Wechsel- und Scheckrecht. 163
D. Nur zur Zeit der Geltendmachung muß der Wechsel alle Essentialien enthalten; in
welcher Reihenfolge sie aufgesetzt werden, ist unerheblich; auch Akzept (Blankoakzept) und
Indossamente können auf einen unausgefüllten Wechsel ohne Ausstellerunterschrift gesetzt werden.
Eine wechselmäßig unterschriebene Urkunde, welche die Essentialien eines Wechsels nicht
oder nicht vollständig enthält, ist ein unfertiger oder Blankowechsel Wechselblankett).
Er hat sich gewohnheitsrechtlich entwickelt, kommt hauptsächlich als Blankoakzept vor (unten
*l 10) und ist in Theorie und Praxis (in Osterreich durch Minist V. v. 6. Okt. 1853, in Ungarn,
Bosnien, England und den Vereinigten Staaten gesetzlich) anerkannt 1.
In der Ubergabe des Blanketts liegt das selbständige, unwiderrufliche, vererbliche und
übertragbare Recht zur Ausfüllung in verkehrsüblicher Weise ohne beschwerende Zusätze; ver-
tragswidrige Ausfüllung gibt dem Unterzeichner (gegen den Nehmer des Blanketts und den
um die Vertragswidrigkeit wissenden Dritten) die enceptio doli; dem redlichen Erwerber des
ausgefüllten Blanketts gegenüber haftet der Blankozeichner aber wechselmäßig nach Maßgabe
des ausgefüllten Wechsels, auch wenn die Ausfüllung der Vereinbarung widerspricht, und zwar
mit Rückbeziehung auf den Moment der Begebung resp. Indossierung. Das Ausfüllungs-
recht erlischt mit der einmaligen Ausfüllung. .
E. Die Auslegung des zur Zirkulation bestimmten Wechsels darf nur aus sich selbst und
aus allgemeinen Verkehrsanschauungen erfolgen, nicht nach partikulärem Sprachgebrauch
oder nach dem aus Nebenumständen der Ausstellung oder Begebung festgestellten Willen der
Parteien 2.
F. Die Form aller Wechselerklärungen und damit die Gültigkeit der Wechselverbindlichkeit
richtet sich allgemein 2 nach dem Recht des Ortes, an welchem die Erklärung — der Angabe
im Wechsel zufolge — erfolgt ist (locus regit actum). Es bestehen jedoch zwei Ausnahmen,
in denen das der Gültigkeit der Erklärung günstigere (inländische) Recht maßgebend ist:
1. wenn zu dem ungültigen Grundwechsel gültige akzessorische Wechselerklärungen im In-
land hinzutreten (A 85 Abs. 2);
2. wenn der Inländer sich gegenüber dem Inländer im Auslande verpflichtet (a. a. O.
Abs. 3).
§ 8. Die Verpflichtung des Ausstellers.
I. Die Tratte enthält ihrem Wortlaut nach nur einen Zahlungsauftrag des Aus-
stellers an den Bezogenen; kraft Gesetzes liegt aber in ihr das Versprechen, für den Erfolg des
Auftrags einzustehen Garantie, Regreßhaftung). Daher haftet der Aussteller
(auch bei der Kommissionstratte, § 7 B 2) wechselmäßig dem Remittenten und jedem späteren
redlichen Wechselerwerber gegenüber unter der Voraussetzung gehöriger Präsentation und
Protestation, und zwar haftet er: -
1. für Zahlung, m. a. W. für das Interesse des Inhabers an der rechtzeitigen Zahlung.
Dies Interesse wird im Einzelfall nicht speziell ermittelt, sondern ist ein= für allemal (in der
Regreßsumme) gesetzlich fixiert;
2. schon vor der Zahlung für die Annahme des Zahlungsauftrags durch den Be-
zogenen; eventuell ist er in den meisten" Ländem der deutschen Giuppe nur zur Sicherstellung,
in England und den Vereinigten Staaten zur sofortigen Einlösung, in Frankreich zur Sicher-
stellung oder Einlösung verpflichtet;
Das englische System verdient den Vorzug S.
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VBogl. Adler S. 28 (über Osterreich), Me y er S. 143 (wo auch über Rußland und Italien)
. Trumpler S. 51 (wo auch über Brasilien näher gehandelt wird); sowie Lehmann
S. 641 ff., wo auch reiche Literaturnachweisungen. Über Blankoakzepte der sogen. Fakturen-
wechsel vgl. Bettelheim und Ehrenreich. Osterreichische Gesetzeskunde 1912 III S. 144.
2 gl. jedoch auch Cosack S. 225 bei N. 10 u. 11.
* Näheres bei Trumpler S. 156 ff. u. Meyer S. 649 ff.
. Anders in Rußland, Skandinavien, Finnland, Portugal, San Salvador und Brasilien.
Vgal. Trumpler S. 88 u. 54 und Meyer I S. 464 ff.
* Bgl. Cohn in ZBergl. IV S. 62 ff. u. Meyer II S. 277 ff.; anderer Meinung ist
Bernstein, Revision S. 30, Norsa und der Antwerpener Kongreß.
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