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zösischen Könige, besonders Ludwig des Heiligen, der Beamten des lateinischen Kaiserreichs
(1238) 1 und vielleicht auch von italienischen Studenten 2.
3. Die ursprüngliche Form des Kampsorenversprechens war nicht die Tratte, sondern der
Eigenwechsel. Der Wechsler versprach dabei in notarieller Form, das Aquivalent für die von
ihm empfangenen Münzen entweder selbst o der durch seinen Beauftragten (Vertreter, Sozius,
Boten, per me vel meum nuntium) am fremden Orte auszubezahlen, und zwar an den Geld-
geber selbst o der an dessen Beauftragten (Vertreter, Boten, — tibi vel certo tuo nuntio).
Die Urkunde enthielt auch die Quittung über die bar empfangene Summe und Münzfsorte
(Valutaklausel); doch wurde es mit der Frage, ob und wieviel Valuta gegeben war, in der Praxis
schon frühzeitig nicht genau genommen (Adlen). Verschiedenheit von Ausstellungs= und
Zahlungsort (sog. distantia loci) und Münzoverschiedenheit bildeten die Regel. Sicherung
des Versprechens durch Pfänder und Bürgen begegnet zuweilen 3.
Zu der notariellen Urkunde des Eigenwechsels gesellte sich wohl schon im 12. oder doch
im 13. Jahrhundert noch eine zweite (ursprünglich auch notarielle) Urkunde in Anweisungs-
form, die sog. lettera di pagamento (tracta, remissa). Sie wurde nach der
freilich von Schaube u. a. bestrittenen, jetzt aber durch Lattes urkundlich erwiesenen" An-
sicht Hecks und Goldschmidts zur Ausführung der ersten Urkunde, des Eigenwechsels,
gegeben. Sie enthielt kein Zahlungsversprechen des Ausstellers an den Geldgeber, sondem
den Auftrag bzw. die Bitte 5 des campsor an seinen im Eigenwechsel vorbehaltenen Beauf-
tragten (Geschäftsfreund, Faktor oder socius), an den Vertreter des Valutengebers zu zahlen;
sie erwähnte das zugrunde liegende Geschäft, also auch die geleistete Valuta, und enthielt auch
wohl noch zugunsten des Beauftragten ein Schadloshaltungsversprechen, das durch poena dupli,
Stipulations- und Verpfändungsklausel verstärkt war; sie wurde verschlossen und gesiegelt ent-
weder dem Valutengeber selbst oder seinem Empfangsbevollmächtigten zur Legitimation ein-
gehändigt. Wurde dieser lettera di pagamento keine Folge geleistet, so haftete der campsor
ursprünglich nicht auf Grund derselben, da sie ja kein ausdrückliches Versprechen enthielt, sonderm
nur auf Grund des notariellen Eigenwechsels.
Allmählich gab man ex aequitate mercatoria bei Nichtzahlung der lettera di pagamento
schon aus der letzteren allein den Anspruch gegen den campsor, der sie ausgestellt hatte; man
erließ also die Beibringung des Eigenwechsels, indem man das Erfüllungsversprechen des Aus-
stellers im Empfangsbekenntnis subintelligierte (Baldus: videtur subintelligi). Der notarielle
Eigenwechsel kam als überflüssig und kostspielig außer Gebrauch; die Anweisung (tracta, Tratte)
wird zum alleinigen und selbständigen Wechsel; sie genoß als Kaufmannsurkunde bald auch
ohne notarielle Verbriefung volle Beweiskraft.
4. Die Verdrängung des Eigenwechsels durch die Tratte wurde noch durch zwei Umstände
gefördert. Einerseits waren vielfache Verbote gegen jede Münzausfuhr, auch gegen die Münz-
ausfuhr auf dem Wege des cambium, ergangen; die meist formlose private Tratte entzog sich
aber jeder Kontrolle. Anderseits haftete an dem Eigenwechsel, welcher zur Verdeckung wucher-
licher Geschäfte tatsächlich oft mißbraucht worden war, der Wuchewerdacht, während die Tratte
mit Ortsverschiedenheit diesem Makel nicht unterlag. Bediente sich doch selbst die Kirche der
:1 Goldschmidt S. 425 ff. N. 99 ff. Die von Valery, Une traite de Philip le Bel
in Revue gén. du droit etc., 32 u. 33, 1909 als Tratte aufgefaßte Urkunde von 1297 ist nur
eine Anweisung; vgl. Schaube in Z. f. HR. 67 S. 363.
„ Gareis, S. 627 N. 2 und die dort Zitierten (Biener, Endemann, Basser-
mann, Die Champagnermessen, S. 62).
* Als Pfandobjekte begegnen auch Reliquien (1238 die Dornenkrone Christi) und Insignien
(1251 der Thron Friedrichs II.); vgl. Goldschmidt a. a. O.; in dem angeblichen Studenten-
wechsel, der in des Rolandinus summa artis notariae (1250) enthalten ist, und der vielleicht
doch nur ein Schulbeispiel sein sollte, werden juristische Bücher verpfändet; vgl. Goldschmidt
S. 427.
* In 4 Fällen aus den Jahren 1248 bis 1254. I.attes, Nuovi documenti per la storia
del commercio e del diritto Genovese, 1910, S. 37 f., bei Silberschmidt in Z. f. HR. 69 S. 246.
* Zuweilen in flehentlichster Form; so Genueser Urk. v. 1248: „unde . . amiciciam vestram
deprecor prout possum“; vgl. Silberschmidt a. a. O.
Baldus, Consilia 1 348; Freundt S. 65; vgl. auch Goldschmidt S. 446 und
Holtius, Abhdlg., deutsch von Sutro, 1852, S. 200.