Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

172 Georg Cohn. 
mittelalterlichen „cartam levare“, einem symbolischen Traditionsakt bei Grundstücken, die im 
Aufheben des auf die Erde gelegten Pergaments bestand. 
Um der Beweiskraft willen wurde der Protest schon seit dem Mittelalter an umständliche 
und kostspielige Förmlichkeiten gebunden. Seine Vereinfachung wurde in Deutschland seit 1849 
wiederholt gefordert; vereinzelt wurde sogar seine Abschaffung gewünscht; die Reformbestrebungen 
führten schließlich zum Reichsgesetz v. 30. Mai 1908, der sog. Protestnovellet. 
Befugt zur Protesterhebung sind allgemein (von Belgin abgesehen) die Notare und gewisse 
landesrechtlich ermächtigte Gerichtsbeamte; daneben in Belgien und jetzt auch in Deutschland die 
Postbeamten und zwar unter Haftung des Fiskus. Immerhin bezieht sich in Deutschland die Befugnis 
der Post ausschließlich auf die Proteste mangels Zahlung, und selbst von diesen sind nach Bek. des 
Reichskanzlers v. 5. August 1908 fünf Kategorien vom Postprotest noch ausgeschlossen (nämlich die 
Wechsel über mehr als 800 Mk., die Wechsel in fremder Sprache, auf ausländische Münzsorten mit 
Effektivklausel, mit Notadresse oder Ehrenakzept, sowie die unter Vorlegung von Duplikaten oder 
Kopie zu protestierenden Wechsel). — In England und den Vereinigten Staaten ist in Ermangelung 
eines Notars auch ein angesehener Einwohner vor zwei Zeugen zur Protesterhebung befugt. 
Die Protestieuung muß an einem Werktage und zwar nach der Novelle zwischen 9 Uhr 
vormittags und abends 6 Uhr erfolgen; zu einer anderen Stunde nur mit beiderseitigem Ein- 
verständnis. Sie darf nur in der Ortschaft erfolgen, in der der Wechsel präsentiert werden 
muß (mangels Annahme und mangels Sicherheit also am Adreßort, mangels Zahlung eben- 
daselbst resp. am Domizil). Eine Ausnahme besteht nur für Ortschaften, die vom Bundesrat 
(Bek. v. 9. Januar 1909) im Verhältnis zueinander als Nachbarorte erklärt sind. — In 
der Protestortschaft ist der Protestakt im gegenwärtigen Geschäftslokal und in Ermangelung 
eines solchen in der gegenwärtigen Wohnung des Protestaten vorzunehmen; in einer anderen 
Lokalität nur mit beiderseitigem Einverständnis. 
Der Protest mangels Zahlung ist nach der Novelle auf die Rückseite des Originalwechsels 
selbst oder eines mit diesem verbundenen Blattes (Allonge) zu setzen, in allen übrigen Fällen 
auf eine die Identität des Wechsels außer Zweifel setzende Abschrift des Wechsels mit allen seinen 
Indossamenten und Vermerken?. 
Jeder Protest muß die Person, in deren Auftrag er erhoben ist (den sog. Protestanten 
oder Requirenten) und die Person, gegen welche er erhoben ist (den sog. Protestaten) 
benennen; er hat ferner anzugeben, daß Protestat erfolglos aufgefordert worden oder nicht an- 
zutreffen gewesen ist, sowie Ort und Zeit der erfolgten oder versuchten Aufforderung. 
Protestant und Protestat kann (beim Domizilwechsel) eine Person sein ssog. Deklara- 
tionsprotest). 
Der Protest muß von den Protestbeamten unterschrieben, datiert und (anders in der Schweiz) 
untersiegelt sein. 
Kann der Protestbeamte trotz Nachforschung (bei der Ortspolizeibehörde oder in sonstiger 
geeigneter Weise) in der betreffenden Ortschaft weder Geschäftslokal noch Wohnung des Pro- 
testaten ermitteln, so ist dies im Protest zu beurkunden (sog. Wind-, Platz-, Nachforschungs- 
oder Perquisitionsprotest 3). Angabe der Mittel der Nachforschung ist im Protest nichterforderlich. 
Über eine Präsentation an mehrere Personen genügt eine Protesturkunde. 
Die Urkundsperson hat jetzt in Deutschland eine beglaubigte Abschrift der von ihr auf- 
genommenen Proteste zurückzubehalten, auch über den wesentlichen Wechselinhalt einen Ver- 
merk aufzunehmen und die Abschriften und Vermerke geordnet aufzubewahren. Das ander- 
Vgl. oben § 3, sowie Makower in Z. f. HR. 41 S. 361 ff. J. Stranz, Ein Protest 
gegen den Wechselprotest, 1003. Rießer im Recht, 1907, S. 25 ff. B ernstein, Die Reform 
des Wechselprotestes, 1907, auch Cohn, Der Kampf um den Wechselprotest, 1905, und über den 
Vorentwurf in Z. f. HR. 59 S. 104 ff. Weitere Literatur bei Staub- Stranz S. 264 
Art. 87 Einleitung. 
* In welge stets als Anhang zum Wechsel, in den Ver. Staaten entweder angeheftet 
oder als besondere Urkunde mit Abschrift, in allen übrigen Ländern als besondere Urkunde 
Trumpler S. 161 und 162. 
* Die Nomenklatur steht nicht fest. Perauisitionsprotest wird auch für den Protest mangels 
Aushändigung gebraucht. v. Canstein, Lehrb. S. 336; Platz= oder Windprotest auch für den Fall, 
daß Protestat keine Antwort gegeben oder in seinem Geschäftslokal nicht anzutreffen gewesen ist; 
ogl. Staub-Stranz A. 88 Anm. 42 u. A. 91 Anm. 1.
	        
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