158 Georg Cohn.
IV. Die Wechselerklärung eines Unfähigen ist (selbst bei Anfechtungsverzicht) absolut
nichtig, läßt dagegen die Gültigkeit der auf demselben Wechselbriefe eingegangenen Verbind-
lichkeit der Wechselfähigen (in allen drei Wechselrechtsgruppen) unberührt 1 (Prinzip der
Selbständigkeit der Wechselakte).
V. Die Wechselfähigkeit des Ausländers bestimmt sich nach dem Recht seiner Staats-
angehörigkeit, in England jedoch nach dem des Domizils 2; immerhin sind die vom Ausländer
im Inland eingegangenen Verbindlichkeiten in Deutschland und England wirksam, sofern er nur
nach inländischem Recht wechselfähig ist (Art. 84); in Frankreich ist diese Ausnahme umstritten.
Für den Schweizer im Auslande hatte das Obligationenrecht die ausnahmslose Geltung des
Heimatsrechts verordnet; doch ist dies nunmehr wohl auf die Fälle beschränkt, daß das aus-
ländische Recht ihn sich nicht unterordnet 3.
VI. Die Stellvertretung bei Übemahme einer Wechselverpflichtung ist statthaft,
auch durch eine nur beschränkt wechselfähige Person. Wer ohne zureichende Vertretungs-
macht als Vertreter im fremden Namen zeichnet 4, haftet (unter Voraussetzung seiner eigenen
passiven Wechselfähigkeit) wechselmäßig auf Erfüllung und zwar, soweit der vermeintliche Macht-
geber gehaftet haben würde (Art. 95), in Frankreich und England dagegen auf Schadensersatz.
§ 7. Wechselform.
Das streng formale Wechselversprechen setzt eine schriftliche Urkunde voraus; es gibt
keinen mündlichen Wechsel mehr 5. Format und Material sind irrelevant; nur Rußland und
Japan verlangen Stempel= resp. farbiges Papier; dagegen muß der Wechselbrief eine Anzahl
unerläßlicher Erfordermisse enthalten. Bezüglich der Zahl und Art dieser Erfordernisse gehen
die Gesetzgebungen leider noch immer auseinander; die wenigsten verlangt das englische Recht.
A. Die wesentlichen Bestandteile's?:
In fast allen Ländern der deutschen Wechsclrechtsgruppe muß die Tratte (außer dem
Zahlungsauftrag) acht, der Eigenwechsel (außer dem Zahlungsversprechen) sechs Bestandteile
enthalten; fehlt auch nur einer derselben, oder ist er nicht formgerecht, so ist die Urkunde kein
Wechsel, und es entsteht aus den auf eine solche Schrift gesetzten Erklärungen (Akzept, Giro,
Aval) keine wechselrechtliche Verbindlichkeit (Art. 4 und 7). Diese Bestandteile der Tratte sind:
1. Die Selbstbezeichnung als Wechsel (oder bei fremdsprachigen Wechseln das ent-
sprechende Wort der fremden Sprache) s und zwar im Wechselkontext ? (sog. Wechselklausel).
1 DWO. Art. 3. Meyer S. 45 ff. Trumpler S. 36.
: Für die lex domicilü vgl. u. a. Späing S. 253 u. die dort Zitierten, sowie Trumpler
S. 154 u. Wieland in Z. f. HR. 68 S. 359; dagegen ist Meili II S. 325 für das Recht des
Begebungsorts.
* Meili S. 324 f. #
* In Österreich muß nach der Jasinskischen Novelle (vgl. oben § 3 N. 6) der Bevollmächtigte
„seine eigene Unterschrift mit einem auf Bevollmächtigung hinweisenden Zusatze beifügen“; auch
muß im Wechselverfahren die Vollmacht beigebracht werden. Vgl. Adler S. 42, Trumpler
S. 170, auch 44 ff. und besonders Rintelenin 3Z. f. HR. 69 S. 113 ff. — In Deutschland genügt
schon die Unterschrift mit dem Namen des Machtgebers (Plenarentsch. d. RGer. v. 27. Juni 1910
(74, 69); mündliche Vollmacht reicht aus. — Bgl. über Wechselzeichnung durch Bevollmächtigte
und Wechselfälschung auch Wieland in Z. f. Schweiz. R. 46 S. 248.
* Anders noch im 17. Jahrhundert; so Secaccia 56 gl. 1 Nr. 76: „nec litterae neque secrip-
tura sunt de essentia cambi und Raph. de Turri, disp. 1 qu. 11 Nr. 14: „litterae cambii
non sunt de substantia contractus cambil“ (bei Molengraaff, Leidraad, 1899, S. 140).
*Zwar fordern auch Rumänien und San Marino als Regel Stempelpapier; sie lassen jedoch
Ausnahmen bei dringender Not zu (Meyer S. 145. Trumpler S. 186). Über Griechenland
o"gl. Meyer S. 146. #
? Fall, Die Crfordernisse des Wechsels in allen Kulturstaaten. 1909. UÜber die Form des
Akzepts, Giros und Avals vgl. unten 8§ 9, 10 u. 16
In Rumänien „polita“ (Tratte), in Peru „TLetra comereial“; für den Eigenwechsel ist in
Italien auch „pagherd cambiario“ oder „vaglia cambiario’, in Peru „vale“ oder „pagaré“, in
Portugal „livrança“, in Brasilien „nota promissoria“ zugelassen; vgl. Trumpler S. 39 u.
174 ff.; über die Bezeichnung der Produktenwechsel in Italien, Rumänien und Peru vgl. ebendafs.
S. 39.
* Anders Italien, Japan, Finnland. Trumpler a. a. O.