Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Wechsel-= und Scheckrecht. 149 
Das englisch-amerikanische Recht steht dem deutschen in vielen Beziehungen näher als 
dem französischen; dennoch nimmt es eine Sonderstellung ein, zumal die Formstrenge zurück- 
tritt und (im Interesse der Billigkeit) individuelle Momente berücksichtigt werden. — Ubrigens 
ist die Trennung der Gruppen keine ganz scharfe; „überall laufen die Grenzen ineinander“ 1. 
Ohne besonderes Wechselrecht sind China, der Kongostaat, Montenegro, Andorra, Persien 
und Siam 2. 
VI. Die Verschiedenheit der Wechselgesetzgebungen schädigt den Weltwechselverkehr; sie 
ist weniger durch die Nationalität als durch den verschiedenen Zeitpunkt der Kodifikation und 
die temporär herrschenden theoretischen Auffassungen herbeigeführt. Die Herstellung eines 
einheitlichen Wechselrechts ist daher seit Marperger (1709), Schrottenfels (1715) 
und Accarias de Sérionne (1760) oft gewünscht worden 3. 
Das im deutsch-französischen Kriege erlassene Wechselmoratorium und seine Konsequenzen 
machten das Bedürfnis einer Wechselrechtseinheit besonders fühlbar. Eine Reihe von Ent- 
würfen eines Weltwechselrechts wurden aufgestellts, insbesondere " 
. von der Association for the reform and codification of the law of nations, 1876 (die 
27 sog. Bremer Regeln); 
2. vom Institut de droit international, 1882 (Norsascher Entwurf); 
3. von den durch die belgische Regierung einberufenen Kongressen von Antwerpen und 
Brüssel (1885 und 1888, sog. loi type); 
4. von dem internationalen Handelskammerkongreß zu Paris 1889 (die 18 Leitsätze von 
Lyon-Caen und Coustcz; 
5. im Auftrag der Altesten der Kaufmannschaft von Berlin 1909 durch den Kammer- 
gerichtsrat Dr. Felix Meyer in 111 Paragraphen; 
6. von der Konferenz der International Law Association zu Budapest im September 
1908 (durch Byles, Sichermann, Phillimore, Rießer u. a.“ (die 27 Budapest 
Rules). 
Diese Entwürfe entbehrten zwar nicht ganz des Einflusses auf einzelne nationale Gesetz- 
gebungen, wie auf das franz. Gesetz von 1894 und das portug. HG#., aber sie hatten doch im 
Grunde nur literarische Bedeutung. In das diplomatische Stadium trat die Weltwechselrechts- 
bewegung im Jahre 1908 durch die (im Einverständnis mit Deutschland und Italien) seitens 
der Königl. Niederländischen Regierung erfolgte Einladung zu einer intemationalen Wechsel- 
konferenz. Die Einladung erging (nebst einem Fragebogen 5 über 56 Hauptpunkte) an alle 
an der Haager Friedenskonferenz beteiligten Staaten. 17 von ihnen sandten Beantwortungen 
ein. Ein vom deutschen Reichsjustizamt ausgearbeiteter Entwurf" wurde im Februar 1910 
einer in Wien abgehaltenen Konferenz deutscher, österreichischer, ungarischer und italienischer 
Delegierten unterbreitet. Zwei internationale Konferenzen fanden vom 23. Juni bis zum 
25. Juli 1910 und vom 15. Juni bis zum 23. Juli 1912 an im Haag statt; 32 resp. 33 Staaten 
waren vertreten; den Vorsitz führte der niederländische Minister Professor Dr. T. M. C. Asser, 
1 Me v er I S. 2. 
* Ebendas. S. 21 ff. 
6 Sa l. zur Geschichte der Einheitsbewegung meine Beiträge zum einheitlichen Wechselrecht, 
1879, eeir l. u. 139; Vorträge, Heidelberg 1888 S. 106 ff. u. in. Bergi IV S. 1 ff. von 
t in Themis 41 S. 437 fl., Pappenheim in Z. f. HR. 28 509 ff., Speiser 
in Z. f. HR. 36 S. 00, Sacerdott im Arch. giur. 13 S. 295, und besonders Felix Meyer, 
Dechihchrft 1906 und Weltwechselrecht, 1909 Bd. II S. 2 ff. Die im Text zu 1—3 genannten 
Entwürfe sind in Meyers Demscheist S. 139 ff. abgedruckt. Vgl. auch Zürcher Handels- 
kammer, Jahresbericht für 1910, S. 54 ff. u. Felix Meyer in Verhandlungen der Intern. 
Bereinigung f. valch. R.-Wiss., Holbg. ., 1911, S. 504 ff. 
Die Budapest Rules schließen sich an die Bremer Regeln mit einigen Zusätzen u. Abänderungen 
an. Bgl. Meyer, Weltwechselrecht II. S. 9 ff. u. 416 ff., sowie Sichermann, Budapest 
r 1908, benr en the unification etc. (Intern. Lay Association 1908) und Wi ieland 
n Z. f. HR. 66 1 
Vogeruch bei Meyer II S. 408. *r* Z 
1 i e. Reichsanzeiger v. 27. X. 1907, JW S. 39 S. 963 ff. Vgl. auch Simons in D##3. 
v. 15. XI. 1910.
	        
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