshandlungen zur Ausrüstung, Bemannung und Ver-
proviantierung des Schiffes und zur Ausführung der Reise mit Einschluß von Frachtverträgen
und Klagen (5 527); ferner Kreditgeschäfte aller Art (Darlehen, Borgkäufe, Bodmerei), wenn
und soweit sie zur Erhaltung des Schiffes oder zur Ausführung der Reise notwendig sind (§ 528);
endlich den Verkauf des Schiffes in öffentlicher Form, sobald eine dringende Notwendigkeit
vorliegt und gehörig festgestellt ist (#§ 530). Den Ladungsbeteiligten gegenüber ist
der Schiffer insbesondere befugt, zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes der
Ladung selbst Güter zu löschen oder äußerstenfalls zu verkaufen oder zu verbodmen, auch
ihre Wiedererlangung gerichtlich oder außergerichtlich zu betreiben, bei einer durch Zufall ver-
änderten Richtung der Reise den Umständen nach zu verfahren und in Notfällen auch behufs
Fortsetzung der Reise Güter zu verbodmen oder zu verkaufen (§§s 535—542).
Die Entlassung des Schiffers durch den Reeder kann selbst bei gegenteiliger Abrede
jederzeit erfolgen, jedoch unbeschadet seines Anspruchs auf Entschädigung (& 545). Was der
Schiffer im Falle vorzeitiger Entlassung an Heuer und sonstiger Vergütung (insbesondere für
Rückbeförderung) zu fordem hat, ist je nach dem Grunde der Entlassung genau bestimmt
(88 546—550, zum Teil abgeändert durch Novelle vom 2. Juni 1902); ist er vertragsmäßig
als Mitreeder beteiligt, so kann er Übernahme seiner Schiffspart zum Schätzungswert ver-
langen (§5 552). Nach Ablauf längerer Zeit kann der auf unbestimmte Zeit angestellte Schiffer
seinerseits die Entlassung fordern (§ 551). Besonders geregelt sind die Verpflichtungen des
Reeders im Falle der Erkrankung oder Verwundung des Schiffers (§&§ 553—553 b nach Novelle
vom 2. Juni 1902) und im Falle seines Todes (§ 554), sowie die Pflichten und Rechte des Schiffers,
die noch nach dem Verluste des Schiffes bestehen (§ 555).