Grundzüge des Handelsrechts. 121
2. Binnenschiffahrtsrecht. Der Führer eines Binnenschiffes, der gleichfalls
„Schiffer“ heißt, hat gegenüber dem Schiffseigner und allen anderen Beteiligten eine ähn—
liche Rechtsstellung wie der Seeschiffer (BSchG. 88 7 20). Doch ist er minder selbständig
und wird daher regelmäßig durch eine Anweisung des Schiffseigners den übrigen Beteiligten
gegenüber gedeckt (§ 7 Abs. 2). Seine Verpflichtungen hinsichtlich der Fürsorge für Schiff,
Reise und Ladung sind den Verhältnissen der Binnenschiffahrt angepaßt (§§ 8—10), bei einem
Unfall ist er immer berechtigt, aber nur auf Verlangen des Schiffseigners oder eines Ladungs-
beteiligten verpflichtet, eine der Verklarung ähnliche Beweisaufnahme herbeizuführen (§§ 11
bis 14). Auch er hat kraft seiner Anstellung gesetzliche Befugnisse, deren vertragsmäßige Ein-
schränkung einem Dritten nur im Falle der Kenntnis entgegengehalten werden kann; doch hat
seine gesetzliche Ermächtigung zur Vertretung des Schiffseigners einen weit geringeren Umfang
als nach Seerecht und erstreckt sich nur auf die Ausstellung von Ladescheinen und auswärts auf
die Einziehung von Frachtforderungen und auf die Vornahme der zur Ausführung der Reise
erforderlichen Geschäfte und Rechtshandlungen, dagegen niemals auf den Abschluß von Fracht-
verträgen und auf die Verpfändung oder Veräußerung des Schiffes (§§ 15—19). Als Vertreter
der Ladungsbeteiligten kann er nur, wenn die Einholung einer Anweisung untunlich ist, selb-
ständig die zur Anwendung oder Verringerung eines Verlustes erforderlichen Maßregeln treffen
(F 10 Abs. 3). Für sein Dienstverhältnis gilt die Gewerbeordnung mit einigen Abweichungen;
gleich dem Seeschiffer kann er unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche jederzeit entlassen
werden (9 20).
Der Floßführer kann Angestellter des Floßeigentümers oder eines Frachtflößers,
der die Beförderung des Floßes übernommen hat, oder selbst Frachtflößer sein (FlG. 8 1).
Er hat gesetzliche Verpflichtungen, für deren Erfüllung mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Floßführers er gleichfalls allen Beteiligten (dem Dienstherrn, dem Absender, dem Empfänger,
der Floßmannschaft) haftet (§§ 2—14). Eine gesetzliche Vertretungsbefugnis hat er nicht (§ 15).
Dienstverhältnis wie beim Binnenschiffer (§ 10).
Literatur: Lewis b. Endemann IV 74 f. Wagner, Handb. I I# 34—38,
43—44, 48—59, Pappenheim II s 31 ff. Cosack §J 37#. K. Lehmann s§ 46—48.
Eohe H0. ö Is, Die Stellung des Kapitäns im deutschen Seehandelsrecht, Z. f. HR. LVII 336 ff.,
g ###. Die Schiffsoffiziere und die Schiffsmannschaft.
1. Seerech t. Das alte HGB. enthielt einen besonderen Titel über die „Schiffsmann-
schaft“ (Tit. 4 Art. 528—556), der aber schon durch die Seemannsordnung vom 27. Dezember
1872 aufgehoben und ersetzt wurde. An ihrer Stelle ist mit dem 1. April 1903 die neue See-
mannsordnung vom 2. Juni 1902 in Kraft getreten (mit einzelnen Abänderungen durch RG.
v. 23. März 1903 u. 12. Mai 1904). Sie ist ein umfassendes Spezialgesetz, das Privatrecht
und öffentliches Recht enthält.
Seit alter Zeit bildet die Schiffsbesatzung eine personenrechtliche Gemein-
schaft, die im Mittelalter genossenschaftlich organisiert war, heute dagegen einen Herrschafts-
verband darstellt. Das Haupt dieser Gemeinschaft ist der Schiffer oder sein Stellvertreter
(zunächst der Steuermann) als „Kapitän“; die übrigen ihr angehörigen Personen (früher als
„Schiffsmannschaft“ zusammengefaßt) zerfallen in die „Schiffsoffiziere“ und die „Schiffsmann-
schaft“ (s§ 2). Zu den Schiffsoffizieren, auf die übrigens insoweit, als nichts Besonderes be-
stimmt ist, die für die Schiffsmannschaft geltenden Regeln Anwendung finden (§ 3 Abs. 2 S. 2),
werden die eines staatlichen Befähigungsnachweises (§ 4) bedürftigen Personen, die zur Unter-
stützung des Kapitäns in der Schiffsführung angestellt sind, sowie die Ärzte, Proviant= und
Zahlmeister gerechnet. Zur Schiffsmannschaft gehören alle anderen auf dem Schiff ange-
stellten Personen außer den Lotsen, mithin nicht bloß (wie früher) die Seefahrer (Vollmatrosen,
Leichtmatrosen, Schiffsjungen), sondern auch sonstige männliche und weibliche Bedienstete.
Der Kapitän ist der Vorgesetzte aller Schiffsoffiziere und Schiffsleute, jeder Schiffsoffizier
Vorgesetzter sämtlicher Schiffsleute; weitere Verhältnisse dienstlicher Uber- und Unterordnung
können vom Reeder oder Kapitän festgesetzt werden (5 3). Grundlage der Rechtsstellung als
Schiffsoffizier oder Schiffsmann ist ein mit dem Schiffer als Vertreter des Reeders oder mit