Grundzüge des Handelsrechts. 127
(die seerechtliche Regel, nach der die Fracht auf der Ladung hafret, gilt nicht); vgl. BSchG.
§§ 27—57, 64—71. Im übrigen finden teils unmittelbar die Vorschriften für das gewöhnliche
Landfrachtgeschäft (§ 27), teils an sie anlehnende Sondewvorschriften Anwendung (oben § 85).
Literatur: W. Lewis b. Endemann IV 123 ff.; Die neuen Konnossementsklauseln
und die Stellung der Gesetzgebung ihnen gegenüber, 1885. Pappenheim, 3. f. HR. XLVI
255 ff. Wittmaack, ebenda LIlII 337 ff. Boyens 11 76—391. — Mittelstein, 3. f.
HK. XIV 641 ff. — K. Lehmann § 207—213. Cosack F#i 133—143.
§ 95. Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden. Die Beförderung von Reisenden
zur See ist ein Frachtgeschäft.
Der UÜberfahrtsvertrag, den der Verfrachter mit einem Reisenden schließt,
ist nach dem Vorbilde des Stückgütewertrages geregelt. Der Reisende kann, wenn er im
Vertrage genannt ist, sein Recht nicht abtreten (§ 664). Er muß alle die Schiffsordnung be-
treffenden Anweisungen des Schiffers befolgen (§ 665). Bleibt er zurück, weil er vor oder
während der Reise nicht rechtzeitig an Bord geht, so muß er das volle Überfahrtsgeld zahlen
(& 666). Dagegen ist nur das halbe Uberfahrtsgeld (entsprechend der Fautfracht) zu zahlen,
wenn er vor Antritt der Reise zurücktritt oder an der Reise verhindert wird (§ 667). Eine
Auflösung des Vertrags ohne Entschädigungspflicht tritt von Rechts wegen ein, wenn das Schiff
durch Zufall verloren geht, und kann durch Rücktritt des Reisenden, wenn die Reise durch
Kriegsausbruch gefährdet oder durch Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird, — durch
Rücktritt des Verfrachters, wenn er die Reise aus einem derartigen Grunde aufgibt oder ohne
Verschulden mit einem hauptsächlich zur Güterbeforderung bestimmten Schiff die Güterbeförde-
rung nicht ausführen kann, herbeigeführt werden; in allen diesen Fällen hat, falls die Auflösung
erst nach Antritt der Reise erfolgt, der Reisende das Überfahrtsgeld für die zurückgelegte Strecke
(entsprechend der Distanzfracht) zu zahlen (§§ 668—670; über das Verhältnis bei Reiseunter-
brechung durch Ausbesserung des Schiffs § 671). Auf das Reisegut finden die Regeln über
Frachtgüter in Ansehung der Haftung des Verfrachters und des ihm zustehenden Pfandrechts
entsprechende Anwendung (§§ 672—675). Die Uberfahrtsgelder stehen der Fracht gleich (§ 677).
Die Charterung eines Schiffs, das einem Unternehmer zur Beförderung von Reisen-
den ganz oder teilweise oder auf eine unbestimmte Personenzahl verfrachtet wird, untersteht
den für die Charterung zur Güterbeförderung geltenden Regeln, soweit die Natur der Sache
ihre Anwendung zuläßt (§ 670).
Die Beförderung von Auswanderern, hunsichtlich deren das HGB. einen Vorbehalt
für die Landesgesetze macht (§ 678), ist seitdem in der Hauptsache durch das Reichsgesetz über
das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 geregelt. Neben der Ordnung des (an frei ver-
sagbare Konzession gebundenen) Gewerbebetriebes der Unternehmer und Agenten enthält das
Gesetz privatrechtliche Bestimmungen, die durch das Erfordernis der Schriftform für den Vertrag
mit Auswanderern, durch Einschränkungen der Vertragsfreiheit, durch Schutz der Auswanderer
gegen Nachteile aus Verzögerung oder Unterbrechung der Reise, durch Gewährung des An-
spruchs auf Rückerstattung des vollen oder noch nicht verdienten Überfahrtsgeldes bei unver-
schuldeter Verhinderung an Antritt oder Fortsetzung der Reise und durch persönliche Haftbar-
machung des Unternehmers wie des Schiffers für Seetüchtigkeit, Einrichtung, Ausrüstung und
Verproviantierung des Schiffs nach Maßgabe amtlich kontrollierter Gesetzesvorschriften das
gewöhnliche Seefrachtrecht abändern.
Literatur: Lewisb. Endemann IV 228 ff. Boyens II 392 ff. K. Lehmann
216 Z. 2—3.
8 9. Bodmerei. Bodmerei ist ein Darlehnsgeschäft, das der Schiffer kraft seiner ge-
setzlichen Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht
und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingeht, daß der
Gläubiger sich nur an die verbodmeten Gegenstände nach der Ankunft des Schiffs am Endort
der Bodmereireise halten kann (§ 679).
Die Bodmerei ist im Mittelalter im germanischen Rechtsgebiet auf Grund des germani-
schen Pfandrechts mit reiner Sachhaftung ausgebildet. Später wurde sie vielfach mit dem
römischen foens nauticum, das sich in den Mittelmeerländern erhalten hatte, zusammen-