Grundzüge des Handelsrechts. 135
zur Versicherung nachweist (§ 887). Demgemäß genügt bei einer Orderpolize zur ersten Über-
tragung das Indossament des Versicherungsnehmers (§F 891 S. 2). Gegenüber dem Ver-
sicherten und dessen Gläubigern kann der Versicherungsnehmer wegen seiner Ansprüche bezüglich
des versicherten Gegenstandes die Polize zurückhalten und sich aus der Versicherungsforderung
oder den eingezogenen Versicherungsgeldern vorzugsweise befriedigen. Der Versicherer, der
durch Zahlung an den Versicherten oder dessen Gläubiger oder durch Vereinbarungen mit ihnen
das Recht des noch im Besitz der Polize befindlichen Versicherungsnehmers beeinträchtigt, macht
sich diesem verantwortlich. Mit Forderungen gegen den Versicherungsnehmer kann der Ver-
sicherer, der auf Zahlung der Versicherungsgelder in Anspruch genommen wird, nur insoweit
aufrechnen, als sie auf der für den Versicherten genommenen Versicherung beruhen. (Vgl.
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In gewissen Fällen findet das Ristorno statt, kraft dessen der Versicherungsnehmer
die Prämie zurückfordern oder einbehalten kann, dafür aber dem Versicherer als Vergütung
die „Ristornogebühr“ belassen oder zahlen muß (s 894—897). Der Hauptfall ist, wenn der
Versicherte ganz oder teilweise zurücktritt, weil die Untemmehmung von ihm ganz oder teil-
weise aufgegeben oder ohne sein Zutun der versicherte Gegenstand oder ein Teil der Gefahr
nicht ausgesetzt wird. Außerdem gilt das Ristorno, wenn die Versicherung wegen Mangels
des versicherten Interesses oder wegen Übewersicherung unwirksam ist und der Versicherungs-
nehmer beim Vertragsschluß (bei der Versicherung für fremde Rechnung auch der Versicherte
bei der Auftragserteilung) in gutem Glauben war. Hat die Gefahr schon zu laufen begonnen,
so ist das Ristorno ausgeschlossen. Die Ristornogebühr richtet sich nach Vertrag oder Orts-
gebrauch; im Zweifel beträgt sie ½ v. H. der Versicherungssumme, bei einer Prämie unter
1. v. H. aber die Hälfte der Prämie.
Im Falle der Veräußerung der versicherten Sache tritt von Rechts wegen eine
Sondernachfolge in das Versicherungsverhältnis ein. Die Vorschriften über diese (§5 899—900)
sind durch die Novelle den für den Versicherungsvertrag überhaupt geltenden Grundsätzen an-
gepaßt (vgl. § 899 mit §§ 69, 70 Abs. 2 u. 73 VVG.). Sie gelten auch für eine versicherte Schiffs-
part. Ist das Schiff selbst versichert, so gelten sie nur, wenn das Schiff während einer Reise
veräußert wird. Der Erwerber tritt an Stelle des Veräußerers in die sich während der Dauer
seines Eigentums aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Für
die Prämie haften Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner. Der Versicherer genießt
bis zu erlangter Kenntnis vom Forderungswechsel den Schutz der Is 406—408 BGB. Für
Gefahren, die nicht eingetreten sein würden, wenn die Veräußerung unterblieben wäre, haftet
er nicht. Ein Kündigungsrecht hat er nicht. Dagegen kann der Erwerber binnen einem Monate
nach dem Erwerbe oder der etwa erst später erlangten Kenntnis von der Versicherung das Ver-
sicherungsverhältnis ohne Kündigungsfrist kündigen. Damit befreit er sich von der Haftung
für die Prämie. Alle diese Vorschriften finden im Falle der Veräußerung durch Zwangsversteige-
rung entsprechende Anwendung.
Literatur: W. Benecke, System des Assekuranz= und Bodmereiwesens, 1805/21;
Umarbeitung v. Vincent Nolte, 1851/52. M. Pöhls, Darstellung des Seeassekuranzrchts,
1832/34. J. F. Boigt u. E. Seebohm, Das.deutsche Seeversicherungsrecht, 1884/87.
Reatz b. Endemann IV 320 ff. K. Lehmann 5&5 242. Gareis 5& 118. — Reatz, Ge-
schichte des europäischen Seeversicherungsrechts, 1870. L. Goldschmidt, Zur Geschichte
der Seeversicherung, Festgabe für Beseler, 1885. — Ehrenberg, Versicherung für fremde
Rechnung, Jahrb. f. D. XXX 422 ff. Hellwig, Die Verträge au Leistung an Dritte S. 576 ff. —
Bewer, Das Herrschaftsgebiet des Abandon, 3 HR. XXXVIII 372 ff. E. Aschenheim,
Der Abandon in der Seeversicherung, 1994. Linsmayer, Der Abandon, . f. HR. LIII
395 ff. — M. Benecke, Der Ristorno in der Seeversicherung, 1891. — Dazu Lewis, Lehr-
buch des Versicherungsrechts, 1889. B. Ehrenberg, Versicherungsrecht Bd. I, 1893;
Handwörterb. d. Staatswiss. 2 VIII 377 ff. Cosack # 161 ff.
§ 100. Verjährung. Die meisten seerechtlichen Ansprüche unterliegen einer
abgekürzten Verjährung. Die Forderungen der Schiffsgläubiger (ausgenommen §& 754 Nr. 10)
einschließlich der etwaigen persönlichen Ansprüche gegen den Reeder oder eine Person der
Schiffsbesatzung verjähren in einem Jahre, jedoch die Forderungen der Schiffsbesatzung aus
Dienst-oder Heuewerträgen im Falle der Entlassung jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung