Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Grundzüge des Handelsrechts. 129 
§ 7. Haverei und Hilfsleistung in Schiffahrtsnot. 
1. Haverei überhaupt. Das Seerecht bezeichnet die Schäden und Kosten, die 
durch einen besonderen Unfall für Schiff oder Ladung oder beide herbeigeführt werden, als 
„Haverei“ (Havarie, vermutlich arabischen Ursprungs). Die Haverei heißt besondere 
Haverei, wenn der Eigentümer vorbehaltlich des Ersatzanspruches gegen einen Schuldigen 
den Schaden zu tragen hat gemeinschaftlicheHaverei, wenn eine Schadensverteilung 
eintritt. Zur gemeinschaftlichen Haverei gehörte früher die kleine Havere i, die gewisse, 
von dem Verfrachter (zu einem Drittel) und den Ladungsempfängern (zu zwei Dritteln nach 
Schiffslasten) gemeinschaftlich zu tragende Kosten der Schiffahrt umfaßte; das geltende Recht 
dagegen legt sie auch dann, wenn sie durch ungewöhnliche Umstände verursacht sind (z. B. 
Auseisungskosten, Schlepplohn, Lotsengeld, Quarantänegelder), dem Verfrachter allein zur 
Last (§ 621). Gemeinschaftliche Haverei ist daher nur noch die große Haverei (Havarie 
grosse); sie umfaßt die behufs Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr 
vom Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich gebrachten Opfer, die nach einem aus der 
lex Rhodia entwickelten Weltrecht von Schiff, Fracht und Ladung gemeinsam zu tragen sind 
(§ 700), jedoch einerseits mit Ausnahme gewisser derartiger Opfer, wie Schädigung durch 
Prangen (Uberanstrengen von Segel oder Maschine) und Reklamekosten (§ 707), anderseits 
unter Erstreckung auf Aufenthaltskosten infolge Kriegsausbruchs oder Verfügung von hoher 
Hand (5 635). Alle durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten, die weder zur großen 
noch zur kleinen Haverei gehören, sind besondere Haverei (§ 701). — Die Regeln über Haverei 
sind auf das Binnenschiffahrtsrecht übertragen, doch ist die kleine Haverei enger, die große 
Haverei teils weiter, teils enger begrenzt (BSch G. ös 66, 78, 82—83). 
2. Große Haverei. Die große Haverei setzt voraus, daß vom Schiffer oder auf dessen 
Geheiß vorsätzlich dem Schiff oder der Ladung oder beiden Schäden zugefügt oder für 
sie Kosten ausgewendet sind; daß dies behufs ihrer Errettung aus einer gemeinsamen 
Gefahr geschehen ist; daß die Maßregel Erfolg gehabt hat, also Schiff und Ladung min- 
destens teilweise gerettet, nicht aber entweder das Schiff oder alle Güter völlig verloren ge- 
gangen sind (§§ 700, 703; BSch G. 5 78). Ob die Gefahr verschuldet war, ist nur für die Ersatz- 
leistung von Bedeutung (§ 702; BSch G. § 79). Trifft beteiligte Gegenstände später besondere 
Haverei, so wird dadurch ihre Beitragslast nur im Falle des Totalverlustes, ihr Vergütungs- 
anspruch wegen Beschädigung nur insoweit aufgehoben, als es sich um einen selbständigen neuen 
Unfall handelt, der den Schaden, wenn er noch nicht eingetreten gewesen wäre, gleichfalls herbei- 
geführt hätte (§& 704—705; BSch G. Js 80—81). 
Ihrem Umfange nach erstreckt sich die große Haverei nicht bloß auf die unmittelbaren, 
sonderm auch auf die mittelbaren Folgen der ergriffenen Maßregel; für die Hauptfälle (See- 
wurf und gleichgestellte Fälle der Schiffsbeschädigung, ÜUberladung in Leichterfahrzeuge, ab- 
sichtliche Strandung, Abbringungskosten für zufällige Strandung, Anlaufen eines Nothafens, 
Verteidigung gegen Feinde oder Seeräuber, Loskauf von solchen, Beschaffung der Mittel zur 
Deckung und Auseinandersetzung der großen Haverei) ist der Umfang gesetzlich bestimmt (§ 706; 
teilweise abweichend BSchG. S## 82—84). 
Die Schadensberechnung erfolgt durch Abschätzung der verlorenen Werte; hin- 
sichtlich des Schiffes und seines Zubehörs werden die am Ausbesserungsort oder am Endort 
der Reise aufzuwendenden Ausbesserungskosten mit Abzügen wegen Alters, hinsichtlich auf- 
geopferter oder beschädigter Güter der Marktpreis, den sie am Bestimmungsort oder Endort 
gehabt hätten, oder der Unterschied zwischen diesem Preise und dem noch vorhandenen Ver- 
kaufspreise mit Abzügen wegen ersparter Kosten, hinsichtlich der entgangenen Fracht der Betrag, 
der dort zu entrichten gewesen wäre, zugrunde gelegt (ss§ 709—715; BöSch G. § 85 Abs. 1). 
Nicht in Ansatz kommen Beschädigungen und Verluste von Gütern, über die kein gehöriger 
urkundlicher Nachweis vorhanden ist, von nicht deklarierten Wertsachen und bei Seeschiffen 
von nicht unter Deck geladenen Gütern (§ 708; BSchB. 5 85 Abs. 2—3). 
Die Schadensverteilung erfolgt auf Schiff, Ladung und Fracht in der Weise, 
daß Schiff und Zubehör mit dem noch vorhandenen Wert und dem in Rechnung gebrachten 
Schaden, die Ladung mit dem Wert der bei Beginn der Löschung noch vorhandenen oder in 
Sicherheit gebrachten Güter, die bei der Haverei an Bord waren, und dem in Rechnung gebrachten 
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III.
	        
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