Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Wechsel- und Scheckrecht. 153 
B. Die Tratte dient 
1. zur Beschaffung von Geld an fremdem Orte, — historisch ihr ältester Zweck; 
2. zur bequemen Einziehung (Inkasso) von Forderungen unter Ersparung der Kosten 
des Geldtransports; 
3. zur Herbeiführung eines durch die Wechselstrenge gesicherten Anerkenntnisses (Akzepts) 
von Forderungen im Warenhandel (auch wohl Fakturenwechsel genannt). Dies ist der 
häufigste Dienst. In der Gegenwart wird besonders in Osterreich über die Abneigung der 
Warenkäufer, Wechsel zu akzeptieren, geklagt; 
4. zur Realisierung noch nicht fälliger Forderungen; sie erfolgt in der Regel in der Form 
der Indossierung unter Abzug des Zwischenzinses; sie bildet den Gegenstand des Diskont- 
oder Escompt ee geschäftes ½ und gestattet dem Warenhändler, seine Waren auf Kredit (Ziel) 
zu verkaufen und den Kaufpreis unter geringem Abzug noch vor der Fälligkeit nutzbar zu machen 
(Kunden= oder Warenwechsel). Durch die beiden Zwecke (zu 3 und 4) ermöglicht die Tratte 
eine unabsehbare Menge Geschäfte, die beim Barkauf oder bloßen Buchkredit unterblieben. 
wären. Die Reichsbank diskontiert nur Wechsel, welche die Unterschrift von mindestens zwei 
als solvent bekannten Personen oder Firmen tragen. 
5. zur kreditweisen Geldbeschaffung. Besonders geschieht dies durch die sog. Kredit- 
akzepte der großen Banken 2, die gegen genügende Sicherheit und Provision auf sie gezogene 
Tratten akzeptieren und damit ihren eigenen Kredit dem Aussteller dienstbar machen. 
In Deutschland laufen über 2 Milliarden Mark Bankakzepte um 3. Im überseeischen 
Warenverkehr" werden solche Tratten meist nicht von dem des Kredits bedürftigen Warenkäufer, 
sondern für seine Rechnung von seinem Verkäufer auf die Bank gezogen (sog. Kauf gegen be- 
stätigten Bankkredit); die Bank gibt ihr Akzept nur gegen Aushändigung der der Tratte ange- 
hefteten Dokumente, d. h. des Konnossements und der Versicherungspolice der versandten Ware 
sog. dokumentierter Wechsel, traites documentaires). Analog dient im sog. 
Remboursgeschäft" der Spediteure dem kreditbedürftigen Käufer das Akzept des 
vom Verkäufer bezogenen Spediteurs, dem die zur Versendung empfangene Ware zur Sicher- 
heit gereicht #f. Der Kreditbeschaffung dienen auch die sog. Gefälligkeitswechsel!? 
(lettres de change de complaisance 3, accomodation bills, kites, windmills, windbülls, 
kiteflying)?, die ohne Deckung von befreundeten meist verwandten Personen (sog. Familien= 
oder Verwandtschaftswechsel10) akzeptiert werden, um dem Aussteller die leichtere Diskontierung 
zu ermöglichen; dabei wird vereinbart, daß der Aussteller dem Akzeptanten vor Verfall die 
Deckung schicke. Sie arten, wenn sie von mehreren wechselseitig zur Beschaffung von Geld 
erteilt werden zur Wechselreiterei aus (faire la navette, faire de PFargent par 
1 Prion, Das D. Wechseldiskontgeschäft, 1907. Nordhof, D. Wechseldiskontgeschäft, 
1900. — Über Rediskontierungen, d. h. Weiterveräußerung angekauster Wechsel vgl. Rießer 
S. 169 ff. u. 217, Buchwald S. 114 u. 123. Breit, Bankgesetz, 1911, S. 130. 
„ Rießer S. 215 ff. unterscheidet 3 Arten von Bankakzepten: Warenakzept, Industrie- 
akzept u. Spimllahiunsacheb Vgl. auch Schau w e r e r „Das Bankakzept im Dienste des Be- 
triebskredits (in Z. f. HWiss. u. Hcraxis, 1911 S. 
*Breit S. 14 . 1. Nähere Angaben bei ix S. 200, 218, 223 ff. Vgl. auch 
Hecke in LeipzB. V Si#t 
* Näheres bei Le it ne r S. 288 ff. u. in den von ihm zitierten Schriften von Rosendorf, 
Hauser, Schinkel und Simon. 
über Rembourskredit vgl. Buchwald S. 218 ff., über die in der Praxis des Exportgeschäfts 
ungemein häufige Bereinigung von Rembours= und Atzepttredit vgl. ebendas. S. 22 ff. u. 352. 
* Vgl. Lengner S. 15. 
7 Ha em Man, , Gefälligkeitswechsel und Wechselreiterei (im Arch. f. bürgerl. Recht, 1911, 
  
Bd. 36, S. 
Wa l t er, Les crédits par acceptation et les efkets de complaisance. These, Paris 1910. 
Rießer S. 217. Thomson, Dictionary of banking 1911, S. 8 u. 290. — Über 
„kiting“ durch Schecks vgl. Hulshoff, De cheque, Proeve, Amsterdam, 1870 S. 26 und die 
dort ziterten Gibbons und Gilbart. In Zürich soll „Riemen gquer schreiben“ das Ge- 
H#lliglei eitsakzept volkstümlich bezeichnen; vg zieshtsterund XII, 1912, S. 54. — Bgl. auch 
Trumpler S. 37 u. 105. Meyer 1 S. 50f u. 151, II. S. 96. 
i Leitner S. 306. 
 
	        
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